Die Anmietung von Gewerberäumen in Frankreich (bail commercial)
Übersicht
- Welche Verträge unterliegen dem Recht der Gewerberaummiete?
- Worauf ist bei Abschluss des Vertrags zu achten?
- Wie lange läuft ein Gewerbemietvertrag in Frankreich?
- Höhe und Anpassung der Miete
- Welche Nebenkosten hat der Mieter zu tragen?
- Rechte und Pflichten bei Beendigung des Vertrages
- Kann der Mieter seinen Mietvertag auf Dritte übertragen?
1 Welche Verträge unterliegen dem Recht der Gewerberaummiete?
Das französische Recht sieht in den Artikeln L.145-1 ff. des Handelsgesetzbuches (Code de commerce) besondere Regelungen für Gewerberaummietverträge (bail commercial) vor, die dem Mieter weitgehende Rechte einräumt. Auch deutsche Unternehmen könnten von diesen Vorteilen, insbesondere bezüglich der Vertragsdauer und der Beschränkung von Mieterhöhungen, profitieren.
Diesem besonderen Mietrecht unterliegen nur Mieter die in den vermieteten Räumen eine industrielle, gewerbliche oder handwerkliche Tätigkeit ausüben. Auf Vermietung von Räumen zur Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit sind die Vorschriften nicht anwendbar, allerdings können die Parteien vertraglich vereinbaren, dass der Vertrag dem spezifischen Recht der Gewerberaummiete unterliegen soll.
2 Worauf ist bei Abschluss des Vertrags zu achten?
Zwar kann der Vertrag auch mündlich geschlossen werden, allerdings ist die Schriftform in der Praxis üblich und empfiehlt sich auch aus Beweisgründen. Vor Abschluss des Vertrages muss der Vermieter dem Mieter eine Aufstellung der natürlichen und technologischen Risiken (état des risques naturels et technologiques) im Zusammenhang mit den Gewerberäumen vorlegen. Bei Gewerberäumen von mehr als 2.000 qm muss der Mietvertrag sogar einen Anhang zu verschiedenen Umweltrisiken enthalten (Artikel L.125-9 Umweltgesetzbuch).
Bei Neuabschluss eines Gewerbemietvertrages wird in Frankreich vom Mieter bisweilen (je nach Lage des Lokals) ein Eintrittsgeld gefordert (pas de porte). Dieser Betrag wird von den Parteien frei vereinbart und muss vom Vermieter nicht zurückgezahlt werden. Bei der Vereinbarung einer solchen Zahlung ist darauf zu achten, diese klar als zusätzliche Miete oder aber als Entschädigung zu qualifizieren. Wird die Zahlung als Mietzahlung vereinbart, ist dieser Betrag bei der Neufestsetzung der Miete bei Abschluss eines Anschlussvertrages erhöhend zu berücksichtigen (dazu näher unten). In diesem Fall kann die Zahlung vom Mieter steuerlich abgeschrieben werden. Wird die Zahlung als Entschädigung vereinbart, so ist zwar eine steuerliche Geltendmachung durch den Mieter nicht möglich, jedoch ist der Betrag auch nicht bei der Neufestsetzung zu berücksichtigen.
Üblicherweise wird in Frankreich eine Mietkaution (dépôt de garantie, nicht zu verwechseln mit der caution, die eine Mietbürgschaft bezeichnet) in Höhe von einer oder zwei Quartalsmieten vereinbart. Nur falls die Kaution zwei Mietperioden übersteigt, ist der Betrag zu verzinsen.
Zu beachten ist weiter, dass französische Gewerbemietverträge häufig vorsehen, dass der Mieter die Räumlichkeiten nur für einen eng umrissenen Geschäftszweck nutzen darf. Der Mieter sollte hier grundsätzlich darauf achten, dass der Geschäftszweck möglichst weit gefasst ist.
3 Wie lange läuft ein Gewerbemietvertrag in Frankreich?
Die Mindestlaufzeit eines klassischen französischen Gewerbemietvertrages beträgt nach französischem Recht 9 Jahre. Der Vertrag kann eine längere Laufzeit vorsehen, er kann aber nicht auf unbestimmte Zeit geschlossen werden. Lokale in Einkaufszentren werden häufig für Laufzeiten von 10 bis 12 Jahren vermietet.
