Frankreich: Rückwirkung der Reparaturklausel im Designrecht für Kfz-Teile-Händler
Das Urteil der Strafrechtskammer des Kassationsgerichtshofes vom 11. Juni 2025 (Az. 23-83.474) setzt sich mit dem zeitlichen und personellen Anwendungsbereich der nationalen Reparaturklausel des französischen Designrechts („clause de réparation“) auseinander.
Das Gericht hatte dabei insbesondere die Frage zu entscheiden, ob die zum 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Schutzschranke betreffend Kfz-Ersatzteile entgegen ihrem Wortlaut auch auf Teilehändler anwendbar ist und ob sie in Strafverfahren auch rückwirkend anzuwenden ist.
1 Kontext: Streit zwischen Kfz-Herstellern und Ersatzteil-Anbietern
Das Verfahren betraf einen Streit zwischen mehreren Automobilherstellern und einem französischen Unternehmen, welches – als Tochter eines spanischen Automobilzulieferers – Fahrzeug-Rückspiegel in Frankreich vertrieb. Die klagenden Kfz-Hersteller, die Strafanzeige erstattet hatten und in dem Verfahren als Nebenkläger auftraten, beanstandeten, dass die Rückspiegel ohne ihre Zustimmung vertrieben worden waren. Sie beriefen sich auf die Verletzung von Urheberrechten, nationalen Designrechen und Markenrechten. Wichtig ist, dass die streitgegenständlichen Handlungen vor dem Inkrafttreten der Reparaturklauseln des nationalen französischen Urheber- und Designrechts stattgefunden hatten.
Das Tribunal correctionnel hatte in erster Instanz die Beklagte sowie deren Geschäftsführer zunächst wegen mehrerer Delikte, darunter Marken- und Designverletzung, verurteilt. In der Berufungsinstanz wurden die Angeklagten jedoch freigesprochen, und die Kläger legten Revision ein.
2 Kernergebnisse
Betreffend den personellen Anwendungsbereich der designrechtlichen Reparaturklausel in Artikel L.513-6 Code de la propriété intellectuelle (CPI) bestätigte die Revisionsinstanz im Grundsatz das Urteil der Vorinstanz: Die Regelung gilt entgegen dem engen Wortlaut des Gesetzestextes („actes […] réalisés par l'équipementier ayant fabriqué la pièce d'origine“) nicht nur für den Hersteller des Originalteils (OEM) sondern für die gesamte Vertriebskette, einschließlich der Händler. Das Gericht begründete dies damit, dass eine engere Auslegung die Wirksamkeit der Regelung praktisch aushebeln würde, da die OEM die Teile nicht selbst an die Endverbraucher verkaufen.
Betreffend den zeitlichen Anwendungsbereich der designrechtlichen Reparaturklausel, ist zunächst festzuhalten, dass diese Schutzschranke am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist. Im Kontext des Strafverfahrens stellte sich allerdings die Frage, ob diese Vorschrift auch für Handlungen gilt, die vor ihrem Inkrafttreten stattgefunden haben. Während die zivilrechtlichen Folgen des Gesetzes nur für Handlungen gelten, die nach dessen Inkrafttreten stattfinden, gilt auch im französischen Strafrecht der Grundsatz, wonach für Straftaten, die vor dem Inkrafttreten eines Gesetzes begangen wurden, das mildere der beiden Gesetze anzuwenden ist. Im entschiedenen Fall stellte die Einführung der Reparaturklausel eine aus Sicht der Beschuldigten mildere Regelung („loi pénale plus douce“) dar, da sie einen Ausnahmetatbestand für bestimmte Kfz-Teile einführte. Die rückwirkende Anwendung dieses milderen Strafgesetzes stellt nach Ansicht des Gerichts auch keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Rechte der Kläger dar.
3 Rechtlicher Hintergrund: Schutzschranke nach L.513-6 CPI
Art. L.513-6 CPI enthält eine nationale Reparaturklausel für eingetragene Designs im Kfz-Bereich. Im Unterschied zur deutschen Parallelvorschrift in § 40a DesignG gilt die französische Regelung nur für Kraftfahrzeugteile und nur für solche Handlungen, die darauf abzielen, dem Kraftfahrzeug sein ursprüngliches Erscheinungsbild zurückzugeben. Überdies besteht eine Einschränkung dahingehend, dass die Teile entweder Verglasungsteile („vitrages“) sein müssen oder vom Erstausrüster (OEM) stammen müssen. Die Rechtsprechung hat diesen Geltungsbereich auf die gesamte Vertriebskette ausgeweitet.
Mit dieser im Jahr 2023 in Kraft getretenen Schutzschranke will der französische Gesetzgeber die Kosten und den Ressourcenverbrauch durch mehr Wettbewerb im Markt für Kfz-Teile senken.
4 Fazit
Das Urteil der Cour de cassation schafft eine Rechtssicherheit für den Kfz-Ersatzteilmarkt in Frankreich indem es den Geltungsbereich der Reparaturklausel auf die gesamte Vertriebskette ausweitet.
20.11.2025