Schadensersatzpflichten bei Kündigung von Verträgen in Frankreich
Die Kündigung eines Vertrages ohne Einhaltung einer vertraglichen Mahnung kann nach französischem Recht zu Schadensersatz führen
Ein Lieferant begeht eine Vertragsverletzung und setzt sich Schadensersatzansprüchen aus, wenn er ohne vorherige Ankündigung das mit einem Händler geschlossene Vertragsverhältnis beendet. Er wird in diesem Fall selbst dann schadensersatzpflichtig, wenn der Beendigung ein Verschulden des Vertragspartners vorausgegangen ist.
Ein Lieferant hatte durch einen sogenannten „Mitgliedschaftsvertrag“ einer Firma innerhalb eines zugeteilten Gebietes den Vertrieb von Tintenpatronen übertragen und hatte dieser zu diesem Zweck eine Methode zur Nachfüllung der Patronen zur Verfügung gestellt.
Dabei war vertraglich vereinbart worden, dass im Falle einer Vertragsverletzung durch eine der beiden Vertragsparteien nur unter Berücksichtigung bestimmter Formvorschriften geschehen durfte: so war vor Ausspruch der Kündigung ein Mahnverfahren vorgeschaltet. Nach dem Willen der Parteien konnte erst nach Verstreichen einer erfolglosen 30-tägigen Mahnfrist eine Kündigung des Vertragsverhältnisses ausgesprochen werden.
Konkret war der Beendigung des Vertragsverhältnisses folgender Konflikt vorausgegangen: Das Vertriebsunternehmen hatte eine Verkaufswebseite geschaffen, die auf Verlangen des Lieferanten wieder geschlossen werden musste. Einige Monate später hatte einer der Mitgeschäftsführer der mit dem Vertrieb der Tintenpatronen beauftragten Firma ein Unternehmen gegründet, das in direkter Konkurrenz zu dem Lieferanten stand.
Im Anschluss daran wurden sämtliche Lieferungen an die Vertriebsfirma unvermittelt eingestellt. Am Ende schlug das Vertriebsunternehmen eine einvernehmliche Vertragsauflösung vor. Der Lieferant hat diese einvernehmliche Vertragsbeendigung zurückgewiesen und seinerseits das Vertragsverhältnis ohne Vorankündigung zwei Monate später faktisch dadurch beendet, dass er den Vertreiber nicht nur von der auf der Internetseite ausgestellten Liste seiner Vertragspartner gestrichen, sondern ihm auch jeden Zugang zu der technischen Support-Webseite gesperrt hatte.
Der Lieferant hat in der Folge den Vertriebspartner auf Schadensersatz wegen der Vertragsverletzungen (Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot und die Exklusivbelieferungspflicht) verklagt und sah in diesen Verstößen zugleich Vertragsbeendigung.
Das angerufene Gericht von Versailles hat zwar in seinem Urteil den Vertragsbruch durch die Vertriebsfirma vorbehaltlos bejaht, hat jedoch einen weitaus geringeren Schadensersatz zuerkannt, als beantragt, weil die Kündigung faktisch erst durch den Lieferanten erfolgt ist, der seinerseits die vertraglich vorgesehenen Modalitäten der Kündigung nicht eingehalten hatte.
Praxistipp:
Kündigungen von Rahmenverträgen und laufenden Geschäftsbeziehungen können in Frankreich immer dann Schadensersatzpflichten für den Kündigenden auslösen, wenn es keinen hinreichenden Grund für die Kündigung gibt (art. 442-6 Ziff. 5 des französischen Handelsgesetzbuchs, sog. rupture brutale). Dieser Grundsatz ist in aller Regel auch von deutschen Unternehmen in Frankreich zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn der Vertrag eigentlich die Anwendung deutschen Rechts vorsieht.
Aus der neuen Entscheidung folgt zudem, dass auch bei Vorliegen derartiger Gründe das Vertragsverhältnis nicht ohne weiteres fristlos gekündigt werden kann, sofern vertraglich geregelt ist, dass der Kündigung etwa eine Mahnung mit einer bestimmten Frist vorauszugehen hat.
13.10.2014