Forderungsanmeldung und bekannte Forderungen im französischen Insolvenzrecht
Während in einem deutschen Insolvenzverfahren Forderungen grundsätzlich auch nach Ablauf der zur Forderungsanmeldung gesetzten Frist und noch bis zur Verfahrensaufhebung nachgemeldet werden können (§ 177 InsO), ist nach französischem Recht die Forderungsanmeldungsfrist von zwei Monaten (für französische Unternehmen) bzw. von vier Monaten (für ausländische Unternehmen) ab Veröffentlichung der Verfahrenseröffnung im BODACC strikt einzuhalten.
Bei Versäumnis dieser Frist bleibt nur noch ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, bei dem der Gläubiger darlegen muss, dass die Fristversäumnis unverschuldet war. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Gläubiger zu Unrecht nicht auf die Liste der Gläubiger aufgenommen und vom Insolvenzverwalter entsprechend nicht zur Forderungsanmeldung aufgefordert wurde.
Der Schuldner muss dem Insolvenzverwalter (mandataire judiciaire) grundsätzlich binnen acht Tagen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine vollständige Liste seiner Schulden mit Namen der Gläubiger vorlegen. Auf dieser Basis fordert der Insolvenzverwalter die bekannten Gläubiger zur Forderungsanmeldung auf. Der Schuldner bzw. der Insolvenzverwalter bleiben dabei allerdings frei, die Forderungen zu bestreiten, die auf der Liste stehen, da diese kein Schuldanerkenntnis beinhaltet.
War dem Insolvenzverwalter die Forderung bei dieser Gelegenheit bereits vom Schuldnerunternehmen zur Kenntnis gebracht worden, wirkt die Forderungsanmeldung „durch den Schuldner“ zugunsten des Gläubigers solange dieser nicht selbst eine Forderungsanmeldung vorgenommen hat (art. L622—24 Code de commerce). Jedoch gilt das nur soweit die Forderungsanmeldung schlüssig ist, d. h. mit den Belegen und Beweismitteln, die dem Insolvenzverwalter vorliegen, und mit dem gemeldeten Betrag.
Nach französischem Recht ist es dem Gläubiger nicht erlaubt, unter Abänderung der Forderungsliste des Schuldners Belege oder Beweismittel nachzureichen oder den Betrag der angemeldeten Forderung zu ändern, wenn der Gläubiger nicht selbst eine fristgerechte Forderungsanmeldung vorgenommen hat. Die fristgerechte Forderungsanmeldung ist also für Gläubiger die einzige Gelegenheit, sich die Möglichkeit zu wahren, auf die Feststellung ihrer Forderungen zur Tabelle inhaltlich und der Höhe nach Einfluss zu nehmen. Soweit eine vor Insolvenzeröffnung entstandene Forderung nicht fristgemäß angemeldet wurde, kann sie dem Insolvenzverfahren nicht mehr entgegengehalten werden.
Ein Urteil der Cour d’appel de Metz vom 5. September 2024 hat diese Grundsätze in zwei Punkten noch weiter präzisiert, wobei zutage tritt, dass das komplexe Rechtsinstitut „Forderungserklärung durch den Schuldner zugunsten des Gläubigers“ auch nachteilige Konsequenzen für den Gläubiger haben kann:
- Teilt der Schuldner dem Insolvenzverwalter die Forderung eines Gläubigers nicht binnen der gesetzlichen Frist von acht Tagen, wohl aber noch während der Forderungsanmeldungsfrist von zwei Monaten mit, führt dies nicht zu einem Wiedereinsetzungsgrund zugunsten des Gläubigers, der z. B. einen darüberhinausgehenden Betrag zur Tabelle anmelden will. Denn auch diese noch rechtzeitige Forderungsanmeldung durch den Schuldner wirkt zugunsten des Gläubigers und führt dazu, dass keine Fristversäumnis vorliegt. Nimmt der Gläubiger seinerseits keine (ergänzende) Forderungsanmeldung vor, bleibt er damit an den vom Schuldner gemeldeten Betrag gebunden und kann keine weiteren Nachweise nachreichen.
- Einem Gläubiger, der von einem Insolvenzverwalter per Einschreiben über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Schuldners und Zugangsdaten für die Gläubigerplattform erhalten hat, ist es zumutbar, sich über diese Plattform zu informieren, um sicherzugehen, dass seine Forderung nach Art und Höhe vollständig angemeldet wurde.
Tipps:
Die Forderungsanmeldungsfrist in einem französischen Insolvenzverfahren muss als Ausschlussfrist verstanden werden: Wenn ein Gläubiger die Frist verstreichen lässt, kann er seine Forderung dem Insolvenzverfahren nicht mehr entgegenhalten, es sei denn, der Schuldner hat die Forderung selbst zur Tabelle angemeldet. Achtung: Auch eine Aufrechnung ist dann in den meisten Fällen nicht mehr möglich.
Verlassen Sie sich nicht darauf, dass die Forderungsanmeldung in einem Insolvenzverfahren in Frankreich bereits durch den Insolvenzschuldner umfassend vorgenommen wurde, auch wenn Sie aufgrund der Verzeichnung Ihrer Forderung in der vom Schuldnerunternehmen übermittelten Liste vom Insolvenzverwalter angeschrieben werden: Der Schuldner hat wenig Interesse daran, die Forderungen gegen ihn dem Insolvenzverwalter vollständig und richtig zur Kenntnis zu bringen. Eine fehlerhaft zu geringe Forderungsanmeldung durch den Schuldner kann dem Gläubiger sogar die Möglichkeit zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich des Restbetrags abschneiden.
Verfassen Sie im Zweifel selbst eine fristgemäße Forderungsanmeldung unter Beifügung aller Belege.
28.01.2025