Neue Betätigungsfelder für Rechtsanwälte in Frankreich
In Frankreich können sich Rechtsanwälte mittlerweile in Bereichen betätigen, die Ihnen zuvor aus standesrechtlichen oder anderen Gründen verschlossen waren, unter anderem als Immobilienmakler, Treuhänder, Künstleragenten, Spielervermittler, Datenschutzbeauftrage und Lobbyisten. Allerdings sind dabei bestimmte Einschränkungen zu beachten.
1. Diskussion über die Rolle der französischen Anwaltschaft
Seit einigen Jahren wird in Frankreich über die Rolle des Rechtsanwalts in der Rechtspflege diskutiert. Es wurde dabei als Problem erkannt, dass die französische Anwaltschaft, im Unterschied zu ihren Kollegen aus anderen Ländern hauptsächlich als Spezialisten für Gerichtsverfahren wahrgenommen werden und weniger als Berater. Außerdem wurde darauf verwiesen, dass Anwälte in Ländern, wie Deutschland, Spanien oder Holland bestimmte Tätigkeiten ausüben dürfen, die ihren französischen Kollegen verwehrt sind. So können französische Anwälte etwa nicht als Syndikusanwälte in Unternehmen arbeiten oder notarielle Leistungen erbringen.
Im Juni 2008 betraute der französische Präsident Sakozy – selbst ein Rechtsanwalt (Avocat) – eine Kommission um den Wirtschaftsanwalt Jean-Michel Darrois mit der Erarbeitung eines Berichts zur Zukunft der Rechtsberufe, mit dem Ziel, den Anwaltsberuf in Frankreich zu einem „großen Rechtsberuf“ (grande profession du droit) zu machen. Der Präsident verwies darauf, dass sich die französische Anwaltschaft angesichts der gestiegenen Bedeutung der Rolle der Rechtsanwälte in der Gesellschaft zunehmend einem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sehe und somit zur „Speerspitze“ des „Wettbewerbs der Rechtssysteme“ geworden sei. Aufgrund der starken Heterogenität der Anwaltschaft bestehe die Gefahr der „Verarmung“ der Einzelanwälte, die sich um die rechtlichen Belange der Bürger kümmerten, gegenüber den – häufig angelsächsischen – Großkanzleien, die im Bereich des Wirtschafts- und der Finanzrechts dominieren.
Ein knappes Jahr später legte die Darrois-Kommission ihren Bericht vor, der eine Reihe von Reformvorschlägen enthält, die den Anwaltsberuf zukunftssicher machen sollen. Insbesondere identifiziert der Bericht Berufe wie Immobilienmakler, Künstleragent und Spielervermittler die davon profitieren könnten, wenn sie (auch) von Anwälten ausgeübt werden würden.
Seit dem Bericht der Darrois-Kommission hat sich in Frankreich in Bezug auf die zulässigen Tätigkeitsfelder der Rechtsanwälte (Avocats) einiges getan: Der Gesetzgeber hat für Anwälte inzwischen die Möglichkeit geschaffen, unter anderem als Immobilienmakler, Künstler- oder Sportagenten, Treuhänder, Datenschutzbeauftragte oder Lobbyisten tätig zu werden. Allerdings finden diese Tätigkeiten nach wie vor ihre Grenzen in den standesrechtlichen Regeln. So bestimmt der Artikel 111 der französischen Verordnung über den Anwaltsberuf nach wie vor, dass der Beruf des Rechtsanwalts mit jeglicher gewerblichen Tätigkeit unvereinbar ist.
Erlaubt ist den Rechtsanwälten seit Juli 2016 jedoch das ergänzende (à titre accessoire) Anbieten von Dienstleistungen, die mit ihrer anwaltlichen Tätigkeit im Zusammenhang stehen (services connexes).
Mit diesem Artikel wollen wir Ihnen einen knappen Überblick über einige der neuen Betätigungsfelder der Rechtsanwälte und Ihre standesrechtlichen Grenzen geben.
2. Der Anwalt als Immobilienmakler und Immobilienverwalter
Bereits seit 1970 sah das französische Recht vor, dass Anwälte ohne die für Immobilienmakler sonst erforderliche Zulassung bei Immobilientransaktionen als Makler auftreten können. Allerdings war diese Tätigkeit aus standesrechtlicher Sicht problematisch. Anwälte, die sich in Frankreich als Makler betätigten, riskierten aufgrund der gewerblichen Natur dieser Tätigkeit berufsrechtliche Sanktionen durch ihre Anwaltskammer.
