Asymmetrische Gerichtsstandsklauseln in Frankreich und Europa
Der französische Kassationsgerichtshof hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) kürzlich Fragen zu sog. asymmetrischen Gerichtsstandsklauseln zur Vorabentscheidung vorgelegt. Diese Klauseln bestimmen ein zuständiges Gericht, ermöglichen es aber nur einer der Parteien, zwischen verschiedenen Gerichten zu wählen.
Die Position des französischen Kassationsgerichtshofs
Ursprünglich war der Kassationsgerichtshof der Ansicht, dass diese Klauseln gegen das in der Brüssel-I-Verordnung (EuGVVO) festgelegte Ziel der Vorhersehbarkeit verstießen. Dies wurde mit dem potestativen Charakter dieser Klauseln in Bezug auf eine der Parteien begründet, d. h. dass die Klausel dieser Partei einen Ermessensspielraum bei der Wahl des zuständigen Gerichts einräumte, was mit dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit unvereinbar war.
Später änderte der Kassationsgerichtshof jedoch seine Rechtsprechung und folgte einem anderen Ansatz unter Bezugnahme auf Art. 25 Abs. 1 der EuGVVO, der vorsieht, dass die Gültigkeit einer Gerichtsstandsklausel nach dem Recht des in der Klausel bezeichneten Mitgliedstaats zu beurteilen ist. Diese Bezugnahme auf das Recht des Mitgliedstaates führte zu Fragen über die Grundlage der Rechtsprechung des Kassationsgerichtshofs.
Angesichts dieser Fragen beschloss der französische Kassationsgerichtshof, dem EuGH drei Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
- Sind die autonomen Regeln des Art. 25 Abs. 1 der EuGVVO oder das Recht des in der Klausel benannten Mitgliedstaates anzuwenden, um die Frage der Unzulässigkeit einer asymmetrischen Gerichtsstandsklausel aufgrund ihrer Ungenauigkeit und / oder Unausgewogenheit zu klären?
- Würde Art. 25 Abs. 1 der EuGVVO die Anwendung einer solchen Klausel erlauben?
- Wenn die Asymmetrie einer Klausel unter eine materiellrechtliche Voraussetzung fällt, wie ist dieser Text und insbesondere der Verweis auf das Recht des Staates des vereinbarten Gerichtsstands auszulegen, wenn in der Klausel mehrere Gerichtsstände benannt werden?
Ausblick auf die Zukunft
Die Antworten des EuGH auf diese Vorabentscheidungsfragen werden eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der rechtlichen Regelung asymmetrischer Gerichtsstandsklauseln spielen. Für die meiste Rechtssicherheit im EU-Raum würde sicherlich eine Entscheidung unter dem Blickwinkel des Unionsrechts sorgen, um eine einheitliche Regelung für asymmetrische Klauseln unabhängig vom nationalen Recht der betroffenen Mitgliedstaaten zu gewährleisten.
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Dieser Artikel wurde von Dr. Christophe Kühl in Zusammenarbeit mit unserer Referendarin (élève-avocate) Alessandra Pedinotti verfasst.
18.07.2023