Geschlechterparität und Gleichbehandlung in Frankreich
Am 1. Juli 2020 gab die Cour de Cassation, das oberste französische Gericht, in einer Reihe von Urteilen klar zu erkennen, dass die Parität zwischen Männern und Frauen bei Betriebswahlen oberstes Ziel ist. Für den französischen Kassationshof ist es sog. „ordre public“, d. h. unabdingbares Recht.
Grundsätzlich müssen die Kandidatenlisten der Gewerkschaften das Verhältnis der Geschlechter im Betrieb widerspiegeln (ein ähnlicher Gedanke besteht in Deutschland mit der sog. Mindestquote, § 15 Abs. 2 BetrVG).
Wenn nur zwei Kandidaten gewählt werden müssen, muss allerdings jede Gewerkschaft bei ihrer Liste zwingend einen Kandidaten von jedem Geschlecht aufstellen. Eine Ausnahme gilt, wenn nach den entsprechenden geltenden Berechnungsregeln ein Geschlecht mit weniger als 0,5 Kandidat auf den jeweiligen Listen vertreten ist (sog. „Geschlecht der überwältigenden Minderheit“). In diesem Fall darf eine Liste ohne Vertreter des Minderheitsgeschlechts im Betrieb auftreten. Dieser Grundsatz ist unabdingbar und auch die Sozialpartner können nichts anderes vereinbaren.
Am selben Tag entschied der Kassationshof, dass eine unvollständige Liste, die nur einen männlichen Kandidaten aufstellte, wobei 4 Betriebsratsmitglieder - 3 Männer und 1 Frau - gewählt werden mussten, nicht wirksam ist, da das Verhältnis Frauen/Männer nicht im Verhältnis zu der Geschlechteraufteilung im Betrieb steht. Er erklärte den gesamten Wahlprozess für nichtig, ungeachtet des Wahlergebnisses und obwohl der gewählte CSE letztlich paritätisch besetzt war.
Ein paar Tage später bestätigte der Kassationshof seine Rechtsprechung zum Gleichbehandlungsgrundsatz und betonte, dass die Situation einer Arbeitnehmerin mit derjenigen ihres Kollegen verglichen werden muss, selbst wenn dieser einer anderen Business Unit angehört. Dieser Umstand schließt die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht aus; vielmehr müssen die Situation, die Funktionen und der Verantwortungsgrad der Betroffenen verglichen werden, um zu prüfen, ob eine Diskriminierung bezüglich der Vergütung aufgrund der Gewerkschaftstätigkeit der Arbeitnehmerin vorliegt.
In einem weiteren Urteil wurde einem Arbeitnehmer mit niedrigerem Status der gleiche Anspruch auf ein 14. Monatsgehalt wie leitende und Fachangestellte zugesprochen. Das Kriterium für die Gewährung dieses Vorteils konnte nämlich nicht von der Einstufung abhängen, da keine objektiven, sachlichen und relevanten Kriterien dafürsprachen.
Praxistipps:
- Im Wahlprozess sollte die Parität offen mit den Gewerkschaften angegangen werden, um späteren Probleme vorzubeugen und für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften zu sorgen.
- Falls in der Vorbereitung einer Entscheidung ersichtlich ist, dass es zu einer Ungleichbehandlung eines Arbeitnehmers kommen könnte, sollten Sie die sachlichen Entscheidungsgründe gut dokumentieren, um so auf eventuelle Beschwerden vorbereitet zu sein.
23.09.2020