Im April 2009 hat die Pariser Anwaltskammer die standrechtlichen Beschränkungen schließlich gelockert. Im Februar 2010 zog die nationale Anwaltskammer (CNB) nach. Seitdem sieht Artikel 6.3 der nationalen Berufsordnung der Rechtsanwälte (Règlement Intérieur National de la profession, RIN) vor, dass der Anwalt sich als Makler bei Immobilientransaktionen betätigen kann. Allerdings darf er diese Tätigkeit nur ergänzend und im Zusammenhang mit einem klassischen Mandat ausüben. Der Anwalt darf also grundsätzlich nur für eine der Parteien tätig werden. Er tritt mithin nicht als gewerblicher Unternehmer auf, sondern es wird lediglich die Mandatsbeziehung erweitert, was es dem Rechtsanwalt ermöglicht, seinen Mandanten eine umfassendere und individuellere Dienstleistung anzubieten.
Vorteil für den Mandanten ist, dass der Rechtsanwalt eine höhere finanzielle Sicherheit als klassische Immobilienagenturen bietet. Der Anwalt im Rahmen seiner Tätigkeit als Immobilienmakler durch seine Berufshaftpflichtversicherung versichert, die in Frankreich in der Regel eine höhere Deckung bietet, als die Mindestdeckung der Makler-Haftpflichtversicherung.
Ferner sieht Artikel 6.3 der nationalen Berufsordnung der Rechtsanwälte vor, dass diese auch als Immobilienverwalter (syndic de copropriété) tätig werden können. Der Rechtsprechung des obersten französischen Gerichtshofs in Zivilsachen war schon länger zu entnehmen, dass die Immobilienverwaltertätigkeit nicht grundsätzlich mit der des Rechtsanwalts unvereinbar ist, da es sich hierbei nicht um eine kaufmännische Tätigkeit handelt. (Cass. civ. 1ère, 11. Juli 1988). Dem Rechtsanwalt ist es demnach nun auch möglich, für seinen Mandanten die Funktionen des Immobilienverwalters zu übernehmen, solange jene Tätigkeit ergänzend (à titre accessoire) ausgeübt wird.
Nach Artikel 6.4 der französischen Berufsordnung der Rechtsanwälte (RIN) muss der Rechtsanwalt die Aufnahme seiner Tätigkeit als Immobilienmakler oder als Immobilienverwalter vorab der Rechtsanwaltskammer anzeigen.
3. Der Anwalt als Sportagent oder Spielervermittler
Entsprechend einer Empfehlung der Darrois-Kommission hat das Gesetz vom 28. März 2011 für Rechtsanwälte die Möglichkeit geschaffen, Sportler beim Abschluss bestimmter Verträge zu vertreten. Dabei handelt es sich um die in Artikel 222-7 Absatz 1 des Sportgesetzbuches genannten Verträge, also solche betreffend die entgeltliche Ausübung einer Sport- oder Trainingsaktivität. Das Gesetz sieht vor, dass das Honorar des Anwalts für diese Tätigkeit der Höhe 10 % des Vertragswertes nicht überschreiten darf. Damit gilt für den Rechtsanwalt die gleiche Honorargrenze wie für andere Spielervermittler.
Im Unterschied zu „gewöhnlichen“ Spielervermittlern benötigen die Anwälte zur Ausübung dieser Tätigkeit keine Lizenz des betreffenden Sportverbandes. Auch unterliegen die Anwälte nicht der Disziplinargewalt des Verbandes. Stellt ein Sportverband Unregelmäßigkeiten bei der Ausübung der Tätigkeit durch einen anwaltlichen Spielervermittler fest, so muss er die Angelegenheit an den Präsidenten der Anwaltskammer verweisen.
Anzumerken ist weiter, dass die von den anwaltlichen Spielervermittler angefertigten Verträge ebenfalls dem zuständigen Sportverband zur Genehmigung vorgelegt werden müssen. Insoweit besteht eine Ausnahme zu dem anwaltlichen Berufsgeheimnis.
Auch bei dieser Tätigkeit sind jedoch die Einschränkungen des Artikels 6.2 der RIN zu beachten, der Tätigkeiten gewerblicher Natur nur als akzessorische Tätigkeit im Rahmen eines klassischen anwaltlichen Mandats zulässt. Trotz dieser Einschränkung können die Bestimmungen des Gesetzes vom 28. März 2011 für die französischen Anwälte die Grundlage für eine erfolgreiche Diversifizierung Ihrer Tätigkeit darstellen.
