Gültigkeit von Gerichtsstandsklauseln im digitalen Geschäftsverkehr
Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 24. November 2022 (C‑358/21) bestätigte im Rahmen einer B2B-Beziehung, dass eine in den AGB enthaltene Gerichtsstandsklausel wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen wird, wenn die AGB über einen Hyperlink zugänglich gemacht wurden. Das Erfordernis, die AGB ausdrücklich durch Anklicken zu akzeptieren, ist nicht notwendig. Das Urteil leistet einen wichtigen Beitrag zu mehr Flexibilität bei der Grenzziehung der Willenseinigung im digitalen Geschäftsverkehr im Rahmen von B2B-Beziehungen.
Dem Urteil liegt ein Rechtsstreit zwischen dem Unternehmen Unilever mit Sitz in der Schweiz und seinem Zulieferer Tilman mit Sitz in Belgien zugrunde. Ursprung des Streits war die Änderung der im ersten Vertrag vereinbarten Lieferpreise durch einen zweiten Vertrag. In diesem Folgevertrag wurde ebenfalls darauf hingewiesen, dass Tillman den über einen Hyperlink zugänglichen AGB von Unilever unterliegt, in denen u. a. die Zuständigkeit der englischen Gerichte für eventuelle Rechtsstreitigkeiten festgelegt war.
Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien im Zuge der Preisänderung zahlte Unilever die Rechnungen nur noch teilweise, woraufhin Tilman das Unternehmen vor den belgischen Gerichten verklagte. Unilever berief sich auf die in den AGB aufgeführte Gerichtsstandsklausel, nach der die englischen Gerichte zuständig sind und rügte die Zuständigkeit des belgischen Gerichts.
Tilman berief sich hingegen auf das Übereinkommen von Lugano II vom 30. Oktober 2007, nach dem die Gerichtsstandsvereinbarung laut Artikel 23 „schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung“ erfolgen und tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien sein muss, die klar und deutlich zum Ausdruck kommt.
Der belgische Kassationshof hatte Zweifel, ob die in den Allgemeinen Einkaufsbedingungen enthaltene Gerichtsstandsklausel entsprechend Artikel 23 des Übereinkommens durch den Hyperlink wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen wurde. Daher setzte er das Verfahren aus und legte die Frage dem EuGH zur Entscheidung vor (Vorabentscheidungsverfahren).
Laut EuGH ist eine Gerichtsstandsklausel wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen, wenn der schriftlich geschlossene Vertrag durch die Erwähnung eines Hyperlinks auf die AGB hinweist. Voraussetzung ist allerdings, dass dem Vertragspartner vor der Unterzeichnung des Vertrags ermöglicht wird, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Kenntnis zu nehmen, sie herunterzuladen und auszudrucken. Der Vertragspartner kann dem anderen nunmehr nicht mehr entgegenhalten, nicht formell aufgefordert worden zu sein, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch Ankreuzen eines Kästchens auf der Internetseite zu akzeptieren.
Tipp:
Im B2B können Sie anstelle der Vorgehensweise, die AGB durch das Anklicken eines Kästchens akzeptieren zu lassen, stattdessen einen Hyperlink im Vertrag verwenden, über den es für den Kunden möglich ist, die AGB herunterzuladen und auszudrucken.
28.03.2023