Rahmenvereinbarungen mit französischen Lieferanten und Abnehmern (convention unique)
Übersicht
- Wann besteht nach französischem Recht eine Pflicht zum Abschluss einer schriftlichen Rahmenvereinbarung?
- Gilt die Pflicht zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung auch, wenn der Lieferant seinen Sitz in Deutschland hat?
- Welche Laufzeit muss die Rahmenvereinbarung haben?
- Wann muss die Rahmenvereinbarung geschlossen werden?
- Welche Punkte muss die Rahmenvereinbarung regeln?
- Gibt es Sondervorschriften für den Vertrieb von Massenverbrauchsgütern?
- Kann eine laufende Rahmenvereinbarung geändert werden?
- Welche Sanktionen drohen, falls die Rahmenvereinbarung nicht oder nicht ordnungsgemäß abgeschlossen wird?
1. Wann besteht nach französischem Recht eine Pflicht zum Abschluss einer schriftlichen Rahmenvereinbarung?
Gemäß Artikel L.441-3 Abs. I des französischen Handelsgesetzbuchs müssen Hersteller bzw. Lieferanten von Waren mit ihren Abnehmern eine schriftliche Rahmenvereinbarung schließen (sog. „convention unique“ bzw. „convention récapitulative“). Dies soll es der französischen Generaldirektion für Wettbewerb, Verbrauch und Betrugsbekämpfung (DGCCRF) und den Gerichten ermöglichen, den Inhalt der Vertragsbeziehungen im Handel zu kontrollieren. Die Regelung dient primär dem Schutz der Lieferanten vor der Marktmacht des Einzelhandels.
Der Pflicht zum Abschluss einer schriftlichen Rahmenvereinbarung unterliegen:
- alle Geschäftsbeziehungen,
- die auf die Lieferung von Waren
- zum Zweck des Weiterverkaufs
- ohne Bearbeitung bzw. Verarbeitung gerichtet sind.
Ausgenommen von der Regelung sind Geschäftsbeziehungen, die sich auf die Lieferung schnell verderblicher, landwirtschaftlicher Erzeugnisse (z.B. Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch) beziehen[1]. Ebenfalls aus dem Anwendungsbereich der Regelung fallen Geschäftsbeziehungen, die auf die Herstellung und Lieferung von Waren, die nach Käuferspezifikation hergestellt und zum Vertrieb unter einer Händlermarke (marque de distributeur, MDD) bestimmt sind.
Den weiten Wortlaut des Gesetzes einschränkend sind die französischen Behörden der Auffassung, dass Lieferungen, die allein auf der Grundlage der Lieferanten-AGB erfolgen und für die keine Erbringung entgeltlicher, absatzfördernder Dienstleistungen durch den Abnehmer vereinbart ist, nicht unter die Pflicht zum Abschluss einer convention unique fallen. Auch sollen Geschäftsbeziehungen zwischen Herstellern und ihren Distributoren, für die ein langfristiger Vertragshändlervertrag geschlossen wurde, vom Anwendungsbereich der Regelung ausgenommen sein.
2. Gilt die Pflicht zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung auch, wenn der Lieferant seinen Sitz in Deutschland hat?
Ja, in den meisten Fällen. Zwar gilt bei Lieferbeziehungen mit Auslandsbezug die Pflicht zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung nur, falls ein ausreichender Bezug zu Frankreich besteht, dies ist aber nach Ansicht der französischen Behörden und Gerichte bereits dann der Fall, wenn die Ware für den französischen Markt bestimmt ist.
3. Welche Laufzeit muss die Rahmenvereinbarung haben?
Die Parteien müssen die schriftliche Rahmenvereinbarung für eine feste Laufzeit von einem, zwei oder drei Jahren abschließen.
4. Wann muss die Rahmenvereinbarung geschlossen werden?
Die Vereinbarung muss spätestens am 1. März des Jahres, für welches sie gelten soll, abgeschlossen sein. Der Lieferant muss dem Abnehmer seine Lieferbedingungen rechtzeitig im Voraus zur Verfügung stellen.
Beginnt die Lieferbeziehung nach diesem Datum, so muss die Vereinbarung innerhalb von zwei Monaten nach Beginn der Lieferungen geschlossen werden.
5. Welche Punkte muss die Rahmenvereinbarung regeln?
Nach Vorstellung des Gesetzgebers soll die Rahmenvereinbarung das Ergebnis von Verhandlungen auf der Grundlage der allgemeinen Lieferbedingungen des Lieferanten sein. Der Abnehmer soll dem Lieferanten nicht seine Einkaufbedingungen aufzwingen. In der Praxis sieht es freilich oft anders aus.
