Erwerb eines E-Commerce-Unternehmens in Frankreich
Sie möchten ein französisches E-Commerce-Unternehmen (z. B. einen Amazon Seller) erwerben? Um Sie optimal für diese Transaktion zu wappnen, haben wir im Folgenden 5 wichtige Fakten dargestellt, die es zu beachten gilt:
- Der Geschäftsbetrieb (fonds de commerce) in Frankreich
- Besonderheiten von Amazon- und Shopify-Konten
- Datenschutz
- Übertragung von Arbeitsverhältnissen
- Umsatzsteuer
Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Frankreich den Begriff des fonds de commerce, der ein abstraktes Institut des französischen Handelsrechts beschreibt, das so in Deutschland nicht existiert. Ein fonds de commerce bezeichnet einen Geschäftsbetrieb in Frankreich und umfasst immaterielle Elemente (Kundenstamm, Mietrechte, Handelsnamen, gewerbliche Schutzrechte usw.) und materielle Elemente (Waren und Ausstattung). Der wichtigste Bestandteil des fonds de commerce ist der Kundenstamm.
Wird ein Geschäftsbetrieb in Deutschland meist über die Übertragung einzeln aufgelisteter Vermögenswerte verkauft, ist eine solche Auflistung für den Verkauf eines fonds de commerce nicht erforderlich, da dieser als Gesamtheit übertragenwird. In der Praxis werden die einzelnen Bestandteile zu Beweiszwecken allerdings trotzdem meist in der Urkunde aufgeführt. Das Rechtsinstitut des fonds de commerce ist einem besonderen Regime unterstellt, dessen Vorschriften es zu beachten gilt (weitere Informationen hierzu finden Sie in unserem Leitfaden zum fonds de commerce. Insbesondere die Einspruchsfrist der Gläubiger und die Zahlung der Registergebühr, die zwischen 3 und 5 % des Kaufpreises beträgt sind hierbei hervorzuheben.
Wie oben gesehen, ist ein elementarer Bestandteil des fonds de commerce dessen Kundenstamm. Wird kein Kundenstamm übertragen, sind auch nicht die zwingenden und einschränkenden Spezialvorschriften zur Übertragung des fonds de commerce zu beachten.
Beim Verkauf eines E-commerce, das seine Produkte ausschließlich über eine Drittplattform wie etwa Amazon, verkauft, ist in der französischen Literatur umstritten, ob auch hier die Vorschriften zur Anwendung kommen: In der Tat wird argumentiert, dass die Kunden Amazon und nicht dem Shop-Betreiber gehören und dort verbleiben. Verkauft ein Amazon-Seller seinen Web-Shop, so könne er keine Kunden übertragen und mithin seien die Regelungen zum Verkauf des fonds de commerce nicht zu einzuhalten. Da es zu dieser Frage noch keine eindeutige Rechtsprechung in Frankreich gibt, ist jedenfalls Vorsicht geboten, viele Käufer wenden daher rein vorsorglich die Regelungen an. In jedem Fall ist angesichts der Konsequenzen der Nichtbeachtung der Regelungen eine eingehende Prüfung angeraten.
Die Übertragung eines Amazon-Kontos bringt auch weitere Besonderheiten mit sich: Je nachdem in welchem Land das Amazon-Konto geführt wird, müssen die von Amazon vorgesehenen Übertragungsregeln beachtet werden. In Frankreich und Deutschland zum Beispiel muss der Verkäufer des Kontos die Übertragung seines Kontos bei Amazon beantragen. Danach liegt der Rest des Übertragungsverfahrens in den Händen von Amazon und dem Erwerber, ohne dass der Verkäufer darauf Einfluss nehmen kann. Die richtige Formulierung der Klauseln zur Übertragung von Amazon-Konten sowie des Zeitpunkts der Eigentumsübertragung ist daher bei dieser Übertragungsart von entscheidender Bedeutung. Außerdem darf eine Gesellschaft nicht zwei Amazon-Konten haben
Bei der Veräußerung eines Shopify-Kontos ist es einhellige Meinung, dass der Kundenstamm dem E-Commerce-Verkäufer gehört, sodass die Veräußerung des Shopify-Kontos zusammen mit anderen Vermögenswerten eindeutig als Veräußerung eines fonds de commerce zu qualifizieren und nach den Spezialregeln abzuwickeln ist. Die praktische Durchführung der Übertragung eines Shopify-Kontos folgt einem Verfahren, das auf der Website von Shopify erläutert wird und für den Verkäufer nur wenige Klicks erfordert. Nach der Übertragung empfehlen wir Ihnen, die Zahlungsmethoden für die Shopifiy-Gebühren so schnell wie möglich zu ändern, damit sie dem Käufer in Zukunft zugerechnet werden können.
