Einführung der Sammelklage (action de groupe) in Frankreich
Insbesondere im angelsächsischen Raum ist das Konzept der class action (Sammelklage) seit vielen Jahren wohlbekannt. Dabei klagt eine Person stellvertretend für eine Gruppe von Personen, die in gleicher Weise vom streitgegenständlichen Sachverhalt betroffen sind. Diese müssen ihre Anspruch nicht gesondert darlegen, sondern nur beweisen dass sie zu der Gruppe gehören. Diese Prozessform ist in Deutschland nicht zulässig, da dem deutschen Recht eine derartige Gruppenbetroffenheit fremd ist.
Auch in Frankreich waren Sammelklagen zunächst nicht zulässig. Im Jahr 1992 hat der französische Gesetzgeber dann die action en représentation conjointe (etwa: Klage mit gemeinsamer Vertretung) eingeführt. Diese ist in den Artikeln L.422-1 ff. des französischen Verbrauchergesetzbuches geregelt und gibt Verbrauchern die Möglichkeit, sich gemeinsam an einen der staatlich anerkannten Verbraucherschutzvereine zu wenden, der dann die Interessen dieser abgegrenzten Verbrauchergruppe vor Gericht vertreten kann. Nach Beginn des Verfahrens kann es nicht um weitere Kläger erweitert werden. In der Tat ist es den Verbraucherschutzvereinen verboten, öffentlich auf geplante oder anhängige Klagen aufmerksam zu machen, um die Anzahl der Mandate zu erhöhen.
Aufgrund der genannten Einschränkungen war das Modell der action en représentation conjointe aus Sicht des Verbraucherschutzes kein Erfolg: Seit ihrer Einführung wurde nur selten von ihr Gebrauch gemacht. Anders als etwa in den USA stellten Schadensersatzklagen größerer Verbrauchergruppen für die französischen Unternehmen daher faktisch kein ernsthaftes Risiko dar. Dies könnte sich nun aber mit der Einführung der action de groupe (Sammelklage) durch das Verbraucherschutzgesetz vom 17. März 2014 (Nr. 2014-344) ändern.
Dieses Gesetz, auch „Loi Hamon“ genannt, regelt die Sammelklage in den neu geschaffenen Artikeln L.423-1 ff. des Verbrauchergesetzbuchs. Einzelheiten regelt die Durchführungsverordnung Nr. 2014-1081 vom 24.09.2014. Auch die action de groupe ist den staatlich anerkannten Verbraucherschutzvereinen vorbehalten, von denen in Frankreich derzeit 15 existieren. Das Verfahren wird zwischen einem Verbraucherschutzverein und dem beklagten Unternehmen geführt. Dabei klagt der Verbraucherschutzverein für mehrere von demselben Sachverhalt in gleicher Weise betroffene Verbraucher mit Rechtswirkung für diese, obwohl diese Verbraucher selbst nicht Partei des Verfahrens sind.
Im Unterschied zu der action en représentation conjointe ist bei der action de groupe die Gruppe der vertretenen Verbraucher nicht im Voraus festgelegt. Vielmehr bestimmt das Gericht in seinem stattgebenden Urteil die Kategorien von Verbrauchern, die vom dem betroffenen Unternehmen Schadensersatz verlangen können. Weiter hat das Gericht in seinem Urteil Maßnahmen zu bestimmen, mit welchen die Verbraucher über das Urteil informiert werden sollen. Die Kosten der Veröffentlichung sind vom Unternehmen zu tragen. Das Gericht hat eine Frist von mindestens 2 und von höchstens 6 Monaten festzulegen, innerhalb derer die Verbraucher ihre Ansprüche geltend machen können.
Mit der neuen Sammelklage, die ab dem 01.10.2014 zur Verfügung steht, hat sich für die in Frankreich tätigen Unternehmen - gleich, ob es sich um inländische oder ausländische Unternehmen handelt - das Haftungsrisiko erhöht. Allerdings bestehen weiterhin einige Einschränkungen im Anwendungsbereich der Sammelklage, welche dieses Haftungsrisiko etwas begrenzen. Zum einen kann die Sammelklage nur Verbrauchern einen Schadensersatzanspruch verschaffen, d.h. Unternehmern steht sie nicht zur Verfügung. Zum anderen können im Wege der Sammelklage nur Vermögensschäden geltend gemacht werden, und diese auch nur dann, wenn sie im Zusammenhang mit einem Kauf- oder Dienstvertrag oder aufgrund einer unlauteren Wettbewerbshandlung entstanden sind. Ausgeschlossen vom Anwendungsbereich der action de groupe sind der Gesundheits- und der Umweltsektor, die in den USA, typische Bereiche für Sammelklagen sind.
28.10.2014