Das Gesetz legt den Mindestinhalt der schriftliche Rahmenvereinbarung wie folgt fest:
- Alle Konditionen des Verkaufs der Produkte und der Erbringung von Dienstleistungen, die sich aus den Verhandlungen ergeben (einschließlich der vereinbarten Preisnachlässe),
- Die genaue Beschreibung aller absatzfördernden und sonstigen Dienstleistungen, zu deren Erbringung der Abnehmer sich gegenüber dem Lieferanten gegen Entgelt verpflichtet und die nicht zum normalen Pflichtenkreis eines Käufers gehören (Werbemaßnahmen, Aufnahme in einen Katalog / Werbeprospekt, Produktschulungen, Produktvorstellungen, besondere Platzierung der Ware etc.), sowie der Modalitäten ihrer Erbringung,
- Falls die Rahmenvereinbarung für eine Laufzeit von zwei oder drei Jahren geschlossen wurde, muss sie zwingend eine Klausel zur jährlichen Preisanpassung vorsehen (z.B. eine Indexierung der Preise),
- Falls der Lieferant mit einem außerhalb Frankreichs ansässigen Unternehmen, mit welchem der Abnehmer direkt oder indirekt verbunden ist, die Erbringung Dienstleistungen zur Verkaufsförderung vereinbart hat, muss die Rahmenvereinbarung den Gegenstand, die Modalitäten, die Vergütung dieser Dienstleistungen sowie die Produkte, auf welche sie sich beziehen angeben.
Für Lieferbeziehungen über Massenverbrauchsgüter gelten zusätzliche Anforderungen (dazu unten Ziff. 6).
6. Gibt es Sondervorschriften für den Vertrieb von Massenverbrauchsgütern?
Gemäß Artikel L.441-4 des französischen Handelsgesetzbuchs gelten für Geschäftsbeziehungen, die auf die Lieferung von Massenverbrauchsgüter (sog. produits de grande consommation) gerichtet sind, zusätzliche Regeln betreffend die schriftliche Rahmenvereinbarung. Die Liste der betroffenen Massenkonsumgüter ist in Artikel D.441-9 des französischen Handelsgesetzbuchs festgelegt: Nahrungsmittel, Getränke, Haushaltsbatterien, Wasch- und Putzmittel, Haustiernahrung, Hygieneartikel etc.
In personeller Hinsicht finden diese Sonderregeln Anwendung, sofern der Abnehmer direkt oder indirekt Einzelhandel betreibt oder als Einkaufs- oder Listungszentrale eines Einzelhandelskonzerns fungiert.
Die Pflichtangaben gemäß Artikel L.441-3 des französischen Handelsgesetzbuchs gelten für Rahmenvereinbarungen im Bereich der Massenverbrauchsgüter mit folgender Maßgabe:
- Die Rahmenvereinbarung enthält zusätzlich die vor Beginn der Verhandlungen übermittelte Einzelpreisliste sowie die Standard-AGB des Lieferanten. Diese Dokumente müssen dem Abnehmer spätestens bis zum 1.12. des Vorjahres übermittelt werden.
- Der Abnehmer muss dem Lieferanten rechtzeitig vor Beginn der Verhandlungen mitteilen, welche der Lieferbedingungen er ablehnt und welche Regelungen er ggfls. vereinbaren möchte.
- Die Rahmenvereinbarung muss das voraussichtliche Geschäftsvolumen des ersten Jahres angeben (und ggfls. die Modalitäten seiner Berechnung für das zweite und dritte Jahr).
- Die Parteien legen schriftlich genau fest, wann der Abnehmer seinen Kunden für die zu liefernden Produkte welche Preisnachlässe und Sonderaktionen während der Laufzeit der Rahmenvereinbarung anbieten wird.
7. Kann eine laufende Rahmenvereinbarung geändert werden?
Einvernehmliche Änderungen der Rahmenvereinbarung sind zulässig, soweit sie das wirtschaftliche Gleichgewicht der ursprünglichen Vereinbarung nicht erheblich zulasten des Lieferanten verändern.
Jede Änderung der Rahmenvereinbarung muss jedoch schriftlich vereinbart werden, der entsprechende Nachtrag muss den Grund für die vorgenommene Änderung angeben. Damit will der Gesetzgeber eine Kontrolle durch die Behörden und Gerichte ermöglichen.
8. Welche Sanktionen drohen, falls die Rahmenvereinbarung nicht oder nicht ordnungsgemäß abgeschlossen wird?
Die Nichteinhaltung der Bestimmungen der Art. L.441-3 und L.441-4 des französischen Handelsgesetzbuches wird gegenüber juristischen Personen mit einer Geldbuße von bis zu 375.000 € geahndet. Der Bußgeldrahmen erhöht sich auf 750.000 € falls innerhalb von zwei Jahren nach der rechtskräftigen Verhängung der ersten Geldbuße ein erneuter Verstoß festgestellt wird.
[1] Für solche Erzeugnisse gelten nach Art. L. 443-2 des französischen Handelsgesetzbuchs spezielle Regeln
15.12.2020