Der Vermieter kann den Mietvertrag während der Vertragslaufzeit - bis auf bestimmte Ausnahmesituationen - nicht ordentlich kündigen. Ausnahmen von diesem Grundsatz gibt es nur im Fall des Wiederaufbaus oder einer Aufstockung des Gebäudes. In diesem Fall muss die Kündigung mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende des dritten, sechsten und neunten Jahres ausgesprochen werden und dem Mieter per Gerichtsvollzieher zugestellt werden. Der Vermieter schuldet dem Mieter in diesem Fall jedoch eine Entschädigung, es sei denn er bietet dem Mieter gleichwertige Räume an.
Selbst nach Ablauf der Mietdauer hat der Mieter einen Anspruch auf Abschluss eines Anschlussvertrages mit einer Laufzeit von mindestens 9 Jahren. Will der Vermieter dem Mieter nach Ablauf der Mietdauer keinen Anschlussvertrag gewähren, so muss er ihn entschädigen. Diese starke Rechtsposition des Mieters wird als das „Recht auf den Mietvertrag“ bezeichnet (droit au bail).
Der Mieter hat seinerseits das Recht, den Mietvertrag zum Ende des dritten, sechsten und neunten Jahres mit einer Frist von 6 Monaten zu kündigen (sog. 3-6-9-Verträge). Ist eine Laufzeit von mehr als neun Jahren vereinbart, kann der Mieter auch zum Ende der Laufzeit aus dem Vertrag aussteigen. In der Praxis wird das Recht des Mieters, den Vertrag zum Ende des dritten und sechsten Jahres zu kündigen, bisweilen ausgeschlossen. Seit Inkrafttreten des Pinel-Gesetzes vom 18. Juni 2014 kann dieser Ausschluss nur bei Mietverträgen wirksam vereinbart werden, die eine Laufzeit von mehr als 9 Jahren haben, bei Mietverträgen über Gebäude mit einheitlicher Nutzung (z.B. Hotels, Kinos) und für Büros und Lagerhallen.
Unter bestimmten Bedingungen ist es in Frankreich jedoch möglich, Mietverträge kürzerer Laufzeit abzuschließen (bail de courte durée oder bail dérogatoire). Derartige Verträge unterliegen nicht den Vorschriften über die Gewerberaummiete. Ihre Laufzeit darf höchstens 3 Jahre betragen. Wird das Kurzzeitmietverhältnis länger als 3 Jahre fortgesetzt, wandelt es sich automatisch in einen klassischen 3-6-9-Gewerbemietvertrag um. Allerdings erlaubten die französischen Gerichte bisher nach Ablauf der ersten 3 Jahre den Neuabschluss weiterer Kurzzeitmietverträge, sofern der Mieter darin jeweils ausdrücklich auf die Schutzvorschriften des „Bail Commercial“ verzichtete. Mit Urteil vom 22.10.2020 (Az. 19-20.443) hat der Kassationsgerichtshof diese Möglichkeit nun gekippt.
4 Höhe und Anpassung der Miete
Grundsätzlich können die Parteien die Miete und die Fälligkeiten der Miete frei vereinbaren. Wie im deutschen Recht auch kann es sich dabei um eine feste oder aber eine variable Miete handeln.
Nach französischem Recht kann der Vermieter grundsätzlich alle drei Jahre die Anpassung der Miete an den Marktwert verlangen. Allerdings ist die Mieterhöhung in diesem Fall doppelt begrenzt: Zum einen darf die Anpassung nicht dazu führen, dass die Miete um mehr als die Variation des entsprechenden Mietindexes (je nach Fall ILC oder ILAT s.u.) steigt.
Ausnahmsweise greift die Begrenzung der Mieterhöhung nicht in den folgenden Fällen:
-
Wesentliche Verbesserung der örtlichen Mietfaktoren (facteurs locaux de commercialité), z.B. Erhöhung der Laufkundschaft, Verbesserung der Verkehrslage des Geschäfts, die zu einer Erhöhung des Mietwertes um mehr als 10 % geführt haben und einen nachweislichen positiven Effekt auf die Tätigkeit des Mieter hatten;
- Der Mieter weicht mit Zustimmung des Vermieters von dem vertraglich vereinbarten Geschäftszweck ab (déspecialisation) und der neue Geschäftszweck erhöht den Marktwert
Zum anderen ist, die Mieterhöhung grundsätzlich auf 10 % gegenüber der vorhergehenden Jahresmiete begrenzt (plafonnement du déplafonnement). Dies gilt seit dem Pinel-Gesetz auch im Falle von wesentlichen Verbesserungen der örtlichen Mietfaktoren, die zu einer Erhöhung des Mietwertes um mehr als 10 % geführt haben. Diese Grenzen gelten außerdem für die Neufestsetzung der Miete zum Anlass der Vertragserneuerung (dazu s.u. Ziffer 12.6).
