Verjährungsbeginn bei Urheberrechtsverletzungen in Frankreich
Die Verjährung der Schadensersatzansprüche wegen einer Schutzrechtsverletzung beginnt mit Kenntniserlangung von den rechtsverletzenden Handlungen durch den Schutzrechtsinhaber, unabhängig davon, ob die Rechtsverletzungen fortdauern. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung kann sich aus dem Inhalt einer vom Schutzrechtsinhaber versandten Abmahnung ergeben.
Bei Schutzrechtverletzungen, die über einen längeren Zeitraum andauern bzw. fortgesetzt werden, ist die Frage des Verjährungsbeginns in französischen Gerichtsverfahren regelmäßig Gegenstand von Diskussionen. Ein Urteil des Berufungsgericht Paris vom 17 Mai 2023 (Cour d’appel de Paris, 17 Mai 2023, Az. 21/15795) bietet die Gelegenheit, dieses praxisrelevante Thema zu beleuchten.
Sachverhalt
Das zuvor genannte Urteil betrifft die Verletzung der Urheberrechte an dem Titelsong der französischen Animationsfernsehserie „Code Lyoko“. Dessen Autoren waren der Ansicht, dass die Melodie des von ihnen geschriebenen Songs von der Band „The Black Eyed Peas“ in dem im Jahr 2010 erschienenen Stück « Whenever » verwendet worden war.
Mit Abmahnschreiben vom 30. Dezember 2011 hatten sie die Verleger und die Produzenten des streitgegenständlichen Musikstücks zur Unterlassung der angeblichen Rechtsverletzung und zur Zahlung eines Vorschusses auf den Schadensersatz in Höhe von 200.000 € aufgefordert. Dieser Aufforderung waren die Abgemahnten nicht nachgekommen. Der Versuch einer gütlichen Einigung scheiterte schließlich.
Eine Klage auf Zahlung von Schadensersatz wurde im Juni 2018 vor dem Landgericht Paris eingereicht. Das erstinstanzliche Gericht (Urt. v. 9. Juli 2021, Az. 18/09769) stellte zwar fest, dass die Ansprüche unverjährt waren, wies die Klage jedoch als unbegründet ab, da die „Originalität“ der Melodie nicht erwiesen war. Das Berufungsgericht Paris hielt die Schadensersatzansprüche der Kläger dagegen für verjährt.
Gesetzlicher Rahmen
Die Verjährung von Urheberrechtsverletzungen richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des französischen Zivilgesetzbuchs (Artikel 2219, 2247 und 2224). Danach beträgt die Verjährungsfrist der Ansprüche wegen einer Urheberrechtsverletzung fünf Jahre ab Erlangung der Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen durch den Anspruchsinhaber.
Verjährungsbeginn bei fortdauernden Rechtsverletzungen
Eine Kernfrage des Rechtsstreits war, wann die Verjährung der Ansprüche zu laufen begonnen hatte. Das Gericht stellte dazu fest, dass sich aus dem von den späteren Klägern versandten Abmahnschreiben ergab, dass diese bereits Ende 2011 Kenntnis von der behaupteten Urheberrechtsverletzung gehabt hatten.
Damit begann die Verjährung ab diesem Zeitpunkt zu laufen, und zwar unabhängig davon, dass das streitgegenständliche Musikstück zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch immer vertrieben wurde. Dies gelte auch für einen der Kläger, in dessen Namen diese Abmahnung seinerzeit nicht versandt worden war, da das Stück „Whenever“ weltweit in großem Umfang vermarktet worden und jedenfalls in Fachkreisen allgemein bekannt gewesen sei, so dass der Betroffene Kenntnis davon gehabt haben musste.
Auswirkungen des Urteils
Mit dieser Entscheidung schließt sich das Berufungsgericht Paris der überwiegenden französischen Gerichtspraxis an, z. B. für das Urheberrecht Berufungsgericht Douai, Urt. v. 22. September 2022, Az. 21/06332; Kassationsgerichtshof, Urt. v. 6. April 2022, Az. 20-19.034, bzw. im unlauteren Wettbewerb Kassationsgerichtshof 26. Februar 2020, Az. 18-19.153.
Bis dahin hatte das Berufungsgericht Paris eine andere Ansicht vertreten. So hatte es z. B. in einem Urteil vom 29. März 2023 (Az. 20/18581) festgestellt, die Ansprüche des Klägers seien nicht verjährt, da die streitgegenständliche Rechtsverletzung zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch angedauert hatte.
Verjährungsregeln bei anderen Schutzrechten
Anders als die Schadensersatzansprüche wegen Urheberrechtsverletzungen unterliegt die Rechtsverletzung von Marken, Designs und Patenten spezialgesetzlichen Verjährungsregeln. Nach den Artikeln L.521-3 (Design), L.615-8 (Patent) und L.716-4-2 (Marke) des Gesetzbuches für geistiges Eigentum verjähren die Ansprüche des Rechtsinhabers in einer Frist von
„fünf Jahren ab dem Tag, an dem er die letzte Tatsache, die es ihm ermöglicht, sein Recht auszuüben, kannte oder hätte kennen müssen."
Der wesentliche Unterschied dieser Normen zur allgemeinen Verjährungsregel des Artikel 2224 Code civil liegt in der Bezugnahme auf die „letzte Tatsache“. Somit beginnt für diese Schutzrechte die Verjährungsfrist mit jeder Verletzungshandlung neu zu laufen.
Einschätzung und Praxistipp
Im Unterschied zu den deutschen Gerichten, die bei Dauerdelikten die Rechtsverletzung in einzelne Handlungen aufteilen, für welche die Verjährungsfrist jeweils gesondert beginnt, sehen die französischen Gerichte die Ansprüche des Urhebers als Einheit, für welche die Verjährungsfrist ab dem Zeitpunkt der ersten Kenntnisnahme läuft. Diese Ansicht erscheint nicht sachgerecht, da sie für den Urheber große Risiken birgt und das Wesen von Dauerdelikten nicht angemessen berücksichtigt.
Hierbei ist zu beachten, dass nach französischem Recht außergerichtliche Verhandlungen die Verjährung der Ansprüche anders als im deutschen Recht nicht hemmen. Eine Hemmung der Verjährung tritt nach dem französischen Recht nur ein, falls die Parteien ein gesetzlich vorgesehenes, formalisiertes Güteverfahren unter Einbeziehung eines Dritten, wie z. B. eine Schlichtung oder eine Mediation in Anspruch nehmen. Einfache Verhandlungen zwischen den Parteien lösen nicht die in Artikel 2238 Code civil vorgesehene Verjährungshemmung aus (vgl. Kassationsgerichtshof, Urt. v. 13. Mai 2014, Az. 13-13.406).
Urheber, die Kenntnis von Schutzrechtsverletzungen erlangen, auf welche möglicherweise das französische Recht anwendbar ist, sollten darauf achten, dass sie nach einer Abmahnung nicht zu viel Zeit verstreichen lassen, bevor sie verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen, insbesondere falls sich die außergerichtlichen Verhandlungen in die Länge ziehen.
15.09.2023