Bei der Übertragung eines fonds de commerce sind aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht alle Kundendateien ohne Weiteres übertragbar, was bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen ist.
Zwar ist die Verpflichtung, die Übertragung einer Kundendatei vorab bei der französischen Aufsichtsbehörde CNIL anzumelden, seit dem Inkrafttreten der DSGVO größtenteils entfallen. Nichtsdestotrotz ist eine Übertragung der Kundendatei nur dann möglich, wenn der Übertragende bei der Erstellung der Datei die Datenschutzbestimmungen eingehalten hat und für die Übertragung eine Rechtsgrundlage gemäß der DSGVO besteht. Ferner haben sowohl der Verkäufer als auch der Käufer bestimmte Informationspflichten unter Berücksichtigung bestimmter Fristeneinzuhalten.
Es ist daher ratsam, die Kunden frühzeitig über die geplante Übertragung zu informieren, sie über ihre Rechte aufzuklären und in bestimmten Fällen ihre Zustimmung einzuholen, um die Nichtigkeit der Übertragung und Bußgelder zu vermeiden
Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland werden mit Übertragung des fonds de commerce oder Geschäftsbetriebs in aller Regel automatisch die bestehenden Arbeitsverhältnisse mitübertragen und es besteht eine Informationspflicht des Verkäufers gegenüber seiner Arbeitnehmer, die in Frankreich zwei Monate vor der Übertragung zu erfüllen ist.
Dieser Übergang zu unveränderten Konditionen ist zwingendes Recht und kann somit weder von dem Verkäufer, noch von dem Käufer abbedungen werden. Daher ist auch jede Kündigung, die anlässlich des Übergangs (d. h. vor oder unmittelbar nach dem Übergang) durch den ehemaligen oder neuen Arbeitgeber ausgesprochen wird, unwirksam.
Wenn der Arbeitnehmer seinerseits den Übergang auf einen neuen Geschäftsinhaber ablehnt, darf ihm gekündigt werden, da er nicht auf Arbeit erscheint.
Unbenommen bleibt es dem jeweiligen Arbeitgeber (der Verkäufer vor dem Übergang – oder der Käufer nach dem Übergang) und den Arbeitnehmern aber, eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren. Mangels entgegenstehender Vorschrift im Gesetz, ist diese Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Falle eines Übergangs zulässig.
Die Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung sollte dann schriftlich in einem detaillierten Vertrag fixiert werden´. In jedem Fall sollte, entweder in dem Vertrag oder durch ein einseitiges Schreiben der Arbeitnehmer bestätigen, in dass er über den Grundsatz des automatischen Übergangs seines Vertrages vollständig informiert ist, aber dennoch eine Beendigung des Vertrages wünscht.
Schließlich sollten Sie, wenn Sie ein französisches E-Commerce-Unternehmen übernehmen möchten, nicht vergessen, sich in den Ländern, in denen die Produkte verkauft werden sollen, weit im Voraus für die Umsatzsteuer zu registrieren. Deswegen empfehlen wir Ihnen, sich frühzeitig mit einem Steuerberater in Verbindung zu setzen.
Für weitere Informationen wenden Sie sich ganz einfach an unsere Spezialistin Anne Briswalter.
21.06.2022