Verlustanzeige bei französischen Kapitalgesellschaften
Der französische Gesetzgeber hat die Pflichten von Kapitalgesellschaften im Falle des Verlustes von mehr als der Hälfte des Stamm-/Grundkapitals neu geregelt. Wir erläutern Ihnen nachfolgend Ihre Pflichten, sowie die Schritte, die Sie im Falle des Herabsinkens des Eigenkapitals auf eine Quote von weniger als 50 % des Grund-/Stammkapitals durchführen sollten.
-
Ladung einer Hauptversammlung, um über die vorzeitige Auflösung oder die Fortführung der Gesellschaft zu entscheiden
Die Artikel L. 225-248 und L. 223-42 des französischen Handelsgesetzbuchs sehen jeweils vor, dass die Leitungsorgane einer Kapitalgesellschaft im Falle eines Herabsinkens des Eigenkapitals auf weniger als die Hälfte des satzungsmäßig ausgewiesenen Stamm- oder Grundkapitals innerhalb von vier Monaten nach Feststellung des Jahresabschlusses, in dessen Bilanz der Verlust ausgewiesen wurde, eine Hauptversammlung einberufen, damit die Gesellschafter darüber entscheiden, ob die Gesellschaft aufgelöst werden soll oder nicht.
Wenn eine Kapitalgesellschaft feststellt, dass ihr Eigenkapital weniger als die Hälfte des Stammkapitals beträgt, muss ein Gesellschafterbeschluss über die Auflösung oder Fortführung der Gesellschaft gefasst werden, welcher zum Handelsregister anzumelden ist. Es erscheint ein Vermerk zum Eigenkapitalverlust auf dem KBIS (Handelsregisterauszug) der Gesellschaft. Dritte (insbesondere Banken) werden insoweit durch die Veröffentlichung im Handelsregister (auf dem KBIS) auf die finanzielle Krise der Gesellschaft hingewiesen. Dies ermöglicht es z.B. einer Bank vor der Gewährung einer neuen Fremdfinanzierung, die Gesellschafter aufzufordern, die Gesellschaft zunächst durch frisches Eigenkapital zu sanieren.
Ziel dieser gesetzlichen Bestimmung ist es, die Gläubiger vor dem unzutreffenden Eindruck einer guten Finanzlage der Gesellschaft zu schützen, die durch Publizität eines nicht mehr vorhandenen Eigenkapitals in Höhe des ausgewiesenen Grund-/Stammkapitals geschafft wird.
-
Fortführung der Gesellschaft: Mehrere Fristen zur Sanierung der Gesellschaft
Sollten sich die Gesellschafter für die Fortführung der Gesellschaft entscheiden, sind mehrere Fristen zu berücksichtigen:
- Die Zweijahresfrist nach Gesellschafterbeschluss
Wird im Rahmen der einberufenen Hauptversammlung nicht die Auflösung der Gesellschaft beschlossen, so muss die Gesellschaft, spätestens am Ende des zweiten Geschäftsjahres, das auf das Geschäftsjahr folgt, in dem die Verluste festgestellt wurden, ihre Eigenkapitalquote wieder erreichen, und zwar:
- durch Wiederherstellung des Eigenkapitals, so dass dieses der Hälfte des Stamm-/Grundkapitals entspricht, oder
- durch Herabsetzung des Stamm-/Grundkapitals um einen Betrag, der notwendig ist, damit das Eigenkapital mehr als die Hälfte des herabgesetzten Stamm-/Grundkapitals beträgt.
Beispiel für die Berechnung der Frist:
Die Gesellschafterversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses des Geschäftsjahres das am 31.12.2023 endet und dessen Bilanz einen Verlust in Höhe von über der Hälfte des Grund-/Stammkapitals ausweist, findet spätestens im Juni 2024 statt. Der Gesetzgeber sieht vor, dass die Zweijahresfrist zum Ende desjenigen Geschäftsjahres erfolgt, das zwei Jahre nach der Gesellschafterversammlung endet, die den Verlust feststellt. Die Frist wird somit zum Ende des Geschäftsjahres 2026, also am 31.12.2026, ablaufen, das bedeutet zwei Jahre nach der Feststellung des Jahresabschlusses im Jahre 2024 erfolgte, und nicht bereits am Ende des Jahres 2025, d.h. zwei Jahre nach Ende des Geschäftsjahres, in dessen Bilanz der Verlust in Höhe von über 50 % des Eigenkapitals ausgewiesen wird.
Die Wiederherstellung des Eigenkapitals kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen:
- Erzielung von Gewinnen, die ausreichen, um die Verluste zu absorbieren.
- Erhöhung des Gesellschaftskapitals: Die Gesellschafter stellen der Gesellschaft neue Mittel (in Form von Bar- oder Sacheinlagen) bereit oder nehmen neue Investoren auf. Diese Investoren müssen dabei über die Gründe für ihre Aufnahme im Hinblick auf die Zukunftsaussichten der Gesellschaft vollständig informiert werden.
- Forderungsverzicht: Um die Höhe der Verluste zu reduzieren, können die Gesellschafter auch einen Forderungsverzicht hinsichtlich der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen erklären. Dies hat steuerrechtliche Folgen.
