Auf dem Weg zu einem neuen französischen Schiedsrecht?
Obwohl Paris einer der weltweit beliebtesten Orte für Schiedsverfahren ist und das französische Schiedsrecht für seine Liberalität und Internationalität bekannt ist, wird derzeit eine umfassende Reform erarbeitet, die erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit haben wird. Ziel dieser Modernisierung ist es, das französische Recht auch weiterhin attraktiv zu halten und auf die in anderen Ländern eingeleiteten Reformen zu reagieren. Der Zugang zum französischen Schiedsrecht wird durch die neuen Bestimmungen erleichtert, seine Anwendung vereinfacht und seine Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene weiter gestärkt.
Zu diesem Zweck beauftragte der Justizminister eine Expertenkommission mit der Ausarbeitung eines Berichts mit Reformvorschlägen, die in den letzten Wochen heftig diskutiert wurden. Diese Debatten fanden ihren vorläufigen Höhepunkt im Rahmen der Paris Arbitration Week (PAW), wo die verschiedenen Vorschläge mit Vertretern aus Wissenschaft und Praxis bei einem großen Kolloquium an der Sorbonne diskutiert wurden. Zu diesem Anlass stellte der Justizminister auch einen Zeitplan für die Umsetzung der Reform vor.
I. Die wichtigsten Änderungen der Reform
1) Schaffung eines Schiedsgesetzbuches
2) Einführung eigener Leitprinzipien für das Schiedsverfahren
3) Angleichung der Regeln der nationalen und internationalen Schiedsgerichtsbarkeit
4) Bündelung der Zuständigkeit beim tribunal judiciaire
5) Förderung eines flexibleren Schiedsrechts
6) Stärkung des Schutzes der Parteien
7) Ausweitung der Rechte Dritter
8) Effizienzsteigerung
II. Umsetzung dieses Reformvorschlags
1) Ein ehrgeiziges, aber umstrittenes Vorhaben
2) Zeitplan für die Umsetzung der Reform
I. Die wichtigsten Änderungen der Reform
1) Schaffung eines Schiedsgesetzbuches
Der erste Vorschlag des Berichts enthält die wichtigste strukturelle Änderung, nämlich die Schaffung eines eigenen Schiedsgesetzbuches, bestehend aus 146 Artikeln. Das französische Schiedsrecht ist derzeit in mehr als 20 verschiedenen Gesetzen zersplittert, von denen die wichtigsten der Code civil (Zivilgesetzbuch), der Code de commerce (Handelsgesetzbuch) oder der Code de procédure civile (Zivilprozessordnung) sind. Die Kodifizierung aller Bestimmungen des Schiedsrechts in einem "Code de l'arbitrage" (Schiedsgesetzbuch) soll die Kohärenz und Lesbarkeit des Schiedsrechts stärken, aber auch seine Vorhersehbarkeit und den Zugang für ausländische Parteien erleichtern. Diese Neuerung wird somit die Inanspruchnahme der Schiedsgerichtsbarkeit als Form der Streitbeilegung sowohl für nationale als auch für internationale Akteure erleichtern und damit die internationale Strahlkraft des französischen Schiedsrechts verstärken.
Insofern unterscheidet sich der Reformvorschlag in Frankreich von den Reformbemühungen in Deutschland, da hierzulande die für die Schiedsgerichtsbarkeit geltenden Bestimmungen, insbesondere das 10. Buch der deutschen Zivilprozessordnung, geändert und angepasst werden, ohne dass es zu einer eigenständigen Kodifizierung des Schiedsrechts kommt.[1]
2) Einführung eigener Leitprinzipien für das Schiedsverfahren
Der Entwurf zielt auch darauf ab, 19 eigene Leitprinzipien für Schiedsverfahren festzulegen. Dies wird mit der Besonderheit des Schiedsverfahrens im Verhältnis zum staatlichen Zivilprozess begründet. Die Prinzipien sollen als Auslegungshilfe dienen, aber auch im Aufhebungsverfahren relevant werden, wenn sie nicht eingehalten worden sind. Darunter fallen Grundsätze, die im französischen Schiedsrecht bereits bekannt sind, wie die Autonomie der Schiedsvereinbarung, das Kompetenz-Kompetenz-Prinzip, die Vertraulichkeit, das Recht auf rechtliches Gehör, den Gleichheitsgrundsatz oder auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Die Kodifizierung dieser Grundsätze ist jedoch Gegenstand zahlreicher Debatten, da ihr Inhalt und Umfang noch unklar sind und die Folgen einer möglichen Verletzung im Rahmen des recours en annulation (Aufhebungsklage) nicht vorhersehbar erscheinen.
