Französisches Wettbewerbsrecht: Rechtswidrigkeit einseitiger "intuitu personae"-Klauseln in Franchiseverträgen
Französische Franchiseverträge enthalten oft Klauseln, mit denen die Höchstpersönlichkeit der Pflichten des Franchisenehmers klargestellt wird. Danach hat der Franchisenehmer seine Leistungen selbst zu erbringen und darf den Vertrag bzw. sein Unternehmen nicht ohne vorherige Zustimmung des Franchisegebers an einen Dritten übertragen. Solche Klauseln werden mit dem lateinischen Begriff „intuitu personae“ bezeichnet, was „in Ansehung der Person“ bedeutet.
Mit einem voluminösen Urteil vom 5. Januar 2022 (Aktenzeichen 20/00737) hat sich das Berufungsgericht Paris jüngst unter anderem zur Zulässigkeit einseitiger intuitu personae-Klauseln in Franchiseverträgen geäußert.
Zum streitgegenständlichen Sachverhalt
In dem entschiedenen Fall ging es um einen Pizzalieferdienst namens „Pizza-Sprint“ der in Westfrankreich als Franchiseunternehmen geführt wurde. Anlässlich einer Übernahme dieses Franchisenetzes durch den Wettbewerber „Domino's Pizza“ kam es zu einem Streit zwischen dem Franchisegeber und einigen Franchisenehmern.
Eine Anzeige einiger Franchisenehmer führte in diesem Zusammenhang zu Ermittlungen der französischen Generaldirektion für Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung („DGCCRF“) wegen wettbewerbswidriger Praktiken der Franchisegeber. Dabei ergab sich, dass die Franchiseverträge mehrere Klauseln enthielten, die nach Auffassung der Behörden zu einem erheblichen Ungleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien („déséquilibre significatif“) führten. Solche Klauseln sind nach Artikel L. 442-1, I, 2° des französischen Handelsgesetzbuches nicht nur unwirksam, sondern auch verboten und ihre Verwendung kann mit einem Bußgeld geahndet werden.
Der Wirtschaftsminister verklagte den früheren Franchisegeber Pizza Sprint und den Erwerber Domino's daher wegen wettbewerbsbeschränkender Praktiken vor dem Handelsgericht Rennes. In zweiter Instanz hatte das Berufungsgericht (cour d‘appel) Paris aufgrund einer Zuständigkeitskonzentration für Wettbewerbssachen über den Rechtsstreit zu entscheiden.
Das Berufungsgericht stellte die Rechtswidrigkeit der intuitu personae-Klausel fest und verhängte strenge Sanktionen: Es wurde deren Nichtigkeit festgestellt und den beiden Franchisegebern die Verwendung der Klausel in der Zukunft untersagt. Die Franchisegeber wurden außerdem gesamtschuldnerisch zur Zahlung eines Bußgeldes in Höhe von 500.000 € verurteilt. Schließlich ordnete das Gericht die Veröffentlichung des Urteils auf den Internetseiten der Franchisegeber und in den wichtigsten Tageszeitungen des Landes an.
Zur Unwirksamkeit der intuitu personae-Klausel
Die streitgegenständliche Klausel verpflichtete den Franchisenehmer einerseits dazu, den Franchisegeber jeweils vorab über jegliche Änderung seiner Gesellschaftsstruktur in Kenntnis zu setzen. Andererseits räumte sie dem Franchisegeber das Recht ein, den Vertrag entschädigungslos außerordentlich zu kündigen, falls der Franchisenehmer Maßnahmen plant oder ergreift, die eine „Auswirkung“ (incidence) auf die Zusammensetzung des Gesellschaftskapitals des Franchisenehmers oder seines größten Anteilseigners haben, oder zu einem Wechsel des gesetzlichen Vertreters an seiner Spitze führen. Schließlich enthielt die Klausel zulasten des Franchisenehmers ein Verbot, seine Rechte und Pflichten aus dem Vertrag ohne die Zustimmung des Franchisegebers auf einen Dritten zu übertragen.
Um die Klausel für nichtig zu erklären, stützte sich das Gericht auf Artikel L. 442-1, I, 2° des frz. Handelsgesetzbuches, der die Unterwerfung oder Versuch der Unterwerfung eines Geschäftspartners unter Pflichten verbietet, die zu einem erheblichen Ungleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien führen.
