EuGH: Erfüllungsort bei einem Vertrag über die Erstellung einer Individualsoftware
EuGH, Urteil vom 28. November 2024, Rs. C-526/23
Ein österreichisches Softwareunternehmen stritt mit einem Kunden mit Sitz in Deutschland über die Frage der Vertragsgemäßheit der von ihm speziell auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnittenen Software. Da die Parteien vertraglich weder Erfüllungsort noch Gerichtsstand vereinbart hatten, musste die Frage der internationalen Zuständigkeit des vom Softwareunternehmen angerufenen österreichischen Gerichts anhand der Bestimmungen in Art. 7 Nr. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) bestimmt werden.
Nach dieser Vorschrift kann eine Person wegen Ansprüchen aus einem auf die Erbringung einer Dienstleistung gerichteten Vertrages vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem die Dienstleistung nach dem Vertrag erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen (Erfüllungsort).
Zu klären war daher die Frage, an welchem Ort die Bereitstellung einer speziell auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnittenen Software erbracht wird. In Betracht kommt hier einerseits der Ort, an welchem die Software programmiert wird (hier: Wien) und andererseits der Ort, an dem der Besteller bzw. Kunde die Software bestimmungsgemäß einsetzt (hier: Deutschland).
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied mit Urteil vom 28. November 2024 (Rs. C-526/23), dass bei einem internationalen Vertrag über die Entwicklung und den Betrieb einer Individualsoftware der Ort der Leistungserbringung nicht dort liegt, wo die Software hergestellt wurde, sondern dort, wo die fertige Software vom Besteller abgerufen und genutzt wird.
Zur Begründung führte der EuGH aus, dass die Erstellung und Programmierung einer Software keine charakteristischen Verpflichtungen eines solchen Vertrags darstellen, da die vertragsgegenständliche Dienstleistung dem betreffenden Besteller nicht tatsächlich erbracht wird, solange die Software nicht einsatzbereit ist. Vielmehr besteht nach Auffassung des EuGH die charakteristische Verpflichtung eines Vertrags über die Online-Lieferung einer Software darin, diese dem betreffenden Besteller zur Verfügung zu stellen. Mithin ist als Erfüllungsort eines solchen Vertrags der Ort anzusehen, an dem die Software den Besteller erreicht, d. h. der Ort, an dem sie von diesem abgerufen und zum Einsatz gebracht wird.
Die Klarstellung zur Auslegung des Art. 7 Nr. 1 lit. b dürfte zukünftig die Rechtsanwendung erleichtern, da der Sitz des Bestellers einen leicht zu ermittelnden Anknüpfungspunkt bietet.
18.12.2024