In der Praxis wird statt der dreijährigen Mietanpassung häufig vereinbart, dass die Miete in Abhängigkeit von einem bestimmten Index variieren soll: Übt der Mieter eine gewerbliche oder handwerkliche Tätigkeit aus, ist hierfür der Gewerbemietpreisindex (indice des loyers commerciaux oder ILC) heranzuziehen, in allen Fällen der Mietpreisindex im Dienstleistungsbereich (indice des loyers des activités tertiaires oder ILAT). In der Praxis wird meistens eine jährliche Anpassung der Miete an den Index vereinbart (clause d’échelle mobile). Auch bei der Indexmiete ist die Mieterhöhung auf 10 % gegenüber der vorhergehenden Jahresmiete begrenzt.
Früher wurde häufig der Preisindex Bau (indice du coût de la construction, ICC) als Referenzindex vereinbart. Dies ist jedoch für Verträge, die seit dem 1. September 2014 geschlossen oder erneuert werden nicht mehr zulässig.
5 Welche Nebenkosten hat der Mieter zu tragen?
Für Verträge, die seit dem 1. September 2014 geschlossen oder verlängert werden, ist der Vermieter gehalten, einen genauen und abschließenden Katalog der Nebenkosten, Reparaturkosten, Steuern und sonstigen Abgaben im Zusammenhang mit dem Vertrag aufzustellen. Einige der Nebenkosten dürfen nicht mehr vertraglich auf den Mieter abgewälzt werden. Vereinfacht kann folgendes zu der Verteilung der Kosten gesagt werden:
Zu Lasten des Mieters:
- Wasser, Gas und Strom,
- Ausstattungskosten der Miteigentümerschaft (Hausmeister, Aufzug, Reinigung) und
- Steuern und Abgaben im Zusammenhang mit der Benutzung der Räume (Immobiliensteuer, Müllabfuhr etc.).
Zu Lasten des Vermieters:
- Große Reparaturarbeiten (grosses réparations), z.B. an den Außenwänden, am Dach etc.),
- Arbeiten zur Erfüllung von Normen, die zu den großen Reparaturen gehören oder mit dem Alter der Immobilie zusammenhängen,
- Verwalterkosten,
- Kosten für die Gebäudeversicherung und
- Steuern im Zusammenhang mit dem Eigentum der Immobilie (CET).
Der Vermieter muss dem Mieter spätestens am 30. September des Folgejahres eine jährliche Aufstellung zur Kostenverteilung übermitteln. Tut er dies nicht, muss er dem Mieter die geleisteten Vorauszahlungen erstatten.
6 Rechte und Pflichten bei Beendigung des Vertrages
Grundsätzlich kann der Mieter den Mietvertrag über die Räumlichkeiten nach Ablauf einer 3-Jahres-Dauer oder zum Ablauf der Vertragsdauer kündigen. Sofern nichts Abweichendes vereinbart ist, erfolgt die Kündigung durch den Mieter und den Vermieter (sofern ein Erlaubnistatbestand vorliegt) unter Beachtung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten. Die Kündigung kann dem Vermieter grundsätzlich entweder per Gerichtsvollzieher oder durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein zugestellt werden. Kündigt der Mieter, so stehen ihm keine Entschädigungsansprüche zu.