In seiner Begründung hob das Berufungsgericht Paris die Einseitigkeit der Klausel hervor. Diese sei nicht sachgerecht, da auch der Franchisenehmer ein berechtigtes Interesse daran habe, sich vom Vertrag lösen zu können, falls sich die Zusammensetzung der Gesellschafterstruktur des Franchisegebers verändert, insbesondere im Fall der Übernahme der Franchise durch einen konkurrierenden Anbieter.
Hinzu kam, dass die Klausel unklar abgefasst war: Sie räumte dem Franchisegeber bei jeglicher Veränderung der Gesellschafterstruktur des Franchisenehmers oder seines wichtigsten Gesellschafters und bei jeglicher personellen Veränderung in der Geschäftsführung des Franchisenehmers das Recht zur außerordentlichen Kündigung ein. Änderungen dieser Art treten jedoch im Geschäftsleben häufig auf, ohne dass dies die Interessen des Vertragspartners negativ beeinträchtigt. Im Ergebnis geht das vereinbarte Kündigungsrecht also weit über das hinaus, was im Geschäftsleben üblich und angemessen ist.
Beurteilung und mögliche Folgen des Urteils
Das Urteil des Berufungsgerichts Paris vom 5. Januar 2022 verdient im Ergebnis Zustimmung. Die sehr weite Fassung der Kündigungsgründe führte im Ergebnis dazu, dass der Franchisegeber eine Vielzahl von Gelegenheiten zur entschädigungslosen, außerordentlichen Kündigung des Vertrages erhielt.
Allerdings ist an der Urteilsbegründung auch Kritik zu üben. Zum einen setzt sie seit einigen Jahren zu beobachtende Tendenz der französischen Rechtsprechung fort, wonach eine Klausel nach Artikel L. 442-1, I, 2° des frz. Handelsgesetzbuches als unausgewogen und daher als nichtig anzusehen ist, weil sie einseitig zugunsten einer Partei ausgestaltet ist. Dies ist aber nicht immer sachgerecht und erscheint als Begründung unzureichend.
Zum anderen stützt das Urteil die Nichtigkeit der streitgegenständlichen Klausel auf zwei unterschiedliche Gesichtspunkte: Die Einseitigkeit der Klausel und die unklare Abfassung des Kündigungstatbestandes. Es bleibt daher unklar, ob für die Annahme eines signifikanten Ungleichgewichts - und damit für die Nichtigkeit der Klausel - einer dieser Gründe ausgereicht hätte. Dies erscheint unglücklich, weil das Urteil deswegen zu einer generellen Infragestellung von Intuitu-Personae-Klauseln führen dürfte, möglicherweise auch jenseits des Franchiserechts.
Schließlich ist zu anzumerken, dass auch Franchiseverträge, die ausländischem Recht unterliegen, von dem Urteil betroffen sind. Mit seinem „Expedia-Urteil“ vom 8. Juli 2020, (Az. 17-31/536), hat der französische Kassationsgerichtshofs nämlich klargestellt, dass der Artikel L. 442-1, I, 2° des französischen Handelsgesetzbuchs eine Eingriffsnorm darstellt, die auf alle Verträge anwendbar ist, sofern der Franchisenehmer seinen Sitz in Frankreich hat. Dies hat zur Folge, dass trotz einer vertraglichen Rechtswahl zugunsten eines ausländischen Rechts der Vertragsinhalt eines internationalen Franchisevertrages an den Maßstäben der wettbewerbsrechtlichen Inhaltskontrolle des französischen Rechts zu messen ist.
Praxistipps:
- Vermeiden Sie in Franchiseverträgen unklare und einseitige Intuitu-Personae-Klauseln. Bedenken Sie in diesem Zusammenhang, dass nach der Rechtsprechung der französischen Gerichte Franchiseverträge ohnehin höchstpersönliche Verträge sind.
- Legen Sie die zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden Gründe präzise fest, da die Klausel andernfalls aufgrund ihrer Unklarheit nichtig sein kann.
- Gerne beraten und unterstützen wir Sie bei der Formulierung von internationalen Franchiseverträgen.
10.05.2022