Frankreich: Gericht darf Preis eines Unternehmenskaufs nicht selbst festsetzen
Das höchste französische Zivilgericht, die Cour de cassation (Handelskammer), musste entscheiden, ob Gerichte den Preis für einen übertragenen Apothekenbetrieb festsetzen dürfen, wenn sich die ursprünglich vereinbarten Parteien darüber nicht einigen können.
Im Mittelpunkt standen die SNC Pharmacie Girardeaux (Verkäuferin) und die SELARL Pharmacie Bourdois (Käuferin). Beide hatten im Jahr 2015 eine sogenannte Promesse de cession, also eine Kaufabsichtserklärung, über eine Apotheke geschlossen. Der endgültige Verkaufspreis sollte dabei erst später auf Basis komplexer vertraglicher Regelungen und nach Einholung eines Gutachtens festgelegt werden. Es entstand jedoch Streit über die Berechnungsgrundlage des Preises und über die Modalitäten der Festsetzung.
Rechtslage
Das Gericht musste insbesondere klären, wer berechtigt ist, den endgültigen Verkaufspreis zu bestimmen, wenn Parteien sich nicht einigen. Hierbei standen folgende Vorschriften im Mittelpunkt:
- Artikel 1591 des französischen Zivilgesetzbuchs schreibt vor, dass der Preis bei einem Verkauf bestimmt und zwischen den Parteien vereinbart sein muss.
- Artikel 1592 des französischen Zivilgesetzbuchs erlaubt eine Preisbestimmung durch einen Dritten, wenn die Parteien das vereinbaren.
Im konkreten Vertrag hatten die Parteien vorgesehen, dass ein Gutachter („expert“) den Preis festlegt, sollte Uneinigkeit über die Berechnungsgrundlage bestehen. Wenn über die Wahl des Experten kein Einvernehmen erzielt wird oder sich der Prozess verzögert, kann der Präsident des örtlichen Handelsgerichts einen Experten bestimmen.
Das Problem: Im Laufe der Auseinandersetzung beauftragte das Gericht – und später die Berufungsinstanz (Cour d’appel de Poitiers) – sich selbst mit einer richterlichen Preissetzung auf Grundlage der Vertragseckdaten, obwohl darüber keine vollständige Einigkeit zwischen den Parteien bestand.
Die SNC Pharmacie Girardeaux rügte das Vorgehen der Gerichte: Es sei nach französischem Recht nicht zulässig, dass Richter einen Geschäftswert oder Preis feststellen, wenn der Vertrag die Bestimmung durch einen Dritten (bzw. ein anderes Verfahren) vorsieht.
Entscheidung und Begründung
Die Cour de cassation gab der Klägerin recht:
- Die Gerichte (erstinstanzlich und zweitinstanzlich) hätten gegen Artikel 1591 und 1592 des Code civil verstoßen, indem sie den endgültigen Verkaufspreis selbst festgesetzt hatten.
- Der Preis eines Unternehmenskaufs dürfe nur von den Parteien selbst oder – bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung – von einem Dritten, nicht aber durch das Gericht selbst bestimmt werden.
- Auch die Tatsache, dass eine der Parteien im Gerichtsverfahren beantragt hatte, den endgültigen Preis gerichtlich bestimmen zu lassen, änderte daran nichts: Das Gericht verfügte nicht über die erforderliche Befugnis, den Preis festzusetzen, sondern hätte die im Vertrag vorgesehene Verfahrensweise einhalten müssen.
Cour de cassation, chambre commerciale, financière et économique, Arrêt n° 309 F-B du 4 juin 2025, pourvoi n° G 24-11.580
Mit dieser Entscheidung betont das Gericht die Vertragsautonomie und die Grenzen richterlicher Eingriffe bei der Bestimmung des Preises in Unternehmensübertragungen nach französischem Recht. Der Rechtsweg zur Preisfestsetzung ist strikt vertraglichen und gesetzlichen Vorgaben unterworfen.
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13.06.2025