Frankreich: Zulässigkeit vergleichender Werbung mit falschen Preisen mangels Verbraucherbeeinflussung
Mit Urteil vom 22. März 2023 (Az. 21-22.925) hat der französische Kassationsgerichtshof erstmals festgestellt, dass eine vergleichende Werbung, die zum Teil unrichtige Preise eines Mitbewerbers verwendete, nur dann irreführend und somit unzulässig ist, wenn sie geeignet ist, das wirtschaftliche Verhalten der Personen, an die sie sich richtet, spürbar zu beeinflussen.
Im Januar 2015 schaltete der Einzelhandelskonzern Carrefour in der Regionalzeitung Ouest France eine vergleichende Werbung, in der für 227 Produkte die eigenen Preise mit jenen des Mitbewerbers Leclerc verglichen wurden. Die Werbung enthielt außerdem die Aussage, dass der Preis durchschnittlichen Einkaufs bei Leclerc um 15,9 % höher sei als bei Carrefour.
Leclerc verklagte daraufhin Carrefour auf Schadensersatz wegen irreführender Werbung, gestützt auf Art. L.122-1 i. V. m. Art. L.132-2 ff. des französischen Verbrauchergesetzbuches. Die Beweiserhebung, dass von den 227 in dem Vergleich verwendeten Preisen der Klägerin 45 zu hoch waren. Außerdem war der Preis des durchschnittlichen Einkaufs im Leclerc-Markt tatsächlich nur um 13 % höher als bei Carrefour und nicht 15,9 %, wie in der streitgegenständlichen Werbung behauptet.
Nachdem die Firma Carrefour in erster Instanz noch zur Zahlung von 100.000 € Schadensersatz verurteilt worden war, wies das Berufungsgericht Caen die Klage von Leclerc mit der Begründung ab, die streitgegenständliche vergleichende Werbung habe, auch wenn sie eine Reihe falscher Angaben enthalte, das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher nicht wesentlich beeinflusst.
Auf die Revision der Klägerin bestätigte der französische Kassationsgerichtshof die Klageabweisung. Er stellte fest, dass eine vergleichende Werbung nur dann im Sinne des Artikels L.121-8 Verbrauchergesetzbuch unzulässig ist, wenn sie geeignet ist, das wirtschaftliche Verhalten der Personen, an die sie sich richtet, zu beeinflussen. Dies ergebe sich aus Art. 4 lit. a der Werbe-Richtlinie (2006/114/EG) in der Zusammenschau mit Art. 6 Abs. 1 der UGP-Richtlinie (2005/29/EG).
Das Urteil verdient grundsätzlich Zustimmung, da Art. 4 lit. a der Werbe-Richtlinie für die Zulässigkeit einer vergleichenden Werbung unter anderem darauf abstellt, dass diese nicht irreführend ist. Dies macht es erforderlich, bei der Auslegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen zu fragen, ob eine bestimmte Werbemaßnahme geeignet ist, die Entscheidung der Verbraucher negativ zu beeinflussen. Auch der EuGH nimmt einen Verstoß gegen Art. 4 lit. a der Werbe-Richtlinie nur dann an, wenn die Werbemaßnahme „die Entscheidung des Käufers spürbar beeinträchtigen kann“ (vgl. EuGH, Urt. v. 08.04.2003, Rs. C-44/01– Pippig Augenoptik).
Anzumerken ist allerdings, dass eine Irreführung im Sinne der Werbe-Richtlinie auch dann vorliegen kann, wenn die Werbung aufgrund der der ihr innewohnenden Täuschung einen Mitbewerber schädigt oder zu schädigen geeignet ist, ohne zugleich die Entscheidung der Verbraucher negativ zu beeinflussen. Der Frage, ob die durch die angegriffene Werbung schon deshalb als unlauter anzusehen war, weil sie dazu geeignet war, die Klägerin zu schädigen, sind die Gerichte in dem besprochenen Rechtsstreit aber nicht nachgegangen, vermutlich weil dies von der Klägerin nicht vorgetragen war.
Praxistipp
Trotz der nun von den französischen Gerichten vorgenommen Spürbarkeitsprüfung ist die vergleichende Werbung auch in Frankreich ein Unterfangen, das sorgfältiger und gründlicher Vorbereitung bedarf.
Gerne beraten wir Sie zur vergleichenden Werbung und zu allen weiteren Themen des französischen Lauterkeitsrechts:
22.08.2023