Frankreich: Strafbarkeit des Geschäftsführers wegen Bankrotts bei unzureichender Buchführung
Auch in Frankreich macht sich ein Geschäftsführer strafbar, wenn er nicht dafür Sorge trägt, dass die Bücher der Gesellschaft unterjährig ordnungsgemäß geführt werden und Jahresabschlüsse erstellt werden. Dies gehört auch nach französischem Recht zu den wesentlichen Pflichten der Geschäftsführung.
Nach Art. 654-2 Code de commerce macht sich eines Bankrotts u. a. schuldig, wer als Organträger einer Gesellschaft keine, eine unvollständige, nicht den Regeln entsprechende oder gar eine fiktive Buchhaltung geführt hat oder Buchhaltungsunterlagen verschwinden lässt. Bankrott wird nach Art. 654-3 Code de commerce mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren und mit Geldstrafe von bis zu 75.000 EUR bestraft.
Auch wenn der französische Gesetzestext hinsichtlich der bei der Buchhaltung einzuhaltenden Standards weitaus unklarer bleibt als in Deutschland § 283 StGB, hat der französische Kassationsgerichtshof in Strafsachen kürzlich bestätigt, dass es jedenfalls dann nicht erforderlich ist, dem Geschäftsführer die Verletzung konkreter Sorgfaltspflichten nachzuweisen, wenn es an einer laufenden Buchhaltung für ein Geschäftsjahr vollständig gefehlt hat (Cass. Crim., Urteil vom 22. Juni 2022, n° 21-83.036, JurisData n° 2022-009944).
Auch in weniger augenfälligen Situationen sollte die Strafbarkeit des Bankrotts nicht aus den Augen verloren werden. Hat eine deutsche Muttergesellschaft eine kleine Tochtergesellschaft in Frankreich, kann es mitunter dazu kommen, dass die Buchführung für diese Gesellschaft sträflich vernachlässigt wird, und die Finanzverhältnisse der Tochter als „Anhängsel“ der Muttergesellschaft nicht hinreichend klar von der Buchhaltung der Muttergesellschaft getrennt sind. Diese Tendenz kann umso mehr bestehen, wenn die Muttergesellschaft die Tochter mit regelmäßigen Zuschüssen finanziert. Spätestens wenn die Muttergesellschaft diese finanzielle Unterstützung einstellt und es zur Insolvenz der Tochter kommt, stellt sich diese Vorgehensweise mit Blick auf die Buchhaltung nicht nur als grundsätzlicher Fehler, sondern auch als strafrechtliches Risiko für den Geschäftsführer heraus. Dies kann z. B. auch für den durch die deutsche Muttergesellschaft gestellten Präsidenten einer SAS gelten, wenn er sich hinsichtlich der Buchführung allzu sehr auf einen französischen Directeur Général verlassen hat (und dieser wiederum sich auf den Präsidenten…).
In einer solchen Situation bemerken die Organträger die Insolvenz womöglich nicht rechtzeitig und meldet entsprechend nicht binnen der in Frankreich geltenden gesetzlichen Frist von 45 Tagen Insolvenz an (Art. 631-4 Code de commerce). In diesem Fall liegt zudem die Sanktion eines Geschäftsführungsverbots (Art. L. 653-8 Absatz 3 Code de commerce) nahe, wie zuletzt wieder ein Urteil des Berufungsgerichts Douai festgestellt hat (CA Douai, Urteil vom 23. Juni 2022, n°21/05923), sowie eine zivilrechtliche Haftung der Organträger auf den Insolvenzverschleppungsschaden.
10.11.2022