3) Angleichung der Regeln der nationalen und internationalen Schiedsgerichtsbarkeit
Die Arbeitsgruppe hat sich auch mit der in Frankreich traditionell vorgenommenen Unterscheidung zwischen nationaler und internationaler Schiedsgerichtsbarkeit befasst. Dabei soll die Unterscheidung in weiten Teilen aufgegeben und die nationale Schiedsgerichtsbarkeit im Wesentlichen an die internationalen Regeln angeglichen werden. Der Vorschlag sieht nur punktuelle Ausnahmen vor, um bestimmten Besonderheiten der nationalen Schiedsgerichtsbarkeit Rechnung zu tragen. Aus struktureller Sicht ist nicht vorgesehen, einen eigenen Abschnitt für die nationale Schiedsgerichtsbarkeit zu schaffen, sondern die Ausnahmeregeln direkt in dem jeweiligen Artikel selbst zu regeln.
In diesem Punkt nähert sich das französische Schiedsrecht strukturell einem monistischen System, wie es insbesondere in der deutschen Zivilprozessordnung kodifiziert ist, an. Allerdings wird die Unterscheidung nicht aufgegeben, sondern die Regeln für nationale Schiedsgerichtsbarkeit werden nur an die Regeln der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit angeglichen. Da dabei die Regeln der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit als Referenz gewählt werden, wird der liberale Charakter des französischen Rechts auf internationaler Ebene nicht in Frage gestellt. Diese Strukturierung sorgt somit für mehr Rechtsklarheit, da die Qualifizierung der Schiedsgerichtsbarkeit durch die Rechtsprechung als national oder international für die Parteien nicht immer vorhersehbar war.
4) Bündelung der Zuständigkeit beim tribunal judiciaire[2]
Durch die Reform soll die Zuständigkeit des tribunal judiciaire und insbesondere der Pariser Gerichte im Bereich des internationalen Schiedsrechts ausgeweitet werden:
- Derzeit gibt es für die Kontrolle internationaler Schiedssprüche eine geteilte Zuständigkeit zwischen ordentlicher und Verwaltungsgerichtsbarkeit, was eine Übersichtlichkeit insbesondere für ausländische Akteure erschwert. Um dieses Problem zu lösen, soll durch die Reform die ausschließliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für die Vollstreckung internationaler Schiedssprüche und die Einlegung von Rechtsbehelfen gegen diese Schiedssprüche festgelegt werden.
- Um Kompetenzen durch Spezialisierung beim tribunal judiciaire (Zivilgericht)zu bündeln, soll die Rolle des Präsidenten des tribunal de commerce (Handelsgericht) als „juge d’appui“ abgeschafft werden und dem Präsidenten des Zivilgerichts zukommen. Unter juge d’appui versteht man den Richter, der in seiner Funktion als Behörde das Schiedsgericht unterstützt.
- Zudem soll dem tribunal judiciaire in Paris die ausschließliche Zuständigkeit für die Exequatur aller internationaler Schiedssprüche übertragen werden. Bisher waren für die in Frankreich ergangenen Schiedssprüche die Gerichte des Schiedsortes zuständig.
- Was nationale Schiedsverfahren anbelangt, so wurde überlegt, ob eine Bündelung der Zuständigkeiten bei den Pariser Gerichten zweckmäßig wäre. Die Arbeitsgruppe hat sich dagegen entschieden und schlägt eher vor, die Spezialisierung von Richtern der Provinzzivilgerichte (tribunaux judiciaires de province) auf Schiedsverfahren zu fördern.
