Untreue (abus de biens sociaux) und Auslandsgesellschaften
Das französische Kassationsgericht (Cour de cassation, chambre criminelle) hatte am 24. September 2025 zu entscheiden, ob die Einschaltung einer ausländischen Gesellschaft durch den Geschäftsführer eine strafverschärfende Rolle beim Straftatbestand des Missbrauchs von Gesellschaftsvermögen (abus de biens sociaux) spielt.
Es ging um einen Geschäftsführer, der sowohl eine französische als auch eine ausländische Firma leitete und Vermögenswerte der französischen Gesellschaft im Wege von Zahlungsflüssen an die ausländische Gesellschaft verschob. Die Entscheidung kann auch Bedeutung für Konzernstrukturen haben, die Vermögenswerte von der französischen Tochtergesellschaft vor einer bevorstehenden Insolvenz auf die deutsche Muttergesellschaft transferiert.
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Ein Geschäftsführer zweier Gesellschaften überträgt Vermögen von der einen zur anderen
Der Fall betraf einen Geschäftsführer, der an der Spitze einer französischen Handelsgesellschaft sowie einer ausländischen Gesellschaft stand. Ihm wurde vorgeworfen, Vermögenswerte der französischen Gesellschaft auf die ausländische Gesellschaft verschoben zu haben, ohne dass dies dem gesellschaftlichen Interesse (intérêt social) diente. Die Strafkammer des Berufungsgerichts Chambéry hatte den Geschäftsführer unter anderem zu einer Geldstrafe von 20.000 Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil legte der Betroffene Revision (pourvoi) beim Kassationsgericht ein.
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Strafverschärfung durch Auslandsbezug
Im französischen Gesellschaftsrecht stellt der Missbrauch von Gesellschaftsvermögen (abus de biens sociaux – vergleichbar mit der deutschen Untreue) einen gravierenden Straftatbestand dar, der Geschäftsführer betrifft, die Vermögenswerte oder das Ansehen (Kredit) der Gesellschaft entgegen deren Interesse zu eigenen Zwecken oder zugunsten Dritter verwenden.
Nach Artikel L. 242-6 des französischen Handelsgesetzbuches (Code de commerce) erhöht sich die Strafandrohung, wenn eine sogenannte Auslandsgesellschaft zwischengeschaltet wird (interposition d’une personne établie à l’étranger).
Das Kassationsgericht stellte klar, dass die Zwischenschaltung einer ausländischen juristischen Person immer dann vorliegt, wenn sie „zwischen der geschädigten Gesellschaft und dem beschuldigten Geschäftsführer“ steht. Es reicht für die Strafverschärfung bereits aus, dass die Auslandsfirma die Empfängerin der zu Unrecht überwiesenen Mittel ist, unabhängig davon, ob sie als „Kanal“ fungierte oder tatsächlich wirtschaftlicher Profiteur war.
Ziel der Vorschrift sei es, typische Umgehungskonstrukte zu unterbinden, in denen Geschäftsführer über Auslandstöchter oder -firmen auf Gesellschaftsvermögen zugreifen.
Die Strafverschärfung im Sinne von Artikel L. 242-6 Code de commerce gilt für alle Kapitalgesellschaften, also insbesondere für die Société anonyme (SA), Gesellschaft mit beschränkter Haftung (SARL) und vereinfachte Aktiengesellschaft (SAS). Die Verschärfung gilt somit unabhängig von der Unternehmensform, mit Ausnahme der Zivilgesellschaften, bei denen allgemeine Vorschriften über Untreue oder Betrug zur Anwendung kommen.
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Praxistipp
Gerade bei notleidenden französischen Tochtergesellschaften sind Gesellschafter kurz vor einer Insolvenz geneigt, Vermögen (insbesondere Maschinen etc.) nach Deutschland zu übertragen. Ungeachtet etwaiger steuerlicher Konsequenzen bei einer zu niedrigen Bewertung drohen insbesondere in der Insolvenz massive strafrechtliche Konsequenzen für die Geschäftsführung. Anders als nach deutschem Recht ist der Geschäftsführer einer französischen Gesellschaft nicht gehalten, den Anweisungen der Gesellschafterversammlung Folge zu leisten. Gerade vor dem Hintergrund der erläuterten Strafverschärfung sollte der Geschäftsführer daher im Hinblick auf Vermögenstransfers nach Deutschland sehr vorsichtig sein.
09.10.2025