Schließlich ist zu beachten, dass der Rechtsanwalt in Frankreich nach Artikel 6.4 der RIN die Aufnahme seiner Tätigkeit als Spielervermittler vorab der Rechtsanwaltskammer anzeigen muss.
4. Der anwaltliche Künstler- bzw. Literaturagent
Wie Artikel 6.3.5 der RIN nunmehr klarstellt, können sich französische Avocats weiter auch als Vermittler von Künstlern und Autoren betätigen. Allerdings darf der Anwalt auch diese Tätigkeiten nicht als Haupttätigkeit, sondern nur ergänzend zu seiner übrigen anwaltlichen Tätigkeit ausgeübt werden.
Für die Vermittlung von Künstlern und Autoren besteht ein gesetzlicher Rahmen, der auch von Anwälten teilweise zu beachten ist. Der Status des Künstleragenten ist in Artikel L.7121-9 des Arbeitsgesetzbuches und in den zugehörigen Ausführungsverordnungen geregelt. Es besteht für den Anwalt keine Pflicht zur Eintragung in das nationale Register für Künstleragenten vor Aufnahme seiner Tätigkeit, wie es für Künstleragenten der Fall ist. Es ist dem Anwalt jedoch gestattet, sich dort eintragen zu lassen, da dem oben zitierten Artikel ein entsprechendes Recht auf Eintragung zu entnehmen ist. Die Vergütung des Künstleragenten darf gemäß Artikel D.7121-7 des Arbeitsgesetzbuches 10% der Brutto-Gesamtvergütung des Künstlers (15 % in bestimmten Sonderfällen) nicht überschreiten.
Die französische Rechtsanwaltskammer vertritt die Auffassung, dass die Tätigkeit des Anwalts als Künstler- und Literaturagent grundsätzlich von der Haftpflichtversicherung der französischen Anwaltschaft gedeckt ist. Ausnahmen sollen allenfalls bei außergewöhnlich riskanten oder umfangreichen Transaktionen gelten. In diesen Fällen sollte der Anwalt vorab eine Deckungszusage einholen.
Nach Artikel 6.4 der Berufsordnung der Rechtsanwälte (RIN) muss der Rechtsanwalt die Aufnahme seiner Tätigkeit als Künstleragent vorab der Rechtsanwaltskammer anzeigen.
5. Der Anwalt als Treuhänder
Die Treuhand (fiducie) wurde als Rechtsfigur überhaupt erst im Jahr 2007 in das französische Recht übernommen. Artikel 2011 Code civil definiert die Fiducie als „ein Geschäft, bei dem ein oder mehrere Treugeber existierende oder zukünftige Sachen, Rechte oder Sicherheiten […] an einen oder mehrere Treuhänder übertragen, die diese von ihrem eigenen Vermögen getrennt halten, und zu einem bestimmten Zweck zugunsten eines oder mehrerer Begünstigter handeln“.
Nachdem anfangs in Frankreich nur der Körperschaftsteuer unterliegende juristische Personen, Kreditinstitute, Versicherungen und Wertpapiergesellschaften Treuhänder sein konnten, wurde der Kreis der möglichen Treuhänder im Jahr 2008 auf Rechtsanwälte erweitert.
Einige Bedingungen für die Ausübung dieser Tätigkeit durch Rechtsanwälte sind in Artikel 123 der französischen Berufsordnung für Rechtsanwälte festgelegt. Danach muss ein Anwalt, der als Treuhänder auftreten möchte, vorab schriftlich seine Kammer informieren. Diesem Schreiben ist der Nachweis des Abschlusses einer speziellen Versicherung beigefügt werden, da die Tätigkeit als Treuhänder nicht von der allgemeinen Berufshaftpflichtversicherung gedeckt ist. Diese Versicherung sichert den Anspruch des Treugebers bzw. eines Dritten auf Herausgabe des treuhänderisch übertragenen Gegenstandes nach Beendigung des Treuhandverhältnisses. Nichtanwaltliche Treuhänder unterliegen in Frankreich dagegen keiner Versicherungspflicht. Für den Treugeber ist es daher vorteilhaft, einen Anwalt zum Treuhänder zu bestellen.
Eine Besonderheit des anwaltlichen Treuhänders ist, dass das Treuhandverhältnis beendet wird, wenn der als Treuhänder bestellte Anwalt verstirbt oder seine Zulassung verliert. Diese Folge kann jedoch vermieden werden, indem eine von Anwälten gegründete Gesellschaft zum Treuhänder bestellt wird.