Auch wenn diese Änderungen insbesondere von einigen Handelsgerichten, Provinzgerichten und Verwaltungsgerichten lebhaft kritisiert werden, handelt es sich nach unserer Einschätzung um eine wünschenswerte Entwicklung, da aus internationaler Sicht die Bündelung der Zuständigkeiten zu mehr Rechtssicherheit führen dürfte.
Zum Vergleich ist auch in Deutschland geplant, eine besondere Zuständigkeit für Schiedsverfahren mit spezialisierten internationalen Kammern innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit weiter zu fördern. Mit der Einführung der "Commercial Courts" hat der deutsche Gesetzgeber ein mit der internationalen Kammer für Handelssachen in Paris vergleichbares System geschaffen.
Aufgrund der Verzögerung bei der Verabschiedung der neuen Reform wurde die Zuständigkeit für Schiedsverfahren jedoch noch nicht umgesetzt.
5) Förderung eines flexibleren Schiedsrechts
Der Reformentwurf enthält Regeln zur Förderung eines flexibleren Schiedsrechts. Davon zeugen der Vorschlag, bisherige Formvorschriften (insbesondere die Anforderungen an die Schriftlichkeit und die Bestimmung des Gegenstands der Schiedsvereinbarung) abzuschaffen und die Bedingungen für die Unterzeichnung des Schiedsspruchs und seine Übermittlung an die Parteien zu erleichtern. Auch sollen Schiedssprüche elektronisch erlassen werden können. Diese Änderungen bieten moderne Lösungen und werden von Praktikern und Wissenschaftlern überwiegend positiv aufgenommen.
In ähnlicher Weise möchte auch der deutsche Gesetzgeber das Schiedsrecht digitalisieren. Der Reformvorschlag sieht die Einführung eines neuen § 1054 in die ZPO vor, der die Möglichkeit beinhaltet, einen Schiedsspruch in elektronischer Form zu erlassen.
Darüber hinaus werden die Definitionen im französischen Schiedsrecht vereinfacht und an die wirtschaftliche Realität angepasst. So wurde bisher der Begriff des commerce (Handel) als Referenz verwendet. Es wurden aber keineswegs nur handelsrechtliche Streitigkeiten darunter gefasst. Diesem Umstand soll nun mit einem allgemeinen Verweis auf wirtschaftliche Streitigkeiten Rechnung getragen werden.
Für den Rechtsanwender und die Parteien wird die Verständlichkeit des Gesetzestextes erhöht.
6) Stärkung des Schutzes der Parteien
Der Schutz der Parteien soll neben der Einführung der Leitprinzipien durch weitere Regelungen verstärkt werden. Diese Vorschläge zielen auch darauf ab, die sogenannten "schwachen" Parteien zu schützen und die Einhaltung der in bestimmten Bereichen relevanten Grundsätze zu gewährleisten.
Zu diesem Zweck wird erwogen, bei der Zusammensetzung der Schiedsgerichte für in Frankreich ergangene Schiedssprüche eine ungerade Anzahl an Schiedsrichtern zu verlangen und zu gewährleisten, dass diese von geschäftsfähigen natürlichen Personen gefällt werden. Folglich könnte in Frankreich ein Schiedsverfahren nicht von einer juristischen Person durchgeführt und/oder ausschließlich durch den Einsatz von Algorithmen bearbeitet werden. Der Entwurf zielt außerdem darauf ab, die vertragliche Natur der Beziehungen zwischen dem Schiedsrichter, den Parteien und der Schiedsinstitution zu kodifizieren, um den Parteien insbesondere bei Haftungsfragen mehr Vorhersehbarkeit und Sicherheit zu bieten.
Auch sollen Regelungen für den Fall der Mittellosigkeit einer Partei eingeführt, die Möglichkeit des Verzichts auf den recours en annulation abgeschafft und die Anwendung der Vorschriften des Schiedsrechts im Familien-, Arbeits- und Verbraucherrecht geklärt werden.
