Informations- und Beratungspflicht des gewerblichen Verkäufers in Frankreich
Am 19. Juni 2024 hat die erste Zivilkammer des französischen Kassationshofs entschieden, dass die Informations- und Beratungspflicht eines gewerblichen Verkäufers auch die Transportbedingungen der verkauften Waren umfasst, wenn diese von einem Verbraucher transportiert werden.
Sachverhalt
Ein Kunde bestellte 67 Holzbretter mit einer Länge von jeweils 4,52 Metern bei einem spezialisierten Unternehmen in Frankreich. Ein Mitarbeiter des Unternehmens lud die Bretter gemeinsam mit dem Kunden auf den Anhänger des Kundenfahrzeugs. Nach Verlassen des Firmengeländes kollidierte der Kunde in einer Abfahrt mit einem anderen Fahrzeug, was zum Tod beider Fahrer führte. Der Unfall war auf das Gewicht des Anhängers und dessen Abdriften zurückzuführen. Die Erben des Kunden verklagten das Unternehmen wegen Verletzung der Sicherheits- sowie der Informations- und Beratungspflichten. Das Berufungsgericht gab der Klage statt und entschied, dass das Unternehmen den Kunden nicht ausreichend über das Gesamtgewicht der Bretter informiert hatte.
Entscheidungsgründe des Kassationshofs
Die Entscheidung des Kassationshofs stützt sich auf mehrere wesentliche Aspekte:
- Informations- und Beratungspflicht des Verkäufers
- Die Pflicht des Verkäufers umfasst nicht nur die Beschaffenheit der verkauften Waren, sondern auch die Bedingungen ihres Transports durch den Käufer.
- Die Tatsache, dass der Käufer die Waren selbst geladen hatte, entband den Verkäufer nicht von seiner Informationspflicht über die Transportbedingungen, insbesondere bei potenzieller Überladung.
- Relevanz des Verbraucherrechts
- Das Gericht verwies auf Artikel L. 421-3 des französischen Verbrauchergesetzbuchs (code de la consommation), der eine Sicherheitsverpflichtung für Produkte und Dienstleistungen festlegt.
- Artikel 1231-1 des Zivilgesetzbuchs (ehemals Artikel 1147) über die vertragliche Haftung war ebenfalls von Bedeutung.
- Präventive Maßnahmen
- Eine Kampagne des Verbands „Bois et Matériaux“ von 2013 hatte Verkäufer darauf hingewiesen, dass sie bei Überladungsgefahr den Transport der Materialien verweigern sollten.
Ausschluss des Mitverschuldens des Opfers
Das Unternehmen argumentierte, dass der Käufer aufgrund einer Überladung und mangelnder Fahrzeugbeherrschung sanktioniert worden sei, und dass dies zu einem die Haftung des Unternehmens mindernden Mitverschulden führen sollte. Der Kassationshof wies dieses Argument zurück, da die Überladung die einzige Unfallursache war, die auf die fehlende Information durch das Unternehmen zurückzuführen war.
Fazit
Der Kassationshof betonte, dass die Informations- und Beratungspflicht eines gewerblichen Verkäufers auch die Transportbedingungen der verkauften Waren umfasst. Diese Entscheidung stärkt den Verbraucherschutz und unterstreicht die Bedeutung der umfassenden Information des Käufers durch den Verkäufer, um mögliche Risiken zu minimieren.
Das ohnehin strenge Kaufrecht, das für den gewerblichen Verkäufer eine nahezu nicht begrenzbare Haftung begründen kann, wird durch die Entscheidung weiter verstärkt. Unternehmen sollten jedenfalls bei schwerer zu transportierenden Waren darüber nachdenken, sich die entsprechende Information über einen sachgerechten Transport (u. a. Einhaltung des Zuladegewichts) vor Herausgabe der Ware durch den Kunden quittieren zu lassen.
28.06.2024