Anwaltliche Treuhänder unterliegen einer Reihe standesrechtlicher Pflichten, die sich aus Artikel 6.5 des RIN ergeben, und die unter anderem das Verhältnis des Berufsgeheimnisses zur treuhänderischen Tätigkeit betreffen.
Nach 6.5.3 RIN muss der anwaltliche Treuhänder in jeglicher, die Treuhand betreffende Korrespondenz darauf hinweisen, dass er diese in seiner Eigenschaft als Treuhänder führt und dass das Schreiben im Unterschied zu einem gewöhnlichen Schreiben eines französischen Anwalts nicht vertraulich ist, da es möglicherweise den Aufsichtsbehörden vorzulegen ist.
Artikel 6.5.5 RIN legt weitere spezifische Verpflichtungen fest. So muss die Vergütung des Anwalts im Treuhandvertrag gesondert von der Vergütung der anderen Beteiligten ausgewiesen werden. Zudem muss der Anwalt über seine Tätigkeit als Treuhänder gesondert Buch führen. Für jede Treuhand muss er in seiner Buchhaltung ein gesondertes Konto einrichten.
Nach Artikel 6.5.4 RIN unterliegt der französische Anwalt auch als Treuhänder grundsätzlich dem Berufsgeheimnis. Allerdings muss der Anwalt Vorkehrungen treffen, um es den Behörden zu ermöglichen, die ihre im Bereich der Treuhandverhältnisse gesetzlich vorgesehene Kontrollfunktion auszuüben, ohne dass dabei die Vertraulichkeit der Korrespondenz beeinträchtigt wird, die der Anwalt in anderen Angelegenheiten seiner Kanzlei führt. Um dies zu ermöglichen, muss der Anwalt seine Treuhandangelegenheiten streng von den übrigen Akten trennen und gesondert archivieren. Korrespondenz, die der Anwalt als Treuhänder führt muss auf ein anderes Briefpapier gedruckt werden und den Hinweis enthalten, dass der Absender in seiner Eigenschaft als Treuhänder handelt. Zudem muss er den Empfänger darauf hinweisen, dass die als Treuhänder geführte Korrespondenz gegebenenfalls gegenüber den Behörden offengelegt werden muss, also nicht der Vertraulichkeit unterliegt wie normale Anwaltskorrespondenz. Elektronische Speichermedien darf der Anwalt nur entweder für den einen oder den anderen Tätigkeitsbereich einsetzen.
Aufgrund dieser Einschränkungen dürfte es sich in der Praxis für die betroffenen Rechtsanwälte anbieten, für ihre Tätigkeit als Treuhänder eine eigene juristische Person zu gründen und diese in von ihrer Kanzlei getrennten Räumlichkeiten auszuüben.
6. Der Anwalt als Datenschutzbeauftragter
Seit August 2004 haben französische Unternehmen bereits die Möglichkeit, einen Rechtsanwalt zum Datenschutzbeauftragten (sog. „Korrespondenten für Informationstechnologie und bürgerliche Freiheiten“, abgekürzt CIL) zu ernennen. Nach dem Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) am 25. Mai 2018 wird sich die Rolle und die Bezeichnung (sog. délégué à la protection des données) der französischen Datenschutzbeauftragten zwar ändern, jedoch besteht für Rechtsanwälte weiterhin die Möglichkeit, diese Tätigkeit auszuüben.
Gemäß Ziffer 6.3.3 der nationalen Berufsordnung der Rechtsanwälte (RIN) darf der anwaltliche Datenschutzbeauftragte in Frankreich seinen Auftraggeber nicht wegen eines Verstoßes gegen die Datenschutzvorschriften bei den Behörden anzeigen. Stattdessen muss er sein Mandat niederlegen, sobald ersichtlich wird, dass er seine Rolle nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen kann. Zuvor muss er den für die Datenverarbeitung Verantwortlichen informieren.
Weiter darf der Anwalt von einer Person, für die er als Datenschutzbeauftragter tätig ist oder war, kein Mandat annehmen, welches sich auf die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitungen dieser Person bezieht.
