Erste Umsetzung der geplanten Vereinfachung des französischen Arbeitsrechts
Im Laufe der letzten Monate hatte die französische Regierung mehrfach angekündigt, Vereinfachungen im französischen Arbeitsrecht vorzunehmen. Ziel der Reformen ist es, den Alltag der Arbeitgeber zu erleichtern und das Arbeitsgesetzbuch entsprechend anzupassen. Durch eine Verordnung vom 26. Juni 2014 nimmt das Vorhaben der „Vereinfachung des Rechts“ nun konkrete Züge an. Die Verordnung dient hauptsächlich der Vereinfachung von Prozessen, die der Arbeitgeber im Rahmen seiner Pflicht zur regelmäßigen Informierung der Mitarbeiter und zur Übermittlung bestimmter Dokumente an die Arbeitsbehörde durchlaufen muss.
Doch auch in einem anderen Bereich sorgt der Text für mehr Rechtssicherheit, in dem er die Sanktion einer Beendigung der Probezeit ohne Einhaltung der vorgesehenen Frist klarstellt. Diese Schritte in Richtung Vereinfachung sind zwar nicht sehr groß, lassen aber den Willen der Regierung, die Vorschriftenlast für den Arbeitgeber zu reduzieren, erkennen und hoffen, dass mehr noch kommen wird.
Die Vereinfachung der Aushangspflicht des Arbeitsgebers
Einem Bericht für den Präsidenten Frankreichs bezüglich der Verordnung zufolge ist es das Ziel dieser Verordnung, dem Arbeitgeber das Nachkommen seiner Pflichten zu erleichtern, ohne das Recht der Arbeitnehmer auf Information zu verringern. Im Rahmen seiner Pflicht, die Arbeitnehmer zu informieren, musste der Arbeitgeber bislang eine ganze Reihe von Informationen in den Räumen des Unternehmens aushängen (obligation d’affichage). Mithilfe der neuen Verordnung möchte die Regierung dem Arbeitgeber die Möglichkeit geben, dabei auf neue Informationstechnologien zurückzugreifen.
Um dieses Ziel zu erreichen, wurde im Arbeitsgesetzbuch die Pflicht des Arbeitgebers zum Aushang der Information durch eine einfachere Pflicht ersetzt: Die Pflicht zur Informationsübermittlung über ein beliebiges Kommunikationsmittel. Ab jetzt hat der Arbeitgeber die Wahl, welches Mittel er zur Informierung seiner Mitarbeiter nutzt und kann hierfür bspw. den Weg via E-Mail oder Intranet in Betracht ziehen.
Diese Vereinfachung der Anzeigepflicht betrifft mehrere Themen des Arbeitsrechts:
- Betriebswahlen
Die vereinfachte Information der Arbeitnehmer betrifft die Abhaltung von den Betriebswahlen, die Übermittlung des Karenzprotokolls (procès verbal de carence), und die Einladung der Gewerkschaften zu Verhandlungen des Vorwahlprotokolls (Achtung! Die Pflicht, Gewerkschaften, die durch eine Gewerkschaftsgruppe (section syndicale) im Unternehmen vertreten sind, per Einschreiben mit Rückschein zu informieren, besteht weiterhin).
- Betriebsbedingte Kündigungen
In diesem Bereich betrifft die Verordnung zwei Pflichten des Arbeitsgebers: Zum einen muss der Arbeitgeber im Rahmen des ein Jahr gültigen Vorranges (priorité de réembauchage) bei Neueinstellungen nach einer betriebsbedingten Kündigung die Liste der freien Posten nicht mehr aushängen. Wichtig ist nur, dass der betroffene Arbeitnehmer über jeden freien Posten, der mit seiner Qualifikation vereinbar ist, informiert wird. Zum anderen muss in den Unternehmen, die verpflichtet sind, im Rahmen einer Massenentlassung einen Sozialplan zu erstellen, dieser Sozialplan und die Entscheidung der Arbeitsbehörde, die diesen Plan für gültig oder ungültig erklärt, nicht mehr ausgehängt werden. Die Arbeitnehmer können nun über ein beliebiges Kommunikationsmittel informiert werden.
- Auszüge des Strafgesetzbuches
Die Pflicht, diese Auszüge (bezüglich Diskriminierung, Ungleichbehandlung, Mobbing und sexueller Belästigung) in den Räumen des Unternehmens auszuhängen, wurde auch durch eine Informationsweitergabe über jedes beliebige Mittel ersetzt.
Praxistipp: Das einfachste Mittel, die Belegschaft mithilfe von neuen Technologien zu informieren, ist das Intranet. Falls ein solches internes System nicht vorhanden ist, wäre eine Information per E-Mail an alle Arbeitnehmer denkbar, jedoch nur wenn die Verteilerliste der Arbeitnehmer regelmäßig aktualisiert wird. In diesem Fall ist es empfehlenswert, diese EMail mit einer Empfangsbestätigung zu schicken und diese Bestätigung auch zu aufzubewahren.