Wie bereits oben ausgeführt, ist eine ordentliche Kündigung durch den Vermieter in der Regel nicht zulässig. Daher kann der Vermieter den Mietvertrag während der Laufzeit nur in den unter Ziffer 1.3 genannten Ausnahmefällen mit einer Frist von 6 Monaten zum Ablauf einer 3-Jahres-Dauer ordentlich kündigen. Der Vermieter kann den Vertrag zum Ende der Laufzeit kündigen, muss dabei jedoch dem Mieter eine Entschädigung anbieten (hierzu sogleich unten). Der Vermieter ist dem Mieter nur dann nicht zur Entschädigung verpflichtet, wenn ein außerordentlicher Kündigungsgrund vorliegt oder das Gebäude aus Sicherheitsgründen abgerissen werden muss oder nicht mehr nutzbar ist. Die Kündigung durch den Vermieter muss dem Mieter immer per Gerichtsvollzieher zugestellt werden.
Ist das Ende der Laufzeit erreicht und hat weder eine der Parteien den Vertrag gekündigt noch der Mieter seinen Anspruch auf Erneuerung des Vertrages mitgeteilt (hierzu sogleich unten), so wandelt sich der Vertrag in einen unbefristeten Vertrag um. Dieser kann von jeder Partei jederzeit unter Beachtung einer 6-Monats-Frist zum Quartalsende gekündigt werden.
Will der Mieter das Mietverhältnis fortsetzen, so muss er dem Vermieter Anspruch auf Neuabschluss eines Mietvertrages zum marktüblichen Preis. Er muss dem Vermieter dies spätestens 6 Monate vor Ablauf der Vertragsdauer durch vom Gerichtsvollzieher zugestelltes Schreiben oder eingeschriebenen Brief mit Rückschein mitzuteilen, wobei das Schreiben einen gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt haben muss.
Antwortet der Vermieter nicht innerhalb von 3 Monaten auf das Schreiben des Mieters, so gilt die Verlängerung als stillschweigend angenommen. Ist der Vermieter mit der Erneuerung des Vertrages einverstanden, so müssen sich die Parteien über die Höhe der neuen Miete einigen. Gelingt keine Einigung über die neue Miete, so entscheidet eine spezialisierte Kommission am Landgericht über die Miete. Die Anpassung der Miete ist in diesem Falls doppelt begrenzt: Zum einen darf die Anpassung nicht dazu führen, dass die Miete um mehr als die Variation des entsprechenden Mietindexes (je nach Fall ILC oder ILAT) steigt, es sei denn, dass sich die o.g. Faktoren zur Bestimmung des Marktwert wesentlich verändert haben. Diese Grenze gilt nicht sofern der Vertrag ursprünglich für mehr als neun Jahre geschlossen wurde oder über eine zwölfjährige Gesamtdauer hinaus stillschweigend verlängert worden ist. Zum anderen ist die Mieterhöhung grundsätzlich auf 10% gegenüber der vorhergehenden Jahresmiete begrenzt.
Will der Vermieter dem Mieter nach Ablauf der Mietdauer keinen Anschlussvertrag anbieten, so hat der Mieter Anspruch auf eine Entschädigung (indemnité d’éviction). Diese Entschädigung kann sehr hoch sein und entspricht dem Wert des vom Mieter in den Räumen betriebenen Geschäftsbetriebes, insbesondere falls dieser stark standortbezogen ist.
7 Kann der Mieter seinen Mietvertag auf Dritte übertragen?
Aufgrund der starken Rechtsposition des Mieters aus dem Mietvertrag (droit au bail) werden in Frankreich Mietverträge über Ladenlokale in guten Lagen häufig gegen hohe Entgelte veräußert.
Grundsätzlich hat der Mieter das Recht, seinen Mietvertrag bzw. sein „Recht am Mietvertrag“ auch ohne Zustimmung des Vermieters auf den Erwerber seines Geschäftsbetriebes (fonds de commerce) zu übertragen. Anderslautende Klauseln im Mietvertrag sind nichtig.
Zulässig sind jedoch Klauseln im Mietvertrag, die einen isolierten (ohne Geschäftsbetrieb) Verkauf des Rechts am Mietvertrag ohne Zustimmung des Vermieters untersagen. Ein solches Verbot findet sich in fast allen französischen Gewerbemietverträgen. Mit Zustimmung des Vermieters kann der Mietvertrag auch isoliert an Dritte übertragen werden. Oft knüpft der Vermieter seine Zustimmung zu dem Verkauf des Vertrages an bestimmte Bedingungen, etwa daran, dass der frühere Mieter für die Vertragserfüllung durch den neuen Mieter gesamtschuldnerisch haftet.
28.10.2020