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Konflikte lösen, aber nicht immer vor Gericht

Christiane bei uns im Interview

Christiane, du arbeitest bei uns im Team für Arbitration & Litigation. Was fasziniert dich an diesen Bereichen besonders?

Ich fand es schon immer spannend, mich damit auseinanderzusetzen, welche Argumente überzeugend sind. Darüber hinaus darf man meines Erachtens nicht vergessen, dass der Bereich Litigation / Arbitration zum Feld der Konfliktlösung gehört. Daher empfinde ich es immer als besondere Bereicherung, wenn durch den Austausch von Argumenten eine Lösung in Form eines Vergleichs gefunden werden kann.

Nicht zuletzt ist die Arbeit auf diesem Gebiet von einer sehr starken Abwechslung geprägt. Kein Fall gleicht haargenau dem anderen, sodass man gemeinsam mit dem Mandanten oder den Parteien eines Schiedsverfahrens immer auf der Suche nach einer maßgeschneiderten Lösung ist. Dies erlaubt es häufig, in mehrfacher Hinsicht über den Tellerrand zu schauen.

Als Schiedsrichterin ist mir besonders wichtig, dass ich mich regelmäßig als eine Art Dienstleisterin gegenüber den Parteien sehe. Das Verfahren soll, soweit möglich, nach ihren Vorstellungen und Wünschen verlaufen.

Dr. Christiane Lenz

CB

Wir sind eine deutsch-französische Kanzlei, was bedeutet dies konkret für deinen Arbeitsalltag?

Fast alle unsere Mandate haben einen internationalen Bezug, und häufig ist auch ein deutsch-französisches Element dabei. Im Bereich Litigation kommt es gar nicht so selten vor, dass z. B. in einem Rechtsstreit vor einem deutschen Gericht französisches materielles Recht anwendbar ist oder umgekehrt. In einem solchen Fall arbeiten wir bei uns regelmäßig in Teams aus deutschen Rechtsanwält:innen und französischen Avocat:e:s zusammen. Dabei ist es für unsere Mandanten und auch für uns als begleitende Rechtsanwält:innen in der Handhabung der Mandate sehr effizient, wenn beide Jurisdiktionen durch dieselbe Kanzlei abgedeckt werden.

Auch unser interner Arbeitsalltag ist deutsch-französisch geprägt. So ist es zum Beispiel nicht ungewöhnlich, dass in Besprechungen beide Sprachen gesprochen werden, ohne dass es darauf ankommt, in welcher der:die vorhergehende Sprecher:in sich geäußert hat.

Darüber hinaus haben wir uns alle auch die „juristische DNA“ des jeweils anderen Landes zu eigen gemacht. Durch die regelmäßige Zusammenarbeit über die Jurisdiktionen hinaus gehört es zu unserem Grundverständnis, dass bestimmte Ansichten und Verhaltensweisen durch den juristischen Hintergrund einer Partei und deren Rechtskultur geprägt sein und aus diesem Grund im Kontakt mit Parteien aus anderen Jurisdiktionen Erstaunen hervorrufen können.

Wir bei Qivive haben den Reflex, in sämtlichen Beziehungen, sei es gegenüber Mandanten oder der Gegenseite, immer noch einen Schritt weiterzugehen und hinter die Kulissen der jeweiligen Jurisdiktion zu schauen.

Diese Arbeitsweise hilft mir insbesondere bei Schiedsrichtermandaten, da die Thematik der unterschiedlichen Rechtskulturen hier besonders häufig zum Tragen kommt.

Oft hilft gezieltes Nachfragen dann, zu verstehen, weshalb es eigentlich zu dem vorhandenen Konflikt kam. Dies ermöglicht es häufig, die Parteien einander wieder näher zu bringen.

Dr. Christiane Lenz

Auch im Bereich Litigation kommen die unterschiedlichen Rechtskulturen viel häufiger zum Tragen, als man es aufgrund der direkten Nachbarschaft von Deutschland und Frankreich vielleicht meinen könnte.

Als ein Beispiel fällt mir der Zeugenbeweis im Zivilprozess ein. Für deutsche Mandanten ist es regelmäßig überhaupt nicht überraschend, wenn in einem Zivilrechtsstreit von den Parteien Zeugen benannt werden. In Frankreich ist der Zeugenbeweis im Zivilprozess dagegen unüblich. Noch seltener kommt es zu einer Ladung des Zeugen durch das Zivilgericht. Es erfordert regelmäßig einiges an Fingerspitzengefühl, französischen Mandanten das Vorgehen im deutschen Zivilprozess näher zu bringen.
 

Welche Vorteile bietet die Schiedsgerichtsbarkeit im deutsch-französischen Rechtsverkehr im Vergleich zur staatlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland und Frankreich?

Neben den üblichen Vorteilen der Schiedsgerichtsbarkeit ist für den deutsch-französischen Rechtsverkehr insbesondere hervorzuheben, dass in der eben beschriebenen Situation des Abweichens des anwendbaren materiellen Rechts vom Gerichtsstand im Rahmen eines Schiedsverfahrens ein häufig kostenintensiver Mehraufwand vermieden werden kann. So ist es zum Beispiel möglich, durch die Auswahl geeigneter Schiedsrichter:innen ohne Rechtsgutachten und ohne teure Übersetzungen aller relevanten Unterlagen auszukommen.

Darüber hinaus ist einer der größten Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit – und dies betrifft nicht nur den deutsch-französischen Rechtsverkehr – nach meiner Erfahrung, dass die Vergleichsquote in Schiedsverfahren höher ist als in staatlichen Gerichtsverfahren, was zu einer durchschnittlich höheren Mandantenzufriedenheit führt.

Gibt es ein gewisses Talent für die Schiedsgerichtsbarkeit? Oder anders gesagt: Kann man sich dazu einen besonderen Werkzeugkasten aneignen?

Das Rechtsverständnis mehrerer Jurisdiktionen ist sicher nicht nur von Vorteil, sondern aus meiner Sicht sogar ein Muss, wenn man im Schiedsbereich arbeiten möchte. Darüber hinaus sind die Kenntnisse mehrerer Sprachen auf hohem Niveau von Vorteil und, wie bereits angesprochen, die Fähigkeit, seine eigene „juristische DNA“ zeitweise abzulegen. Im Hinblick auf das deutsche Prozessrecht sage ich immer, dass man seine sich in diesem Rahmen angeeigneten Reflexe für ein Schiedsverfahren am besten zuerst einmal komplett vergisst, um dann mit einem neuen Ansatz darüber nachzudenken.

Was meinst du damit?

In Schiedsverfahren hat die Parteiautonomie oberste Priorität. Die Parteien können daher in einem gewissen Rahmen auch die Verfahrensregeln festlegen. Der Formalismus der ZPO ist hier in großen Teilen fehl am Platz.

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