Neue Einschränkungen für französische Versandapotheken
Strengere Regelungen betreffend den Versandhandel mit Arzneimitteln schwächen die Wettbewerbsfähigkeit französischer Händler im Vergleich zu ihren europäischen Wettbewerbern
Im November 2016 hat der französische Gesetzgeber zwei Verordnungen erlassen, die Anfang Februar 2017 in Kraft getreten sind und den rechtlichen Rahmen des Versandhandels von Arzneimitteln verändern.
Bereits im Jahr 2003 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Apotheker, die rechtmäßig ihre Tätigkeit in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ausüben, rezeptfreie Medikamente über das Internet zum Kauf anbieten dürfen. (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2003, Deutscher Apothekerverband C-322/03) Dieses Prinzip wurde durch die anschließend erlassene Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel aufgegriffen und rechtlich ausgestaltet. Die Mitgliedsstaaten hatten die Vorgaben dieser Richtlinie bis zum 2. Januar 2013 in ihr nationales Recht umzusetzen. Frankreich hat mit der Verordnung Nr. 2012-1427 vom 19. Dezember 2012 den gesetzlichen Rahmen für den Versandhandel von Medikamenten geschaffen und Voraussetzungen aufgestellt, unter denen der Versandhandel erlaubt war. Da diese Verordnung jedoch lückenhaft war und zahlreiche Detailfragen aufwarf, folgten im November 2016 zwei Erlasse (arrêtés), die seit ihrem Inkrafttreten am 1. Februar 2017, die Rechte und Pflichten der Versandapotheken näher regeln.
Anforderungen an die Medikamentenabgabe im Versandhandel
Der Erlass vom 28. November 2016 (NOR-Nr. AFSP1633476A) präzisiert die Anforderungen welche die „bewährten Praktiken“ (bonnes pratiques) betreffend des Medikamentenverkaufs an den Versandhandel stellen und ergänzt damit Art. L. 5121-5 des französischen Gesetzes zum Gesundheitswesen (Code de la santé publique). Der Text greift zunächst die Verhaltensregeln auf, die für alle französischen Apotheker gelten. Dazu gehören insbesondere die Überprüfung des Rezepts und der Verschreibung und die darauf bezogene pharmazeutische Beratung. Der Erlass schreibt vor, dass bei jedem Anstieg des jährlichen Umsatzes um 1.300.000 € ein(e) zusätzliche(r) Apotheker/in einzustellen ist. Dabei unterscheidet der Erlass nicht zwischen niedergelassenen Apotheken und Versandapotheken. Die französische Wettbewerbsbehörde (Autorité de la Concurrence) hatte diese Regelung bereits in der Entwurfsphase des Erlasses mit Stellungnahme vom 10. April 2013 (Avis Nr. 13-A-12) kritisiert und dabei darauf hingewiesen, dass der Versandhandel ohnehin auf rezeptfreie Medikamente beschränkt ist und daher der Beratungsbedarf im Vergleich zu stationären Apotheken, die rezeptpflichtige Medikamente verkaufen, viel geringer sei.
Daneben sieht der Erlass in seiner Ziffer 7 unter anderem folgende, spezielle Regelungen für den Versandhandel vor:
- Pflicht, vor Abschluss der ersten Bestellung eines jeden Kunden persönliche Angaben zum Besteller und zu seinem Gesundheitszustand zu erheben (insbesondere: Alter, Gewicht, Größe, Geschlecht, laufende Medikation, Allergien, Kontraindikationen, und ggfs. Bestehen einer Schwangerschaft);
- Pflicht zum Anbieten einer individuellen Beratung während des gesamten Bestellvorgangs;
- Begrenzung der Bestellmengen pro Bestellung unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Einnahmedauer des Medikaments.
