Frankreich: Neues bei der Verjährung von Urheberrechtsverletzungen
Der französische Kassationsgerichtshof hatte kürzlich erneut über die Frage zu entscheiden, wie urheberrechtliche Schadensersatzansprüche verjähren. Zuvor hatte es im Jahr 2023 entschieden, dass die Verjährungsfrist einheitlich ab Kenntniserlangung von der Verletzungshandlung läuft, auch wenn die rechtsverletzende Situation längere Zeit angedauert hatte.
Während der Fall aus dem Jahr 2023 die Aufstellung einer rechtsverletzenden Skulptur betraf, ging es im nun entschiedenen Fall um die fortgesetzte Verwertung eines rechtverletzenden Musiktitels. Die Vorinstanz hatte die Klage als insgesamt verjährt angesehen, obwohl die Beklagten das streitgegenständliche Musikstück nach seiner Erstveröffentlichung noch über Jahre weiter verwertet hatten. Mit Urteil vom 3. September 2025 (Az. 23-18.669) hob der Kassationsgerichtshof das Berufungsurteil mit der Begründung auf, bei einer Rechtsverletzung, die aus einer Abfolge einzelner Verletzungshandlungen („succession d’actes distincts“) bestehe, laufe die Verjährung für jede dieser Handlungen gesondert.
1 Zum Sachverhalt und zum Urteil der Vorinstanz
Die Kläger sind die Autoren, Komponisten und Co‑Verleger des Musikstücks „Un monde sans danger“, welches für den Vorspann der Serie „Code Lyoko“ produziert worden war. Sie waren der Ansicht, der Song „Whenever“ der Gruppe „Black Eyed Peas“ aus dem Album „The Beginning“ (2010) verwende dieselbe Melodie wie das von ihnen produzierte Stück. Bereits im Dezember 2011 hatten die Rechteinhaber, nachdem sie Kenntnis von der Existenz des streitgegenständlichen Musikstücks erlangt hatten, die späteren Beklagten abgemahnt und gerichtliche Schritte angedroht. Zur Klageerhebung kam es jedoch erst im Juni 2018.
In zweiter Instanz wies das Berufungsgericht Paris die Klage als verjährt ab, weil die Kläger mindestens seit 2011 Kenntnis von der Rechtsverletzung gehabt hätten. Dieses Urteil stand im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Kassationsgerichtshofs, wonach die Urheberrechtsverletzung einheitlich ab Kenntnis von der ersten Verletzungshandlung verjährt, auch wenn sie danach noch längere Zeit andauert.
2 Teilweise Abkehr vom Grundsatz der einheitlichen Verjährung bei fortgesetzten Rechtsverletzungen
Auf die Revision der Kläger ergriff der Kassationsgerichtshof die Gelegenheit zu einer Präzisierung seiner bisherigen Rechtsprechung. Er führte aus, es sei hinsichtlich der Verjährung zwischen Rechtsverletzungen zu unterscheiden, die aus einer einzigen Handlung bestehen, deren Ergebnis andauert und solchen, die aus einer Abfolge von Einzelhandlungen bestehen. Nur im ersten Fall verjähren die Ansprüche einheitlich ab erster Kenntnisnahme, während im zweiten Fall für jede einzelne Verletzungshandlung (z. B. Vervielfältigungen, Wiedergaben, Streams, Verkäufe) ab Kenntnisnahme durch den Rechtsinhaber eine eigene fünfjährige Verjährungsfrist läuft.
Damit ist klargestellt, dass für die Rechtsprechung zum einheitlichen Verjährungsbeginn nur auf Einzelhandlungen mit Dauerwirkung („acte unique s’étant prolongé dans le temps“) gilt, während in allen anderen Fällen die Verjährung distributiv für jede einzelne Verletzungshandlung gesondert läuft.
Dies hat zur Folge, dass nur diejenigen Verletzungshandlungen, die bei Klageerhebung mehr als fünf Jahre in der Vergangenheit lagen, verjährt sind. Ansprüche, die sich auf spätere Rechtsverletzungen beziehen sind dagegen einklagbar.
3 Fazit
Mit dem Urteil vom 3. September 2025 nähert sich die französische Rechtsprechung der deutschen Rechtslage an, wonach rechtsverletzende Dauerhandlungen gedanklich in einzelne Handlungen (Tage) aufspaltet werden, für welche jeweils eine gesonderte Verjährungsfrist läuft (vgl. BGH, Urteil vom 15.1.2015 - I ZR 148/13).
Mit dem Urteil gibt der Kassationsgerichtshof seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2023 zur einheitlichen Verjährung zwar nicht auf, beschränkt sie aber auf Fälle, in denen eine klar identifizierbare Einzelhandlung vorliegt. Damit verkennt das Gericht zwar, dass häufig auch das Bestehenlassen einer einmal verursachten Rechtsverletzung auf einer bewussten Entscheidung des Rechtsverletzers beruht, jedoch dürfte die neue Rechtsprechung immerhin in den meisten Fällen zu akzeptablen Ergebnissen führen.
18.11.2025