Aktuelle Entscheidungen des französischen Revisionsgerichts in Erbschaftsangelegenheiten
Cass. civ 1ère, 13. Februar 2013: Festlegung des Werts einer Schenkung zum Zeitpunkt der Nachlassteilung
Schenkungen, die durch einen Erblasser vor seinem Tod vorgenommen wurden, sind – soweit nicht anders vereinbart – nach seinem Ableben dem Nachlass hinzuzurechnen (sog. Rapport des donations). Die Berücksichtigung von Schenkungen unterliegt dabei keiner zeitlichen Begrenzung.
Maßgebend für den Wert der Schenkung ist gemäß Art. 860 Abs. 1 des Code civil der Zeitpunkt der Nachlassteilung.
Im vorliegenden Fall hatte einer der Erben im Jahre 1974 ein unbebaubares Grundstück von seiner Mutter geschenkt bekommen. Nach dem Tod der Mutter im Jahre 2000 wurde das Grundstück begutachtet, um ermitteln zu können, mit welchem Wert dieses dem Nachlass hinzuzurechnen ist. Der Gutachter bewertete das Grundstück mit knapp 180.000 €. Bei der Erstellung des Gutachtens wurde auch die Tatsache berücksichtigt, dass eine Umwidmung des Gebiets, in dem sich das Grundstück befand, bevorstand. Für die Cour de cassation ist eine solche Herangehensweise nicht mit den Vorschriften des Art. 860 Abs. 1 des Code civil zu vereinbaren. Alleine der Wert zum Zeitpunkt der Nachlassaufteilung darf berücksichtigt werden. Eine künftige Wertsteigerung muss außer Acht bleiben.
Cass. civ 1ère, 19. Dezember 2012 (Nr. 11-25.578): Erbverzicht durch einen verschuldeten Erben
Erben haben grundsätzlich das Recht zu entscheiden, ob sie den Nachlass annehmen oder darauf verzichten wollen. Diese Entscheidung kann jedoch bestimmten Einschränkungen unterliegen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Erbe verschuldet ist. Verzichtet ein solcher Erbe auf den Nachlass, so verliert der Gläubiger dadurch seine Chance, bezahlt zu werden.
Art. 779 des Code civil (ehemaliger Art. 788 vor der Novellierung des Erbrechts im Juni 2006) sieht vor, dass der Gläubiger eines Erben, der auf einen Nachlass verzichtet hat, per Gerichtsbeschluss dazu befugt werden kann, diesen Nachlass anstelle seines Schuldners anzunehmen. Auf diese Weise kann vermieden werden, dass ein Schuldner absichtlich auf eine Erbschaft verzichtet, um den Zahlungen an seine Gläubiger zu entgehen. Voraussetzung für eine Annahme des Nachlasses durch den Gläubiger ist allerdings, dass dieser nachweisen kann, dass ihm bei einem Nachlassverzicht durch den Schuldner ein Schaden entsteht.
Ein Schaden liegt dann nicht vor, so die Cour de cassation in ihrer Entscheidung vom 19. Dezember 2012, wenn der Erbe zum Zeitpunkt des Erbverzichts nicht zahlungsunfähig war. Verfügt der verschuldete Erbe über ausreichend Vermögen, um seine Schulden zu begleichen, trägt der Gläubiger durch den Erbverzicht keinen Schaden davon. Hinsichtlich der Frage nach dem Beweis für die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zeigt sich die Cour de cassation allerdings weniger streng: So reiche es aus, wenn der Gläubiger den Anschein einer Zahlungsunfähigkeit (insolvabilité apparente) belegen kann.
02.07.2013