Arbeitgeberseitige Ermittlungen bei Mobbing am Arbeitsplatz in Frankreich
Das französische Kassationsgericht hat mit Urteil vom 17. März 2021 Ermittlungen in Fällen von Mobbing durch externe Dienstleister im Auftrag des Arbeitgebers gestärkt.
Eine leitende Angestellte hatte von ihrer Stellung profitiert, um andere Arbeitnehmer über längere Zeit schwer zu beleidigen und durch ihr Verhalten für Schrecken zu sorgen. Zu diesem Ergebnis kam eine im Auftrag ihres Arbeitgebers eingeleitete Untersuchung durch einen spezialisierten externen Dienstleister. Die Beschuldigte hatte dabei weder Kenntnis von den Ermittlungen, noch wurde sie persönlich angehört.
Die Berufungsrichter sprachen sich mangels Einhaltung der Vorgabe des Artikels L. 1222-4 des Code du travail (keine Sammlung persönlicher Informationen über Arbeitnehmer ohne vorherige Bekanntgabe der Maßnahme) und der Loyalitätspflicht des Arbeitgebers für eine Unverwertbarkeit der Ermittlungen vor Gericht aus.
Das Kassationsgericht hielt den Ermittlungsbericht hier dennoch für verwertbar. Er sei nicht vergleichbar mit einem heimlich installierten Kontrollmechanismus, der zur Unverwertbarkeit führe. Der Anwendungsbereich des Art. 1222-4 sei nicht eröffnet und somit bestehe auch keine Pflicht des Arbeitgebers, die Arbeitnehmerin über die Ermittlungen zu informieren und anzuhören. Es scheint nunmehr – zumindest für Fälle eines schwerwiegenden, andauernden und teils rassistischen Mobbings – nicht erforderlich zu sein, einen beschuldigten Arbeitnehmer zu benachrichtigen und anzuhören.
Praxistipps:
- Das Urteil scheint Arbeitgebern mehr Freiheiten bei der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen zu geben. Offen bleibt aber, unter welchen genauen Voraussetzungen von Benachrichtigung und Anhörung abzusehen ist. Es sollte bei derartigen Ermittlungen daher stets eine Einzelfallabwägung zur Vorgehensweise erfolgen, um gerichtlich verwertbare und beweiskräftige Ermittlungen zu führen.
- Legen Sie vor einer derartigen Ermittlung fest, welche Arbeitnehmer der verschiedenen Hierarchieebenen Sie in welcher Reihenfolge befragen möchten. Sie sind nicht verpflichtet, alle Arbeitnehmer zu hören.
- Ebenso ist darauf zu achten, dass der beschuldigte Arbeitnehmer diejenigen, die gegen ihn „aussagen“, nicht unter Druck setzt oder ggf. sogar abhält, etwas zu sagen.
04.05.2021