Zoom auf die französische Reform des Arbeitsrechts : Jährliche Tagespauschale fortan einfacher möglich
Die sog. jährliche Tagespauschale (forfait annuel en jours) ist die Möglichkeit, die Arbeitszeit für bestimmte Mitarbeiter in Frankreich, insbesondere leitende Angestellte, flexibler zu gestalten und somit die Zahlung von Überstunden vor dem Hintergrund der 35 Stunden-Woche zu vermeiden: Die Arbeitszeit wird nicht mehr nach Stunden abgerechnet, sondern nach halben oder ganzen Arbeitstagen.
Eine jährliche Tagespauschale darf nur mit einzelnen Mitarbeitern vereinbart werden, wenn eine wirksame Kollektivregelung (aus einem Branchentarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung) dieses Arbeitszeitmodell ausdrücklich vorsieht.
Die Vereinbarung solcher Tagespauschalen ist seit 2011 in vielen Branchen sehr gefährlich geworden, weil der französische Kassationshof die meisten tarifvertraglichen Grundlagen, die ihr zur Prüfung gelegt wurden, als nichtig erklärt hat, mit der Begründung, dass sie die Gesundheit und die Sicherheit des Arbeitnehmers nicht hinreichend schützen würden. Dies hatte die Nichtigkeit der individuellen Vereinbarungen und hohe Rückzahlungsansprüche der betroffenen Mitarbeiter zur Folge (siehe dazu unseren Newsletter 2/15, S. 10).
Nun hat aber die sog. „El-Khomri-Reform“ vom 8. August 2016 die schwerwiegenden Folgen dieser Rechtsprechung stark abgemildert: Die Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Grundlage führt nicht mehr systematisch zur Nichtigkeit der individuellen Vereinbarungen.
Vielmehr kann der Arbeitgeber einzelvertraglich jährliche Tagespauschalen zulässig vereinbaren, wenn er tatsächlich für die Gesundheit seiner Mitarbeiter sorgt, indem er die Einhaltung der täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten sowie die Angemessenheit der Arbeitstagelänge und der Arbeitsbelastung sicherstellt und berücksichtigt.
Das Gesetz sieht diesbezüglich Maßnahmen vor, die der Arbeitgeber treffen muss (Erfassung der gearbeiteten Tage, Durchführung eines jährlichen Gesprächs mit dem Mitarbeiter, Beachtung des Abschaltungsrechts des Arbeitnehmers bezüglich der Fernkommunikationsmittel etc.).
Diese aus Arbeitgebersicht begrüßenswerte Reform legt auch den vorausgesetzten Inhalt der Kollektivregelungen fest, die eine jährliche Tagespauschale vorsehen und gibt auch diesbezüglich Rechtssicherheit.
Praxistipp:
- Der Abschluss einer Tagespauschale kann die 35-Stunden-Woche überwinden helfen und ermöglicht eine weitergehende Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitszeit.
- Prüfen Sie, ob der anwendbare Tarifvertrag oder eine interne Betriebsvereinbarung eine solche Möglichkeit vorsieht.
- Achten Sie peinlich genau in der täglichen Praxis auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben - ein regelmäßiger Austausch mit dem Mitarbeiter und die Kontrolle der gearbeiteten Tage spielen hier eine große Rolle.
26.10.2016