Abberufung der Geschäftsführung in Frankreich – die Satzung entscheidet
Das höchste französische Handelsgericht (Cour de cassation, chambre commerciale) hatte zu klären, ob und inwieweit die Satzung (statuts) einer vereinfachten Aktiengesellschaft (SAS) durch eine nachträgliche, einstimmig von allen Gesellschaftern beschlossene Regelung zur Geschäftsführung ergänzt oder abgeändert werden darf.
Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die Abberufung eines Geschäftsführungsorgans entgegen den Vorgaben der Satzung durch einen einstimmigen Gesellschafterbeschluss möglich ist.
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Hintergrund: Die Rolle der Satzung in der SAS
Die SAS ist in Frankreich aufgrund ihrer großen Flexibilität besonders beliebt. Nach Artikel L. 227-5 des französischen Handelsgesetzbuchs (Code de commerce) regelt die Satzung, wie die Gesellschaft geführt wird, insbesondere auch, wie und unter welchen Bedingungen ein Geschäftsführungsorgan abberufen werden kann. Die frühere Rechtsprechung vertrat dabei eine strenge Auslegung: Nur die Satzung habe insoweit Geltung und genieße ein Monopol.
Seit einer Entscheidung des Handelsgerichts aus dem Jahr 2022 wurde diese strenge Position gelockert. Nunmehr sind auch ergänzende Beschlüsse der Gesellschafter möglich, solange diese die Satzung nicht konterkarieren oder ihr widersprechen. Solche „außersatzungsmäßigen Akte“ (actes extra-statutaires) dienen nur der Ergänzung, aber nicht der Änderung oder Aufhebung der durch die Satzung geregelten Voraussetzungen.
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Rechtliche Überlegungen
Das Gericht prüfte die Frage, ob eine einstimmige Entscheidung der Gesellschafter (décision unanime des associés) eine Regelung der Satzung abändern oder umgehen kann – etwa, indem eine Abberufung der Geschäftsführung entgegen den satzungsgemäßen Vorgaben beschlossen wird. Im Mittelpunkt der Erörterungen stand die Rechtssicherheit: Die Satzung soll als einzige und verlässliche Grundlage für die Organisation der Geschäftsführung dienen, nicht nur für die Gesellschafter, sondern auch für die Gesellschaft selbst und für Dritte.
Dabei stellte das Gericht klar, dass sogar eine einstimmige Gesellschafterentscheidung nicht ausreicht, um die Satzung durch eine außerhalb der Satzung gefasste Regelung zu ersetzen oder abzuändern. Der Sinn und Zweck dieser Hierarchie besteht darin, die vorhersehbare und stabile Organisationsgrundlage zu sichern und plötzliche, situative Änderungen zu verhindern, die auf bloße Übereinkünftige der Gesellschafter gestützt sind.
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Entscheidung und Begründung
Das Handelsgericht entschied, dass selbst eine einstimmige Gesellschafterentscheidung keine satzungswidrige Änderung der Geschäftsführung herbeiführen kann. Die Satzung einer SAS hat Vorrang. Beschlüsse der Gesellschafter können die Satzung zwar ergänzen, aber nicht in Widerspruch zu ihr treten. Für den vorliegenden Fall bedeutet das: Modalitäten zur Abberufung von Organen müssen den Regelungen der Satzung entsprechen. Wird hiervon durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss abgewichen, bleibt dieser unwirksam, solange keine formale Satzungsänderung im vorgesehenen rechtlichen Verfahren erfolgt.
Praxistipps:
- Satzungen sollten zugunsten des Gesellschafters maximale Handlungsfreiheiten insbesondere gegenüber der Geschäftsführung vorsehen, um einer Abberufung nicht entgegenzustehen.
- Sollte Ihre Satzung zu enge Voraussetzungen für eine Abberufung vorsehen sollten Sie diese überarbeiten lassen.
- Schauen Sie vor Abberufung eines Organs stets in die Satzung, auch wenn die Gesellschafter sich einig sind. Ein nichtiger Abberufungsbeschluss ist nicht nur unangenehm, er kann sich auch sehr negativ auf das Unternehmen auswirken.
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09.10.2025