Auflagen für Webseiten von Versandapotheken
In dem Erlass vom 28. November 2016 (NOR-Nr. AFSP1633477A), der zeitgleich mit dem zuvor genannten Erlass in Kraft getreten ist, konkretisiert der französische Gesetzgeber die technischen Voraussetzungen, die gemäß dem Artikel L. 5125-39 Code de la santé publique beim Betrieb einer Internetseite zum Versandhandel von Medikamenten einzuhalten sind. Insbesondere ist es beim Verkauf von Medikamenten im Online-Handel nun verboten, Diskussionsforen auf der Webseite bereitzustellen, sowie kostenpflichtige Werbedienstleistungen von Suchmaschinen oder Preisvergleichsportalen zu nutzen.
Inländerdiskriminierung
Insgesamt schränken die beiden Erlasse die unternehmerische Freiheit der Versandhändler von Medikamenten mit Sitz in Frankreich im Vergleich zu ihren europäischen Wettbewerbern empfindlich ein. Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfen die in der EU niedergelassenen Apotheken rezeptfreie Medikamente und sonstige freiverkäufliche Pharmazieartikel über auf französische Kunden ausgerichtete Onlineshops nach Frankreich verkaufen. Aufgrund der Tatsache, dass jede Apotheke dabei den nationalen Vorschriften ihres Sitzlandes hinsichtlich ihrer Onlinepräsenz unterliegt, führen die strengen französischen Regeln zu einer Benachteiligung der ohnehin noch wenig zahlreichen französischen Versandapotheken. Auch wenn die ausländischen Versandapotheken auf dem französischen Markt nur diejenigen Medikamente anbieten dürfen, die in Frankreich rezeptfrei sind, haben große Versandapotheken z.B. aus Großbritannien und Deutschland, die über mehr Freiheiten in Bezug auf ihre Onlinegestaltung und -präsenz verfügen und weniger formellen Restriktionen unterliegen, somit einen gewissen Vorteil gegenüber den französischen Versandapotheken. Dies könnte mittelfristig zu einer Verdrängung der französischen Anbieter vom französischen Markt führen.
Gerichtlich geklärt wird momentan die Frage der Rechts- und Verfassungsmäßigkeit der Verpflichtung der Versandapotheken, ihre Ware in unmittelbarer Nähe („proximité immédiate“) zu ihrer Niederlassung zu lagern. Dies stellt vor allem Apotheken in dicht besiedelten, städtischen Bereichen vor logistische Probleme, die zur Erweiterung und Ausbau des Versandhandels über große Lagerflächen verfügen müssen. Trotz Anerkennung der Rechtmäßigkeit durch das damit befasste Berufungsgericht, hat die französische Wettbewerbsbehörde das Erfordernis der unmittelbaren Nähe in ihrer Stellungnahme vom 26. April 2016 (Avis 16-A-09) für völlig ungeeignet erklärt und argumentiert, dass die Pflicht der örtlichen Nähe zwischen einer (Versand-)apotheke und ihrem Warenlager für den Onlineverkauf nicht durch zwingende Erfordernisse des Gemeinwohls rechtfertigt werden könne. Vielmehr stelle diese Verpflichtung eine Behinderung der Apotheken im Hinblick auf den Ausbau ihrer Tätigkeit im französischen Versandhandel dar. Es bleibt abzuwarten, wie das oberste französische Verwaltungsgericht, der „Conseil d’État“, diese Frage entscheiden wird.
Ausblick
Die aktuelle rechtliche Situation der französischen Versandapotheken und die damit einhergehende verhaltene Entwicklung des französischen Versandhandels für Humanarzneimittel bieten Chancen für Versandapotheken aus anderen europäischen Ländern, die weniger restriktiven Gesetzen unterliegen und daher die Nachfrage auf dem französischen Markt besser bedienen können. Da allerdings zu erwarten ist, dass sich die französischen Anbieter bald gegen ihre Benachteiligung wehren dürften, ist mittelfristig mit gesetzgeberischen Korrekturen zu rechnen.
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29.03.2017