Die Ernennung eines Rechtsanwalts zum Datenschutzbeauftragten erscheint sinnvoll, wenn man bedenkt, dass diese Materie und die gesetzlich vorgeschriebenen Formalitäten immer komplexer werden. Auch dürfte ein externer Datenschutzbeauftragter tendenziell eine größere Unabhängigkeit bei seiner Arbeit besitzen, als ein vom Unternehmen angestellter Datenschutzbeauftragter. Bei der Ernennung eines Datenschutzbeauftragten sind in jedem Fall die von der DSGVO festgelegten Mindestanforderungen an dessen Qualifikation zu beachten.
7. Der Anwalt als Interessenvertreter (Lobbyist)
Wie sich aus Ziffer 6.3.4 der RIN ergibt, kann der Anwalt in Frankreich auch als Interessenvertreter bzw. Lobbyist tätig sein. Unter Lobbying versteht man eine private Initiative, die darauf abzielt, eine öffentliche Entscheidung zu verändern oder eine zukünftige Entscheidung zu beeinflussen.
Die Interessenvertretung ist in Frankreich in der jüngeren Zeit Gegenstand zahlreicher gesetzlicher Regelungen gewesen. Ab 2009 haben die Nationalversammlung und der Senat jeweils Mechanismen zur Regulierung der Interessenvertretung eingerichtet (Pflicht zur Eintragung von Interessenvertretern in eine Liste und Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter ethischer Regeln). Das sog. Sapin-II-Gesetz11 hat schließlich eine weitergehende Regelung geschaffen. Interessenvertreter sind nun gesetzlich definiert als natürliche oder juristische Personen, deren überwiegende oder gewöhnliche berufliche Tätigkeit darin besteht, öffentliche Entscheidungen, insbesondere den Inhalt von Gesetzen oder Verordnungen zu beeinflussen, indem sie mit bestimmten Vertretern des Staates in Kontakt treten.
Das Sapin-II-Gesetz sieht die Einrichtung eines digitalen Registers der Interessenvertreter vor, das von einer unabhängigen Verwaltungsbehörde, der Hohen Behörde für Transparenz im öffentlichen Leben (HATVP), geführt wird. Dieses Verzeichnis ist öffentlich zugänglich. Zudem verlangt das Gesetz nun von den Interessenvertretern die Einhaltung bestimmter ethischer Regelungen, welche als Ethikodex per Verordnung erlassen werden können.
Gemäß Ziffer 6.3.4 RIN ist der anwaltliche Interessenvertreter in Frankreich berechtigt und verpflichtet, in den dafür vorgesehenen öffentlichen Verzeichnissen seinen Auftraggeber sowie die Höhe des für seine Tätigkeit erhaltenen Honorars anzugeben. Weiter muss der Avocat die Honorare für seine Tätigkeit als Interessenvertreter gesondert von jeglicher anwaltlichen Tätigkeit anderer Art für denselben Mandanten fakturieren.
8. Der anwaltlich „beurkundete“ Vertrag
Mit dem Gesetz vom 28. März 2011 über die Modernisierung der Rechtsberufe13 wurde die Praxis der Gegenzeichnung von Rechtsakten durch einen Rechtsanwalt gesetzlich verankert.
Diese Reform schließt an die Vorschläge des Darrois-Berichts an. Sie soll das Berufsfeld des französischen Rechtsanwalts erweitern und seiner umfassenden juristischen Ausbildung Rechnung tragen. Nach der Intention des Gesetzgebers bringt der anwaltlich beurkundete Vertrag für die Mandanten Rechtssicherheit und ein höheres Vertrauen in die Qualität der anwaltlichen Rechtsberatung mit sich. Vor dem Gegenzeichnen eines Vertrages muss der Anwalt in der Tat zuerst seiner Unterrichtungs- und Informationspflicht nachkommen.
Aus der nationalen Berufsordnung der französischen Rechtsanwälte ergibt sich, dass der beurkundende, dem urkundenerstellenden Rechtsanwalt gleichgestellt wird . Er muss sich deshalb gemäß Artikel 7.2 a.a.O. der Gültigkeit und der vollen Wirkungskraft des Rechtsakts im Sinne dessen, was die Parteien vorgesehen haben, vergewissern. Somit muss der Rechtsanwalt die von ihm gegenzuzeichnende Urkunde einer genauen inhaltlichen und rechtlichen Prüfung unterziehen. Weiter obliegen ihm hierbei auch die allgemeinen berufsrechtlichen Pflichten.
Die aufgeklärte Zustimmung der Vertragsparteien, die eigentlich durch deren handschriftliche Vermerke herbeige-führt werden soll, wird voll und ganz durch die umfangreiche Unterrichtungspflicht des Rechtsanwalts übernommen. Deshalb verzichtet der anwaltlich gegengezeichnete Vertrag gemäß Artikel 1374 des Code civils auf solche Vermerke.