7) Ausweitung der Rechte Dritter
Die Rechte Dritter sind ebenfalls Gegenstand des Entwurfs und werden besonders geschützt, da dieser die Anerkennung der intervention volontaire, vergleichbar mit einer Mischung aus Haupt- und Nebenintervention im deutschen Prozessrecht, vor der Cour d’appel, die über den Schiedsspruch entscheidet, vorsieht. Auch die Regeln betreffend die tierce opposition (Drittwiderspruch) werden reformiert. Einwände des Dritten sollen nicht mehr gegen den Schiedsspruch selbst erfolgen können, sondern erst im staatlichen Verfahren, welches den Schiedsspruch zum Gegenstand hat. Diese Änderungen veranschaulichen, dass sich die Reform nicht nur auf die Kodifizierung der bestehenden Rechtsprechung beschränkt, sondern auch den Zugang zum Schiedsverfahren stärken soll. Insbesondere im Bereich der intervention volontaire hatte die Rechtsprechung nämlich die Möglichkeit Dritter, sich am Verfahren zu beteiligen, erheblich eingeschränkt. Lesen Sie hierzu unseren Artikel "Schiedsfreundlichkeit der französischen Rechtsprechung – quo vadis?"
8) Effizienzsteigerung
Schließlich sieht die Reform Regeln vor, deren Zweck es ist, die Effizienz der französischen Schiedsgerichtsbarkeit zu erhöhen, indem die für den Ablauf des Schiedsverfahrens geltenden Vorschriften ergänzt und präzisiert werden und die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen erleichtert wird.
Die Anwendung der negativen Wirkung des Grundsatzes der Kompetenz-Kompetenz wird präzisiert. Die Befugnisse des Schiedsgerichts sollen gestärkt werden, indem es ermöglicht werden soll, Streitigkeiten zu verbinden und diese zusammen zu entscheiden. Auch soll das Schiedsgericht in die Lage versetzt werden, ausgesprochene Zwangsgelder selbst durchzusetzen. Die Präklusion hinsichtlich bestimmter Einwendungen soll ausgeweitet werden, mit dem Ziel, dass diese vor dem Schiedsgericht selbst vorgebracht werden müssen.
Auch die Kompetenzen des juge d’appui werden ausgeweitet. Insbesondere soll er einer Justizverweigerung (déni de justice) vorbeugen, die Gleichheit der Parteien gewährleisten und im Falle der Mittellosigkeit einer Partei sicherstellen, dass diese nicht von einer richterlichen Entscheidung ausgeschlossen wird. Es wird gegenwärtig noch diskutiert, wie weit seine Befugnisse in diesem Zusammenhang reichen und welche Auswirkungen dies auf das Verfahren haben wird. Zudem soll der juge d’appui für Entscheidungen über die Vorlage bestimmter Schriftstücke und die Vollstreckung von einstweiligen Maßnahmen, die durch das Schiedsgericht angeordnet wurden, zuständig sein. Letztlich ist auch eine Entscheidungskompetenz für die Zusammensetzung eines neuen Schiedsgerichts im Fall von Schwierigkeiten vorgesehen.
Hinsichtlich der Rechtsbehelfe (voies de recours) soll der bisherige Teilverweis auf die allgemeinen Regeln zur Berufung gestrichen werden, um eigenständige Rechtsbehelfe für das Schiedsverfahren vorzusehen. Dies folgt dem Ziel, prozessuale Widersprüche zu vermeiden und den Zugang zu den anwendbaren Regelungen zu erleichtern. Auch soll die bisher nach Vereinbarung mögliche Berufung gegen inländische Schiedssprüche entfallen. Von dieser Möglichkeit wurde in der Praxis kaum Gebrauch gemacht und sie entspricht auch nicht dem Wesen der Schiedsgerichtsbarkeit, die im Grundsatz dem staatlichen Richter die Entscheidungskompetenz entziehen möchte.
