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Enthusiasmus ist die halbe Miete | Teil 4

Teil 4: Frequently Asked Questions

Hilft ein Studium des deutschen Rechts im Ausland
oder ist es eher hinderlich?

Mit zunehmendem Alter stelle ich immer mehr fest, dass wir im deutschen Jurastudium vor allem ein Handwerk gelernt haben, vielleicht dauerte das Studium auch deswegen so lange, damit wir alle die Technik der Juristerei vollständig beherrschten. In der deutschen Juristenausbildung geht es – jedenfalls in meiner Wahrnehmung – viel weniger um die Vermittlung von Wissen sondern vor allem um das Erlernen der Subsumption, das Arbeiten am Gesetzestext, das Auslegen von Begriffen, die Recherche mittels Kommentaren – mit dieser Technik lässt sich in der Tat nahezu jegliches Rechtsproblem lösen.

In Frankreich – und ich vermute auch in vielen anderen Ländern – liegen die Schwerpunkte der Rechtsausbildung demgegenüber woanders: hier geht es primär um die Vermittlung von Wissen (das häufig auswendig gelernt werden musste).

Meine Erfahrung in der Beratung im französischen Recht zeigt mir, dass man mit dem deutschen Handwerk eines Juristen, also primär dem gründlichen Subsumieren, auch im französischen Recht sehr gute Ergebnisse erzielen kann (auch wenn man in Frankreich etwa die Arbeit an Kommentaren praktisch nicht kennt), so dass ich davon überzeugt bin, dass es ein deutscher Jurist in Frankreich tendenziell auch einfacher haben dürfte, als umgekehrt ein französischer Jurist in Deutschland.

Ein weiteres Asset, das man als deutscher Jurist im Ausland ausspielen kann und sollte, ist selbstverständlich die Kenntnis der deutschen Rechtssprache und auch die Sicherheit im interkulturellen Umgang mit Deutschen. Genau diese Fähigkeiten sind bei Arbeitgebern gefragt, die deutsche Unternehmen im französischen Recht beraten (also typischerweise deutsch-französische Kanzleien oder alle „german desks“ in Frankreich). 

Kann ein nur in Deutschland ausgebildeter Jurist deshalb aber außerhalb dieser deutsch-französischen Arbeitswelt einfach eine Anstellung in Frankreich finden und wird er dort auch gute Arbeit leisten? Dies wird primär von der Arbeitswelt abhängen, in der er arbeiten will. Als Jurist in einem großen französischen Unternehmen mit zahlreichen internationalen Vertragsverhandlungen (vornehmlich auf Englisch) wird der deutsche Jurist durchaus Chancen haben. Als Rechtsanwalt in einer rein französischen Kanzlei wohl kaum (und umgekehrt wird ein französischer Avocat auch Schwierigkeiten haben, in einer deutsch-deutschen Kanzlei einen Platz zu finden). Dies liegt vor allem an der häufig mangelnden Kompetenz der jeweils fremden Rechtssprache aber auch daran, dass französische Arbeitgeber mit einem deutschen Abschluss (sei er noch so gut) schlechthin „nichts anzufangen wissen“.

Und da wären wir beim Kernproblem des Themas, der sprachlichen Kompetenz. Anders als in anderen Wissenschaften basiert die Rechtsanwendung vor allem auf Sprache, die darüber hinaus auch noch sehr technisch ist. Fehlt die Kenntnis der Rechtsterminologie, ist es dem Juristen kaum möglich, in einem anderen Land als solcher zu arbeiten (wohl auch in einer deutsch-französischen Kanzlei). Er wird sich diese Fähigkeiten zwar im Rahmen von Praktika oder innerhalb der ersten Berufsjahre aneignen können, allerdings ist der Weg dahin beschwerlich und es ist auch nicht gewiss, ob ihm überhaupt die Chance für einen solchen Quereinstieg geboten werden wird. Dies liegt vor allem an dem Wettbewerbsdruck, unter dem viele Kanzleien heute stehen: Die meisten Kanzleien wünschen sich fertig ausgebildete, produktive und sofort einsetzbare Anwälte, nur noch sehr wenige sind bereit, viel Zeit und Kraft in deren Ausbildung zu investieren.