- Durch Kapitalschnitt, in Frankreich "Akkordeonschlag" bezeichnet: Zunächst erfolgt eine nominelle Kapitalherabsetzung, d.h. die Verluste werden durch eine Herabsetzung des Nennwerts der Gesellschaftsanteile oder eine Reduzierung der Anzahl der Anteile ausgeglichen. In einem zweiten Schritt erfolgt eine effektive Kapitalerhöhung, d.h. die Gesellschafter oder neue Investoren bringen frisches Kapital ein, um das Eigenkapital zu erhöhen.
Beispiel:
Eine SAS mit einem Grundkapital von 5.000 € verzeichnet in ihrem Geschäftsjahr einen Verlust von 7.000 €.
Die Rücklagen betragen 3.000 €.
Der Betrag des Eigenkapitals ist daher: (5.000 € + 3.000 €) - 7.000 € = 1.000 €.
Die Höhe des Eigenkapitals (1.000 €) ist somit geringer als die Hälfte des Grundkapitals (2.500 €) und das Unternehmen muss spätestens zwei Jahre nach Feststellung des Verlusts das Eigenkapital wieder herstellen.
Sollte die Gesellschaft einen Gewinn in Höhe von 3.000 € erwirtschaften, ist das Eigenkapital (4.000 €) wieder höher als die Hälfte des Grundkapitals (2.500 €).
- Neu ! Die Gewährung einer zusätzlichen Frist von zwei weiteren Jahren
Nach der neuen Rechtslage hat die Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen gemäß Artikel L. 225-248 Abs. 4 des französischen Handelsgesetzbuchs nach Ablauf der oben bezeichneten Zweijahresfrist eine weitere Frist von zwei Jahren (ab Ende der ersten Zweijahresfrist). Dies ist dann der Fall, wenn ihr Stamm-/Grundkapital zumindest mehr als 1% der Bilanzsumme beträgt.
Liegt diese Voraussetzung vor, so verfügt die Gesellschaft über diese weitere Frist von zwei Jahren um ihr Eigenkapital wie oben beschrieben wiederherzustellen. Gelingt ihr dies nicht im Wege der Gewinnerzielung oder durch Forderungsverzicht so muss die Gesellschaft innerhalb der zusätzlichen Zweijahresfrist das Gesellschaftskapital in einem Umfang herabsetzen, dass es am Ende des zweiten Geschäftsjahres der zweiten Periode maximal die Höhe von 1% der Bilanzsummer erreichen Der Vermerk der Verlustanzeige bleibt aber noch auf dem Handelsregisterauszug so lange bis das Eigenkapital mindestens die Hälfte des Stamm- / Grundkapitals beträgt und dies von der Gesellschafterversammlung festgestellt wurde.
Dank der Reform haben Gesellschafter in Frankreich nunmehr einen längeren Zeitraum, um die geeigneten Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen.
Der Gesetzgeber hat sogar darüber hinaus unter sehr spezifischen Voraussetzungen noch eine dritte Fristverlängerung eingeführt, auf die jedoch in diesem Rahmen nicht eingegangen werden kann.
-
Sanktionen
Die Sanktionen für die Nichteinhaltung der oben erläuterten Bestimmungen sind wie folgt:
- Bei Nichtabhaltung der Hauptversammlung zur Frage der Auflösung (1.) kann jeder Dritte die Auflösung der Gesellschaft gerichtlich beantragen.
- Das Ausbleiben einer Rekapitalisierung der Gesellschaft nach Ablauf der ersten Zweijahresfrist führt hingegen bei Gesellschaften mit einem Stamm-/Grundkapital von weniger als 1 % der Bilanzsumme der Gesellschaft nicht mehr zur Gefahr der Auflösung der Gesellschaft.
In der Literatur wird jedoch zur Vorsicht geraten, da in jedem Fall die Geschäftsführer haftbar gemacht werden können, wenn durch die fehlende Wiederherstellung des Eigenkapitals der Gesellschaft einen Schaden zugefügt hat. Ebenso kann die Untätigkeit der Geschäftsführer als Managementfehler gewertet werden, der ihre Verurteilung zur Übernahme von Deckungsfehlbeträgen rechtfertigt, die im Rahmen einer gerichtlichen Liquidationsverfahrens entstehen könnten.
- Gesellschaften mit einem Stamm-/Grundkapital von mehr als 1 % der Bilanzsumme der Gesellschaft, die ihr Kapital nicht innerhalb einer zusätzlichen Frist von zwei Jahren (2. b) herabsetzen, müssen weiterhin mit der Auflösung rechnen, jedoch vier Jahren nach Feststellung des Verlustes.
Praxistipp:
Prüfen Sie im Rahmen der Feststellung von Jahresabschlüssen das Vorliegen von Verlusten und berechnen Sie das Verhältnis zum Stamm-/Grundkapital der Gesellschaft.
Sofern die Eigenkapitalquote weniger als 50 % des Grund-/Stammkapitals erreicht, sollten die Geschäftsführer die Hauptversammlung einberufen, damit die erforderlichen Beschlüsse zeitnah getroffen werden, um das Risiko einer Auflösung aber auch einer späteren Haftung der Geschäftsführer zu vermeiden.