Herausgabe von Vorbehaltseigentum: Schweigen des französischen Insolvenzverwalters keine Zustimmung
Das Urteil der Cour de Cassation vom 23. Oktober 2024 befasst sich mit der Frage, inwieweit ein Insolvenzverwalter in einem Sanierungs- oder Liquidationsverfahren aktiv zustimmen muss, um Eigentumsansprüche Dritter zu anerkennen.
In Frankreich fällt in Insolvenzverfahren mitunter die Rolle des Insolvenzverwalters in zwei Mandate unterschiedlicher Personen:
- der administrateur judiciaire verwaltet das Unternehmen während des Verfahrens weiter,
- der mandataire judiciaire ist der Gläubigervertreter.
Zwischen diesen beiden Aufträgen nimmt man nach französischer Auffassung einen Interessenkonflikt an. Diese sind daher in der Regel unvereinbar. Bei kleineren Unternehmen ist jedoch oft das Tätigwerden zweier „Insolvenzverwalter“ nicht gerechtfertigt, so dass nur ein mandataire judiciaire (Gläubigervertreter) ernannt wird und dieser auch Aufgaben wahrnimmt, die eigentlich dem administrateur judiciaire zukommen, wie etwa die Entscheidung über die Herausgabe von Dritt- und Vorbehaltseigentum.
Nach französischem Recht müssen Vorbehaltseigentümer im Rahmen eines Insolvenzverfahrens binnen 3 Monaten nach Veröffentlichung der Eröffnung des Verfahrens im Register BODACC ihre Rechte gegenüber dem Insolvenzverwalter (d. h. dem administrateur judiciaire, wenn ein solcher nicht benannt ist, dem mandataire judiciaire) geltend machen, und wenn dieser ihrem Herausgabewunsch nicht stattgibt, oder nicht binnen eines Monats antwortet, den Insolvenzrichter binnen eines weiteren Monats anrufen, sonst fällt ihr Eigentum an die Masse.
In diesen Kontext fügt sich der folgende Fall ein:
Ein Leasinggeber, der einem Unternehmen ein Fahrzeug zur langfristigen Nutzung überlassen hatte, verlangte im Rahmen des Insolvenzverfahrens („redressement judiciaire“) des Leasingnehmers die Herausgabe des Fahrzeugs, das in seinem Eigentum stand. Der Leasingnehmer befand sich in einem Sanierungsverfahren ohne einen gerichtlichen Verwalter („administrateur judiciaire“), lediglich ein Gläubigervertreter war ernannt worden („mandataire judiciaire“). Die Geschäftsführung der Insolvenzschuldnerin erkannte das Eigentum des Leasinggebers am Fahrzeug an, erklärte jedoch, das Fahrzeug weiterhin nutzen zu wollen.
Der Leasinggeber richtete an den mandataire judiciaire ein Aufforderungsschreiben zur Stellungnahme über die Fortführung des Leasingvertrags, ohne dabei das Herausgabeverlangen zu erwähnen. Der Insolvenzverwalter bestätigte daraufhin die Entscheidung des Schuldners zugunsten einer Fortsetzung des Leasingvertrags. Zur Herausgabe des Fahrzeugs verhielt sich der mandataire judiciaire nicht.
Nach der Umwandlung des Sanierungsverfahrens in ein Insolvenzverfahren mit Abwicklung („liquidation judiciaire“) kündigte der Insolvenzverwalter den Leasingvertrag, verweigerte jedoch die Herausgabe des Fahrzeugs. Der Insolvenzverwalter argumentierte, dass der Leasinggeber die Formalien des Herausgabeverlangens nicht eingehalten habe, insbesondere nicht fristgemäß Zustimmung des Insolvenzrichters eingeholt habe.
Die Cour de Cassation gab dem Insolvenzverwalter recht, so dass der Leasinggeber sein Eigentum nicht mehr herausverlangen konnte. Diese Entscheidung mag überraschen, da dem mandataire judiciaire der Leasingvertrag durchaus bekannt war und jedenfalls der Schuldner von dem Herausgabeverlangen des Leasinggebers wusste.
Das Argument der Cour de Cassation ist jedoch formaler Natur: Es entschied, dass im Rahmen eines Insolvenzverfahrens eine Herausgabe möglicher Massegegenstände nur unter ausdrücklicher Zustimmung eines Verfahrensorgans erfolgen kann. Die Zustimmung des Insolvenzverwalters muss klar und ausdrücklich erfolgen, und sein Schweigen oder passives Verhalten reicht nicht aus, um eine rechtliche Zustimmung zu implizieren.
Die Entscheidung betont die Bedeutung der Rolle des Insolvenzverwalters bei der Verwaltung des Schuldnervermögens. Der Verwalter hat die Aufgabe, die Interessen der Gläubiger zu schützen und eine gleichmäßige Behandlung sicherzustellen. Die ausdrückliche Zustimmung dient dazu, sicherzustellen, dass keine bevorzugte Behandlung eines einzelnen Gläubigers erfolgt, die die anderen Gläubiger benachteiligen könnte.
Tipps:
- Bei der Geltendmachung von Vorbehaltseigentum in Frankreich sind strenge Fristen zu beachten, um zu vermeiden, dass das Eigentum an die Masse fällt.
- Verlassen Sie sich nicht darauf, dass das Schuldnerunternehmen das Dritteigentum anerkannt hat; befugt zur Herausgabe sind allein die Verfahrensorgane.
27.01.2025