Was tun, wenn es einen als deutscher Jurist ins Ausland zieht?

Wenn Sie den Wunsch verspüren, beruflich später einmal als Jurist im Ausland zu arbeiten, sollten Sie dieses Projekt früh und gut vorbereiten. 

Zunächst sollten Sie sich möglichst auf ein Land, eventuell auch nur auf eine bestimmte Sprache konzentrieren. Ich denke da nicht primär ans Englische, weil diese Sprache meines Erachtens – abgesehen von einer beruflichen Tätigkeit im angelsächsischen Ausland – nur als wichtiges add-on angesehen wird. Es geht hier also um das Erlernen einer dritten Sprache (neben Deutsch und Englisch), auch und vor allem um das Erlernen der Rechtsterminologie des Ziellandes. 

Im Idealfall wurde bereits während der Schulzeit eine ausreichende Grundlage der Fremdsprache (Französisch, Spanisch, Italienisch) gelegt. Diese Kenntnisse sollten dann idealerweise im Rahmen eines Doppelstudiums verbessert und durch die Rechtsterminologie ergänzt werden.

Von diesen Doppelstudiengängen gibt es inzwischen viel mehr als man denkt. Für den deutsch-französischen Rechtskreis finden sich zahlreiche Studiengänge auf der Homepage der deutsch-französischen Hochschule. Ein solches Studium schafft nicht nur die unerlässlichen sprachlichen Grundlagen, es kann später (jedenfalls in Frankreich) auch helfen, den Anwaltstitel (Avocat) leichter zu erwerben, weil im Rahmen der Äquivalenzprüfung Fächer, die bereits im Studium belegt wurden, anerkannt werden, so dass der Prüfungsstoff geringer ist. 

Ein halbes Jahr im Rahmen eines Erasmusprogramms im Ausland ist sicherlich ein erster Schritt, ob es aber genügt, um einen zukünftigen Arbeitgeber im Zielland zu überzeugen, möchte ich heute eher bezweifeln.

Wer mag, kann sich auch schon im Studium Fächer aussuchen, an denen der Arbeitsmarkt verstärkt interessiert sein wird: Arbeitsrecht, Steuerrecht, Internationales Privatrecht, aber auch ggf. Familien- und Erbrecht sind Rechtsgebiete, die im deutsch-französischen Rechtsverkehr häufiger gefragt sind, als etwa Straf- oder Völkerrecht.

Und schließlich sollten Sie nicht vergessen, im Rahmen des Studiums und Ihres Referendariats zahlreiche Praktika und Stationen einzuplanen, die Sie Ihrem Ziel, im Ausland zu arbeiten, näherbringen. Dabei sollten Sie wenn möglich in verschiedenen Bereichen hineinschnuppern: Rechtsabteilung eines Unternehmens, binationale Kanzlei (z. B. deutsch-französische Kanzlei), rein nationale Kanzlei: Im Idealfall lernen sie schon zu Studienzeiten Ihren zukünftigen Arbeitgeber kennen.

Ersterscheinung in der STUD.jur. 1/2020 – Angepasst in 2021 

STUD.jur. - Eine Zeitschrift von Studierenden für Studierende. Mit klarem inhaltlichen Konzept, rechtspolitisch brisanten und fächerübergreifenden Themen sowie praktischen Hilfen für Studium und Karriere. Ein lebendiges Magazin, innovativ, informativ, unterhaltsam und kompetent, das ständig im Dialog mit seiner Zielgruppe steht.

Vita Dr. Christophe Kühl:

Dr. Christophe Kühl hat die deutsch-französische Staatsbürgerschaft und ist als Rechtsanwalt und Avocat au Barreau de Paris zugelassen. Er leitet die Büros Köln, Paris und Lyon der Kanzlei Qivive, die mit knapp 30 Anwält:innen und Avocat:e:s und über 45 Mitarbeitenden eine der führenden Kanzleien im deutsch-französischen Wirtschaftsverkehr ist. Die Kanzlei bietet Studierenden und Referendaren auch zahlreiche Praktika und Stationen an, mit einem Durchlauf von ca. 15 Praktikanten pro Jahr.

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