Einführung neuer wettbewerbsbeschränkender Praktiken ins französische Handelsgesetzbuch
Das französische Handelsgesetzbuch enthält eine Liste von wettbewerbsbeschränkenden Praktiken (vgl. Art. L. 442-1 bis 442-8). Diese Liste war durch die sogenannten EGALIM-Verordnungen im Jahr 2019 drastisch reduziert worden und enthielt dadurch nur noch folgende Praktiken:
- Die Unterwerfung oder Versuch der Unterwerfung unter Verpflichtungen, die ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien bewirken;
- Das Versprechenlassen eines Vorteils ohne Gegenleistung oder einer offensichtlich unverhältnismäßigen Gegenleistung;
- Der unvermittelte Abbruch einer gefestigten Geschäftsbeziehung.
Durch das sog. ASAP-Gesetz
Das am 7. Dezember verabschiedete Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung des öffentlichen Handelns (sog. „ASAP-Gesetz“) fügt der Liste nun zwei neue verbotene Praktiken an (Art. L. 442-1 I Nr. 3):
- Die Vereinbarung unangemessen hoher Vertragsstrafen für den Fall der Nichterfüllung vertraglicher Verpflichtungen;
- Die Zurückweisung oder Zurücksendung von Ware oder die Kürzung von Rechnungen des Lieferanten wegen verspäteter Lieferung oder Sachmängeln, sofern die Gegenforderung nicht bestimmt, liquide und fällig ist und ohne dass der Lieferant die Gelegenheit hatte, die Begründetheit des Vorwurfes zu überprüfen.
Während das ASAP-Gesetz mit dem zweiten Punkt lediglich eine Praxis wieder ins Handelsgesetzbuch aufgenommen hat, die zuvor durch das EGALIM-Gesetz gestrichen worden war, stellt das Verbot unangemessen hoher Vertragsstrafen eine Neuerung dar. Zuvor habe die Gerichte bisweilen versucht, diese Praxis unter das Verbot des Versprechenlassens eines Vorteils ohne angemessene Gegenleistung zu fassen. Dieser Tatbestand passte allerdings nicht ganz zur Problematik unverhältnismäßiger Vertragsstrafen, da es hier keine Gegenleistung gibt. Mit der Einführung eines ausdrücklichen Verbots unverhältnismäßiger Vertragsstrafen ins Handelsgesetzbuch ist nun in der Praxis damit zu rechnen, dass vor Gericht häufiger und mit deutlich besseren Erfolgsaussichten gegen überhöhte Vertragsstrafen vorgegangen wird. Außerdem dürfte die Behörde zu Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs DGCCRF künftig auf der Grundlage des neuen Verbotstatbestandes auch Kontrollen durchführen und Bußgelder verhängen.
Durch das sog. DDADUE-Gesetz
Mit dem am 4. Dezember 2020 verabschiedeten Gesetz zur Anpassung verschiedener Bestimmungen an das Recht der Europäischen Union im Wirtschafts- und Finanzbereich (sog. „DDADUE-Gesetz") brachte unter anderem der französische Gesetzgeber das französische Recht im Einklang mit den Bestimmungen des Rechtsverordnung Nr. 2019/1150 vom 20. Juni 2019 (sog. „Platform to business“-Verordnung). Nach dem neu im Art. L.442-1 eingefügten dritten Absatz stellen Verletzungen der von der vorgenannten Verordnung ausdrücklich festgelegten Pflichten durch einen Online-Vermittlungsdienstleister verbotene wettbewerbsbeschränkende Praktiken im Sinne des französischen Handelsgesetzbuchs dar.
Nach der vorgenannten EU-Verordnung sollen Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten unter anderem:
- sicherstellen, dass ihre Geschäftsbedingungen leicht zu verstehen und für Nutzer einfach zugänglich sind;
- ihre Nutzer mindestens 15 Tage im Voraus über Änderungen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu informieren;
- die möglichen Gründe vorab angeben, die dem Anbieter ermöglichen, seine Dienste einzuschränken, auszusetzen oder zu beenden;
- handeln nach Treu und Glauben, indem sie von rückwirkenden Änderungen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen absehen, ihren Nutzern ein Kündigungsrecht einräumen und angeben, ob diese nach Vertragsende weiterhin Zugang zu den Daten ihrer Kunden haben werden.
Darüber hinaus müssen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von solchen Anbietern die wichtigsten Parameter, die das Ranking bestimmen, sowie ggfs. jede Möglichkeit einer Beeinflussung des Rankings gegen eine direkte oder indirekte Vergütung enthalten.
Nach dem neu im Art. L.442-1 eingefügten dritten Absatz stellen Verletzungen der von der vorgenannten Verordnung ausdrücklich festgelegten Pflichten durch einen Online-Vermittlungsdienstleister verbotene wettbewerbsbeschränkende Praktiken im Sinne des französischen Handelsgesetzbuchs dar.
Zudem weist der Art. L.442-1 III darauf hin, dass Klauseln oder Praktiken der Plattformen, die nicht ausdrücklich von der "Platform to business"-Verordnung abgedeckt werden, den übrigen Bestimmungen des Handelsgesetzbuches bezüglich wettbewerbsbeschränkender Praktiken unterliegen. Hiermit wird klargestellt, dass Online-Vermittlungsplattformen unter anderen auch in den Anwendungsbereich des Verbots erheblicher Ungleichgewichte zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien fallen.
Mit dieser Änderung des Art. L.442-1 finden auch die im Art. L.442-4 aufgelisteten Sanktionen wettbewerbsbeschränkender Praktiken ausdrücklich auch auf Online-Vermittlungsdienstleister Anwendung. Danach kann jede Person, die ein entsprechendes rechtliches Interesse nachweist, die Untersagung der verbotenen Praxis und Schadensersatz beantragen. Außerdem kann das Opfer der wettbewerbsbeschränkenden Praktiken die Nichtigkeit der rechtswidrigen Klauseln oder Verträge gerichtlich feststellen lassen. Zudem kann der Wirtschaftsminister die Rückerstattung der durch die Praxis erlangten Vorteile anordnen und Geldbußen verhängen. Als Höchstbetrag dieser Geldbuße ist der höchste der folgenden drei Beträge anzuwenden:
- 5 Millionen Euro,
- das Dreifache des Betrags der unrechtmäßig erhaltenen Leistungen,
- 5 % des vom Verletzer im Vorjahr in Frankreich erzielten Nettojahresumsatzes
07.01.2021