Französische Lieferbedingungen – Zuordnung des Kunden zu einer Kundenkategorie
Nach Art. Art. L 441-1 Nr. II des französischen HGB haben bestehende und potentielle Nachfrager gegen den Anbieter einen Anspruch auf Übermittlung der AGB (was die Preisliste umfasst). Für den Fall, dass der Anbieter für unterschiedliche Kategorien von Kunden unterschiedliche AGB vorhält, bezieht sich der Übermittlungsanspruch nur auf diejenigen AGB, die für die passende Kategorie von Käufern gelten.
In einem jüngst entschiedenen Fall hatte der Kassationsgerichtshof darüber zu entscheiden, wie zu verfahren ist, wenn der Nachfrager keiner der vom Lieferanten vorgesehenen Kundenkategorien genau zugeordnet werden kann (Cass. com., Urt. v. 28.9.2022 Az. 19-19.768, Sté Coopération pharmaceutique française c/ Sté Mon Courtier en pharmacie).
Eine von niedergelassenen Apothekern gegründete Einkaufsgemeinschaft namens SRA war damit beauftragt, für ihre Mitglieder mit Pharmaunternehmen die Bedingungen für den Einkauf von Produkten auszuhandeln. Diese Organisation wollte eine Geschäftsbeziehung mit einem Pharmaunternehmen eingehen, welches AGB für drei verschiedene Kundenkategorien vorhielt, die an die Tätigkeit des Kunden anknüpfen: (1) direkt bestellende Einzelapotheken, (2) direkt bestellende Apotheken, die über eine Listungszentrale zusammengeschlossen sind und (3) Groß- bzw. Zwischenhändler. SRA hatte die Übermittlung und Anwendung der Lieferbedingungen für Einzelapotheken verlangt, was das Pharmaunternehmen mit der Begründung abgelehnt hatte, dass SRA als Kommissionärin in eigenem Namen handele, selbst die Zahlung des Kaufpreises schulde und die Lieferungen entgegennehme und somit in die Kategorie der Groß- bzw. Zwischenhändler falle.
In dem darauffolgenden Rechtsstreit wies das Berufungsgericht Paris darauf hin, dass ein Anbieter einem Nachfrager die Übermittlung der für eine bestimmte Kategorie von Nachfrage erstellten AGB nur verweigern darf, wenn er anhand objektiver Kriterien nachweist, dass dieser nicht in die betreffende Kategorie fällt (so bereits Cass. com. Urt. v. 29.3.2017, Az. 15-27.811).
Sodann stellte das Berufungsgericht fest, dass SRA der Kategorie der direkt bestellenden Einzelapotheken zuzuordnen sei und daher Anspruch auf die Übermittlung (und letztlich auch die Anwendung) der Lieferbedingungen für diese Kundenkategorie hat. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass sich aus der Satzung der SRA und den Verträgen, die sie mit den Mitgliedsapotheken abgeschlossen hatte, ergebe, dass sie als Einkaufskommissionärin handelt und ihre Bestellungen zwar im eigenen Namen, jedoch im Auftrag und für Rechnung der einzelnen Mitgliedsapotheken aufgibt, ohne dabei selbst Partei der Kaufverträge zu werden. Dies unterscheide SRA von einem Großhändler, der Waren auf eigene Rechnung erwirbt und diese an Einzelhändler weiterverkauft.
Der Kassationshof bestätigte dieses Urteil. Er wies darauf hin, dass die Vorinstanz die Tätigkeit der SRA und Beziehungen der Parteien zueinander zutreffend gewürdigt habe und bestätigte, dass SRA dazu berechtigt war, die Übermittlung der AGB für Einzelapotheken zu verlangen, da sie von den drei vom Pharmahersteller aufgestellten Kategorien dieser Kundenkategorie „am nächsten kam“.
Bedeutsam an dieser Entscheidung ist, dass der Übermittlungsanspruch nicht voraussetzt, dass die Tätigkeit des Nachfragers genau der jeweiligen Kundenkategorie entspricht, für welche er die Übermittlung der Lieferbedingungen verlangt. Vielmehr reicht es aus, dass, dass sich die Anfrage auf die AGB für diejenige Kundenkategorie bezieht, welcher der Nachfrager „am nächsten kommt“.
Angesichts dieser Entscheidung empfiehlt es sich für Anbieter in den meisten Fällen, unterschiedliche AGB für möglichst differenzierte Kategorien von Käufern zu erstellen, wenn sie vermeiden wollen, dass Nachfrager die Übermittlung und Anwendung der AGB einer bestimmten Kundenkategorie in Anspruch nehmen können, in welche sie nicht exakt fallen.
01.12.2022