Frankreich: Aktuelle Rechtsprechung zur Wirksamkeit von asymmetrischen Gerichtsstandsklauseln
Am 17. September 2025 hat der französische Kassationshof (Cour de cassation) wichtige Grundsätze zur Wirksamkeit von asymmetrischen Gerichtsstandsklauseln im internationalen Geschäftsverkehr klargestellt. Im Mittelpunkt steht, welche Anforderungen solche Klauseln nach Artikel 25 der Brüssel Ia-Verordnung erfüllen müssen, damit sie zwischen Unternehmen durchsetzbar sind.
! Der Fall
Eine französische Firma kaufte bei einem italienischen Lieferanten Fassadenplatten für ein Bauprojekt. Im Vertrag war geregelt, dass grundsätzlich die Gerichte am Sitz des Lieferanten für alle Streitigkeiten zuständig sein sollten. Außerdem behielt sich der Lieferant das Recht vor, den Käufer auch vor „jedem anderen zuständigen Gericht in Italien oder anderswo“ zu verklagen.
Nachdem der Käufer Mängel geltend gemacht hatte, wurde der Lieferant in Frankreich verklagt. Der Lieferant berief sich auf die Gerichtsstandsklausel und bestritt die Zuständigkeit der französischen Gerichte. Die Vorgerichte in Frankreich hielten die Klausel für zu unbestimmt und damit unwirksam, da die Wahlmöglichkeit für den Lieferanten zu weit gefasst und nicht vorhersehbar sei.
! Die Entscheidungen
Der französische Kassationshof hat Folgendes festgehalten:
- Asymmetrische Gerichtsstandsklauseln sind grundsätzlich zulässig. Es ist möglich, dass nur eine Partei ein zusätzliches Wahlrecht bei der Auswahl des Gerichts hat.
- Vorhersehbarkeit ist zwingend. Für beide Parteien muss beim Vertragsschluss klar erkennbar und objektiv nachvollziehbar sein, vor welchen Gerichten sie verklagt werden könnten. Die Klausel muss dabei mindestens ein konkretes Gericht im EU- oder Lugano-Raum ausdrücklich benennen.
- Zu weit gefasste Wahlmöglichkeiten sind unwirksam. Erlaubt die Klausel eine zu offene Auswahl ohne verständliche Kriterien („jedes beliebige zuständige Gericht“), ist das Wahlrecht zu unberechenbar – die Klausel ist unwirksam.
- Beschränkung auf EU/Lugano-Raum. Bezieht sich die Geschäftsbeziehung ausschließlich auf Staaten innerhalb der EU oder des Lugano-Übereinkommens, genügt es, wenn das Wahlrecht nur auf Gerichte dieser Staaten beschränkt ist. Gibt es keine Anhaltspunkte für einen Drittstaatenbezug, kann diese objektive Begrenzung angenommen werden.
Der Kassationshof wies außerdem darauf hin, dass nationale Gerichte die Klausel so auslegen sollen, dass die Autonomie der Parteien am besten gewahrt bleibt („Effektivitätsgrundsatz“). Wird zum Beispiel im Vertrag auf Sitz, Niederlassung oder Vermögensstandorte Bezug genommen, sind diese Anknüpfungspunkte objektiv genug, um die Anforderungen an Transparenz und Vorhersehbarkeit zu erfüllen. In weiteren Urteilen wurden Klauseln akzeptiert, bei denen eine Partei auf objektiv bestimmbare Gerichte zugreifen kann – wie etwa den Gerichtsstand am Sitz oder Vermögensort des Vertragspartners. Klauseln ohne objektive Kriterien wurden hingegen für unwirksam erklärt.
! Fazit
Die Entscheidungen des Kassationshofs stärken die Vertragsfreiheit, setzen aber klare Grenzen: Asymmetrische Gerichtsstandsklauseln sind nur wirksam, wenn sie klar, vorhersehbar und an objektive, im Vertrag bestimmbare Kriterien geknüpft sind. Ist das Wahlrecht völlig offen und nicht bestimmbar, ist die Klausel unwirksam.
! Praxistipps für Unternehmen
- Klarheit und Transparenz sicherstellen: Geben Sie im Vertrag eindeutig an, welche Gerichte zuständig sein können, und grenzen Sie Wahlrechte auf objektiv identifizierbare Alternativen ein (z. B. Sitz, Niederlassung, Vermögensstandorte).
-
Beschränkung auf EU/Lugano: Wenn kein Drittstaatenbezug besteht, beschränken Sie mögliche Wahlrechte auf Gerichte im EU- und Lugano-Raum.
- Vertragsüberprüfung: Prüfen Sie bestehende Verträge regelmäßig auf die Anforderungen der aktuellen Rechtsprechung und passen Sie unklare Gerichtsstandsklauseln an, um im Streitfall durchsetzbar zu bleiben.
27.10.2025