Der anwaltlich beurkundete Vertrag ist somit ein flexibles und kostengünstiges Rechtsinstrument, das überall dort eingesetzt werden kann, wo eine notarielle Urkunde nicht zwingend vorgeschrieben ist, die Parteien aber gegenüber der reinen privatschriftlichen Urkunde eine erhöhte Rechtssicherheit wünschen.
Die Möglichkeit der anwaltlichen Beurkundung empfiehlt sich insbesondere bei den aufgrund ihrer einseitig verpflichtenden Eigenschaft oder ihrer Komplexität „riskanten“ Geschäften und Handlungen, bei denen der Erklärende besonders schutzbedürftig ist. Sei es im bürgerlichen Recht, Schuldanerkenntnis, Bürgschaft oder Mietverträge), im Arbeitsrecht (Arbeitsverträge, Vergleiche) oder im Handelsrecht (Gesellschaftssatzungen, Übertragung von Aktien oder Anteilen).
Im Jahr 2015 wurde in Frankreich der elektronische, anwaltlich beurkundete Vertrag eingeführt. Es ist dem Anwalt möglich, seinen Mandanten eine elektronische Fassung des beurkundeten Vertrags anzubieten. Dieses elektronische Anwaltsdokument hat den gleichen Beweiswert wie das entsprechende Papierdokument und hat viele Vorteile für den Rechtsanwalt und seinen Mandanten, wie die Gewährleistung der Sicherheit der Urkunde. Dabei soll eine elektronische Signatur es ermöglichen, die Integrität des digitalen Dokuments und die Identität des Unterzeichners zu gewährleisten. Zudem wurde auch die Geschwindigkeit des Verfahrens verbessert, da das digitale Dokument jederzeit auf einer speziellen Plattform der Rechtsanwaltskammer erstellt werden kann.
9. Weitere mögliche Tätigkeiten des Anwalts
Die oben aufgeführten Aspekte der neuen beruflichen Möglichkeiten des französischen Rechtsanwalts stellen keineswegs eine abschließende Liste der möglichen Tätigkeiten der französischen Rechtsanwälte dar. Vielmehr kann der Anwalt in Frankreich mittlerweile und darüber hinaus in weiteren Bereichen tätig werden. Teilweise handelt es sich hierbei um „Missions de Justice“, also richterlich auferlegte Missionen, um Sonderermächtigungen bei denen der Rechtsanwalt nur für einen Mandanten tätig wird oder um sonstige juristische Tätigkeiten.
Der Rechtsanwalt kann in Frankreich insbesondere in den folgenden weiteren Bereichen verschiedene Funktionen übernehmen:
- Forderungseinzug
- Vermögensverwaltung: Portfolio- oder im Immobilienmanagement
- Vertrauenswürdiger Dritter
- Steuervertretung
- Bildungswesen: als Dozent oder Referent
- Streitschlichtung und Vermittlung
- Schiedsgerichtsbarkeit
- Sachverständiger
- Gerichtlicher oder Vergleichszwangsverwalter
- Liquidationsvergleichsverwalter
- Testamentsvollstrecker
10. Fazit
Durch die Reformen der letzten Jahre wurden die Betätigungsfelder der französischen Rechtsanwälte deutlich erweitert. Von einem historisch auf die Rolle des ad vocatus (des vor Gericht für und anstelle des Betroffenen sprechenden) begrenzten Beruf, entwickelt sich dieser in Richtung einer vielseitigen Mandantenvertreters, der in vielen Bereichen des Geschäftslebens Dienste anbieten kann.
Dem Rechtsanwalt ist es in Frankreich gestattet, den Mandanten an der Schnittstelle zwischen seinen juristischen Fachbereichen und den Bedürfnissen an Rechtssicherheit und Rechtsberatung des Mandanten zu unterstützten. Dies wird durch die Vervielfältigung der Aufgaben, die der Rechtsanwalt übernehmen kann und einer Lockerung berufsrechtlicher Einschränkungen erreicht. Hierbei wird durch Gesetzgeber und Kammern ganz besonders auf die Wahrung der Interessen und des berechtigten Vertrauens des Bürgers und Unternehmers auf die Qualität der Leistungen des Rechtsanwalts geachtet; jede Steigerung seiner Eingriffsmöglichkeiten wird durch entsprechende, ihm obliegenden Pflichten begleitet.
09.08.2018