Die Vereinfachung der Übermittlung von Dokumenten an die Arbeitsbehörden
Die Vereinfachung der Übermittlung von Dokumenten an die Arbeitsbehörden findet sich in zwei Themen wieder. Zum einen sind die Betriebswahlen von der Änderung betroffen; und zwar insofern als das Karenzprotokoll über einen beliebigen Kommunikationsweg an die Arbeitsbehörde übermittelt werden kann und das Vorwahlprotokoll nur noch dann übermittelt werden muss, wenn die Arbeitsbehörde es verlangt. Zum anderen gibt es neue Vorschriften zur Kommunikation zwischen Betriebsrat, Arbeitgeber und Arbeitsbehörden.
Zur Erinnerung (siehe Newsletter Nr. 1-2014): In der folgenreichen Arbeitsrechtreform, die mit dem Gesetz zum Schutz des Arbeitsmarktes vom 14. Juni 2013 (sog. Loi de sécurisation de l‘emploi) einherging, wurde die Einführung einer großen Datenbank vorgesehen, in welcher alle relevanten wirtschaftlichen und sozialen Daten im Unternehmen gesammelt und dem Betriebsrat, dem Hygiene- und Sicherheitsrat (CHSCT) und den Gewerkschaftsvertretern zur Verfügung gestellt werden.
In Unternehmen, die keinen Betriebsrat haben, ist diese Datenbank auch für die Personalvertreter (délégués du personnel) zugänglich. Diese Datenbank muss bis zum 15. Juni 2014 in den Unternehmen mit mehr als 300 Mitarbeitern und bis zum 15. Juni 2015 in Unternehmen mit weniger als 300 Mitarbeitern eingeführt werden. Die Verordnung vom 26. Juni 2014 legt nun Folgendes fest: Sind wirtschaftliche und soziale Daten aufgrund des Gesetzes der Arbeitsbehörde zu übermitteln, genügt es wenn die Arbeitsbehörde Zugang zu der Datenbank erhält.
Kündigung während der Probezeit durch den Arbeitgeber nach Ablauf der Frist: Rechtsicherheit und Klarheit über die anzuwendende Sanktion
Zur Erinnerung: Das französische Arbeitsgesetzbuch sieht Fristen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor, die den Vertrag während der Probezeit beenden wollen. Bislang gab es aber noch keine gesetzliche Regelung über eine eventuell gegen den Arbeitgeber zu verhängende Sanktion, der dem Arbeitnehmer kündigt, obwohl bis zum Ende der Probezeit nicht ausreichend Zeit bleibt, um die Frist einzuhalten.
Die höchste gerichtliche Instanz in Frankreich, der Kassationshof, hatte mit einer Entscheidung bereits eine Antwort auf diese Frage gegeben (Entscheidung Nr. 11-23.248 vom 23 Januar 2013); diese wurde nun vom Gesetzgeber bestätigt: Der Arbeitgeber, der die Frist zur Kündigung in der Probezeit nicht einhält, muss dem betroffenen Arbeitnehmer eine Entschädigung zahlen, die der Gehaltssumme entspricht, die dieser im Falle der Einhaltung der Kündigungsfrist bekommen hätte.
Ein Beispiel: Ein Arbeitsvertrag sieht für einen leitenden Angestellten eine Probezeit von acht Monaten vor (zweimal vier Monate) und der Tarifvertrag sieht wie das Gesetz eine Frist von einem Monat vor. Ist der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer nicht zufrieden kann er die Kündigung vor dem siebten Monat der Probezeit aussprechen, und somit die Frist einhalten oder noch während des 8. Monats der Probezeit, z. B. eine Woche vor Ende der Probezeit: In diesem Falle muss die Woche vor Ende der Probezeit noch gearbeitet werden, die restliche Zeit (ca. 23 Tage) bekommt der Arbeitnehmer seinen Lohn, ist jedoch bereits ausgeschieden.
Die Unternehmen können sich über diese Regelung freuen, da somit die Möglichkeit einer strengeren Sanktion, insbesondere die Unwirksamkeit der Kündigung mit unberechenbaren Ansprüchen definitiv ausgeschlossen wird.
Praxistipp: Auch wenn die Sanktion nicht abschreckend wirkt, empfehlen wir möglichst die Frist einzuhalten (vor allem wenn die Probezeit lang war), um Missverständnisse bzgl. des Fortbestehens des Arbeitsvertrags zu vermeiden. Die Entscheidung, die Probezeit zu beenden, benötigt keiner Begründung im Gegensatz zur Kündigung nach Ablauf der Probezeit.
11.08.2014