Schließlich ist auch die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen ein Schlüsselthema, das im Reformprojekt behandelt wird. Zu diesem Zweck wird vorgeschlagen, die einfache Anerkennung von Schiedssprüchen zu fördern, wodurch die Unterscheidung zwischen Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen gestärkt würde. Der Entwurf enthält auch verschiedene Vorschläge, um die Vollstreckung von Schiedssprüchen zu stärken, indem insbesondere die aufschiebende Wirkung des recours en annulation in innerstaatlichen Angelegenheiten abgeschafft wird. Das Exequaturverfahren soll klarer gefasst werden, indem die Frist für die Anfechtung von Beschlüssen, mit denen die Anerkennung oder die Vollstreckung verweigert wird, nicht mehr ab ihrer Zustellung, sondern ab dem Datum der Entscheidung zu laufen beginnt. Zudem wird vorgesehen, dass die Aufhebung eines Schiedsspruchs oder die Verweigerung die Vollstreckung für einen im Ausland ergangenen Schiedsspruch als Konsequenz die gleiche Sanktion für die Schiedssprüche nach sich ziehen kann, die damit verbunden sind. Außerdem ist die Abschaffung des recours en annulation bei Nichteinhaltung der in Artikel 1492 Absatz 6 des Code de procédure civil genannten formalen Voraussetzungen vorgesehen. Darüber hinaus enthält der Entwurf eine Neuerung, indem er vorschlägt, dass das staatliche Gericht das Verfahren aussetzen kann, um dem Schiedsgericht die Möglichkeit einzuräumen, seinen Schiedsspruch anzupassen, um eine Aufhebung zu verhindern und eine Anerkennung und Vollstreckung zu erleichtern.
II. Umsetzung dieses Reformvorschlages
1) Ein ehrgeiziges, aber umstrittenes Vorhaben
Der Reformvorschlag, der in Rekordzeit (in nur vier Monaten!) von der Arbeitsgruppe unter dem gemeinsamen Vorsitz von François Ancel (Berater am Kassationsgerichtshof) und Professor Thomas Clay sowie 15 weiteren Mitgliedern (Wissenschaftler, Schiedsrichter, Richter und Vertreter von Schiedsgerichtsinstitutionen) vorgelegt wurde, ist ein sehr ehrgeiziges, umfassendes Vorhaben, das eine modernisierte Sichtweise auf die französische Schiedsgerichtsbarkeit bietet. Er wurde daher von einem Großteil der Schiedsrechtler begrüßt, da er in vielen Punkten die Rechtssicherheit und -klarheit stärkt und somit zur Attraktivität des französischen Schiedsrechts beiträgt. Es steht fest, dass die Einführung des Schiedsgesetzbuches und die Beseitigung der derzeitigen Unklarheiten in den Definitionen und Unterscheidungen in anderen Gesetzen den Zugang zur Schiedsgerichtsbarkeit erleichtern werden.
Dieses Vorhaben hat jedoch auch zahlreiche Kritik und Vorbehalte hervorgerufen, insbesondere seitens der Gerichte, denen bestimmte Zuständigkeiten entzogen wurden, aber auch seitens der Institutionen, die bisher nicht konsultiert wurden.
Während einige bereits die Notwendigkeit einer Reform als solche in Frage stellen, betonen andere die Risiken einer Kodifizierung (eine Rechtsfortbildung durch den Richter könnte so erschwert werden) oder äußern Vorbehalte gegenüber den vorgesehenen Neuerungen (z. B. Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch das Schiedsgericht oder Verhinderung eines déni de justice durch den juge d‘appui).
Es sei zudem darauf hingewiesen, dass innerhalb der Arbeitsgruppe selbst einige Vorschläge diskutiert, aber mangels Konsenses der Mitglieder (die Debatten waren teilweise sehr lebhaft) oder mangels Zeit für eine vertiefte Prüfung (die Fristen waren sehr knapp bemessen) nicht angenommen wurden. Dies gilt insbesondere für die Ausweitung der Schiedsgerichtsbarkeit auf nicht vermögensrechtliche Angelegenheiten im Familienrecht, die Einführung eines Leitprinzips für menschliche und ökologische Belange, die Frage der kollektiven Schiedsgerichtsbarkeit oder die Frage der Streichung des recours en annulation bei Nichtvollstreckung des Schiedsspruchs durch die klagende Partei. Diesen Fragen sollte daher in Zukunft weiter nachgegangen werden, um zu entscheiden, ob ihre Umsetzung sinnvoll ist.
