Covid-19 und Betriebsausfallversicherung in Frankreich
Manche Gastronomen in Frankreich haben das Glück oder die Weisheit, eine "Betriebsunterbrechungsversicherung" abgeschlossen zu haben, auch wenn das Risiko des "Betriebsausfalls" nicht versicherungspflichtig ist.
Die Gastronomen, deren Restaurants und Bars von pandemiebedingten Schließungen betroffen waren, machten folgerichtig Deckungsansprüche gegenüber ihrem Versicherer geltend. Einige Versicherungsgesellschaften waren jedoch nicht bereit, ihre Versicherungsnehmer zu entschädigen, mit der Begründung, dass das Pandemierisiko nicht versicherbar sei oder ein Leistungsausschluss vorliege.
So zogen zahlreiche Gastronomen in Frankreich vor Gericht. Die Urteile fielen unterschiedlich aus. Die Divergenz der Entscheidungen erklärt sich zum einen durch die schwierige Auslegung des Umfangs der Betriebsunterbrechungsdeckung und zum anderen durch ganz unterschiedliche formulierte Ausschlussklauseln.
In einem durch das Berufungsgericht Marseille kürzlich entschiedenen Fall war die Anwendung der Ausschlussklausel streitentscheidend:
Ein Restaurantbesitzer in Marseille hatte bei der Versicherungsgesellschaft AXA France eine „Multi-Risk-Berufsversicherung“ abgeschlossen, die Betriebsausfälle aufgrund einer administrativen Schließung nach einer Epidemie decken sollte. Der Vertrag enthielt jedoch eine Ausschlussklausel, wonach Schäden ausgeschlossen sind, „wenn mindestens eine andere Niederlassung im gleichen Umkreis aus demselben Grund von einer administrativen Schließungsmaßnahme betroffen ist“.
Das Handelsgericht hielt die Klausel auf der Grundlage der Artikel L. 113-1 des französischen Versicherungsgesetzes und Artikel 1170 und 1190 des französischen Zivilgesetzbuches für unwirksam und verurteilte die AXA-Versicherungsgesellschaft dazu, den Restaurantbesitzer für seine durch die Covid-19-Epidemie entstandenen Geschäftsverluste zu entschädigen.
Das Urteil wurde kürzlich durch das Berufungsgericht bestätigt. Den Richtern nach, handelte es sich um eine administrative Schließung des Restaurants. Das Gericht war der Ansicht, dass die Ausschlussklausel nicht angewendet werden könne, weil sie unpräzise sei. Sie sei aufgrund ihrer Unbestimmtheit auslegungsbedürftig und müsse folglich als ungeschrieben angesehen werden. Die Richter stützten sich dabei auf die Bestimmungen des Artikels L. 113-1 des Versicherungsgesetzes, wonach Verluste und Schäden, die durch zufällige Ereignisse oder durch Verschulden des Versicherten entstanden sind, vom Versicherer zu tragen sind, es sei denn, sie sind in begrenztem Umfang formell ausgeschlossen worden. Ein Auslegungsrisiko geht nach dieser Vorschrift und der Rechtsprechung zu Lasten des Versicherers.
Die Richter hatten auch bemängelt, , dass es in der Klausel an einer Begriffsbestimmung der „Epidemie“ sowie der „ansteckenden Krankheit“ mangelt. Der Begriff "Epidemie" sei daher auslegungsbedürftig, wodurch die Ausschlussklausel auch aus diesem Grunde nicht wirksam vereinbart worden sei.
Die Rechtsprechung in Frankreich zum Thema der Betriebsausfallversicherung ist alles andere als einheitlich. Gerade aber im Bereich der Haftungsausschlüsse werden viele betroffene Versicherungsnehmer versuchen können, diese unter Verweis auf deren Auslegungsbedürftigkeit anzugreifen und so ihren Deckungsschutz durchzusetzen. Ob dies im Ergebnis gelingt wird allerdings eine Frage der individuellen Formulierung der Versicherungsbedingungen und derer tatsächlicher Auslegungsbedürftigkeit sein.
29.03.2021