Andere Vorschläge wurden zwar angenommen, jedoch von einigen Mitgliedern mit Vorbehalten versehen: Dies gilt insbesondere für die Zentralisierung der Zuständigkeit für die Überprüfung internationaler Schiedssprüche vor den ordentlichen Gerichten sowie für die Abschaffung des Rechtsmittels der Berufung in innerstaatlichen Schiedsverfahren.
Vor diesem Hintergrund wurde am 8. April im Rahmen der Paris Arbitration Week von Sorbonne Arbitrage, Paris Place d’Arbitrage und der Association Française d‘Arbitrage ein großes Kolloquium organisiert, dessen Ziel es war, die Diskussion über die verschiedenen Themen des Reformentwurfs zu eröffnen.
Unter Berücksichtigung der Kontroversen hinsichtlich einiger Punkte des Reformentwurfs hat der Justizminister bei besagtem Kolloquium bestätigt, dass eine Reform stattfinden werde, aber auch den Zeitplan bekannt gegeben, den er umsetzen möchte.
2) Zeitplan für die Umsetzung der Reform
Der Justizminister hat angekündigt, die Reform rasch umsetzen zu wollen. Der zeitliche Rahmen für die Umsetzung orientiert sich dabei an dem aktuellen Stand der Debatte. In diesem Zusammenhang sollen erste Änderungen bereits 2025 in Kraft treten.
So sollen erste Bestimmungen des Reformentwurfs, über die bereits Einigkeit erzielt werden konnte, bereits im Herbst 2025 im Wege einer Verordnung verabschiedet werden. Diese Änderungen betreffen beispielsweise die Definition der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit (mit der Streichung des Verweises auf den „Handel“ zugunsten des Verweises auf „internationale wirtschaftliche Interessen“), die Anerkennung elektronischer Schiedssprüche, die tierce opposition und die Vorgabe einer ungeraden Anzahl von Schiedsrichtern.
Für die umstritteneren Punkte der Reform ist eine Konsultationsrunde mit den verschiedenen Akteuren der Schiedsgerichtsbarkeit (Praktiker, Wissenschaftler, Richter usw.) vorgesehen. Ziel ist es, diesen zweiten Teil der Normen bis zum Frühjahr 2026 auf dem Verordnungsweg und durch das Parlament zu verabschieden. Diese Vorschriften betreffen insbesondere die Vereinheitlichung der Schiedsgerichtsbarkeit, Neuerungen in Bezug auf den juge d‘appui, die Angleichung der nationalen Schiedsgerichtbarkeit an der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit sowie Änderungen in spezifischen Bereichen wie dem Familienrecht, dem Arbeitsrecht und dem Verbraucherrecht.
Die letzte Phase der Reform soll schließlich im Herbst 2026 mit der Kodifizierung der Bestimmungen in einem Schiedsgesetzbuch abgeschlossen werden, das vom Minister als nützliches Mittel zur Gewährleistung der Kohärenz angesehen wird.
Vor diesem Hintergrund sind in naher Zukunft erhebliche Änderungen des französischen Schiedsrechts zu erwarten. Es ist daher unerlässlich, aufmerksam zu bleiben und die Entwicklung des Gesetzgebungsprozesses genau zu verfolgen.
[1] Der deutsche Entwurf konnte jedoch aufgrund der kürzlich erfolgten Auflösung des Bundestages und der darauffolgenden vorgezogenen Neuwahlen noch nicht verabschiedet werden.
[2] In Frankreich gibt es eine Unterscheidung zwischen dem Tribunal judiciaire (Zivilgericht) und dem Tribunal de commerce (Handelsgericht), die sich nach der Art der Streitigkeit richtet.
Mehr dazu : Internationale Schiedsverfahren
Dieser Artikel wurde von Edith Aupetit und Tobias Brünker in Zusammenarbeit mit unserer Referendarin (élève avocat) Clara Daehnert verfasst.