Kriterien für die Haftung von Geschäftsführern bei Firmeninsolvenz
Das höchste französische Handelsgericht der Cour de cassation (1. Oktober 2025, n° 23-12.234) hatte darüber zu entscheiden, nach welchen Kriterien ein Geschäftsführer im Falle einer Insolvenz seiner Gesellschaft persönlich zur Zahlung herangezogen werden kann. Besonders umstritten war die Frage, ob bei der Bemessung dieser Zahlungen auch das persönliche Vermögen und die Einkünfte des Geschäftsführers zu berücksichtigen sind.
Im verhandelten Fall wurde ein Geschäftsführer nach der Insolvenz seiner Firma vom Liquidator verklagt und von der Cour d’appel de Lyon zur Zahlung von 180.000 € verurteilt. Er argumentierte vor der Cour de cassation, dass die Höhe der Zahlung proportional zu seinem eigenen Vermögen und Einkommen bemessen werden müsse und der Liquidator eine entsprechende Untersuchung vorlegen müsse. Das Gericht entschied letztlich anders.
Bemessung der Zahlungsverpflichtung nach Zahl und Schwere der Geschäftsführungsfehler
Kern des Urteils ist, dass die Höhe der Verpflichtung des Geschäftsführers, für Liquidationsfehlbeträge (insuffisance d’actif) einzustehen, maßgeblich von der Anzahl und der Schwere der Geschäftsführungsfehler (fautes de gestion) bestimmt wird, die zur Insolvenz beitrugen. Das Gericht stellte klar, dass nicht das persönliche Vermögen (patrimoine) oder die Einkünfte (revenus) des Geschäftsführers maßgeblich sind; diese können zwar berücksichtigt werden, der Richter ist dazu aber nicht verpflichtet. Diese Entscheidung stellt einen wichtigen Grundsatz in der französischen Insolvenzrechtsprechung klar.
Damit festigt das Gericht zwei Grundsätze:
1 Die Richter müssen den Haftungsbetrag nach der Zahl und Schwere der Pflichtverletzungen bemessen.
2 Die persönlichen finanziellen Ressourcen des Geschäftsführers müssen nicht berücksichtigt werden, können aber einbezogen werden.
Bedeutung für die Praxis: Haftung als Sanktion
Die Entscheidung stuft die Haftung gemäß Art. L. 651-2 Code de commerce als eine Form der Geldstrafe (sanction pécuniaire) ein, also als Sanktion für das Fehlverhalten (die Pflichtverletzung) des Geschäftsführers. Sie ist jedoch keine Strafe im strafrechtlichen Sinne (punition), sodass nicht sämtliche strafprozessualen Garantien greifen. Entscheidend für die Höhe der Zahlung bleibt das Verhalten des Managers, nicht sein privates Vermögen.
Die Richter können nach eigenem Ermessen auch eine geringere Haftung oder gar keine Zahlungsverpflichtung aussprechen, selbst wenn Pflichtverstöße vorliegen. Allerdings besteht nunmehr die Pflicht, bei der Bemessung ausschließlich auf Art und Anzahl der Verstöße abzustellen. Die Berücksichtigung von Vermögen / Einkommen bleibt eine Option, keine Pflicht.
Praktische Hinweise für Unternehmen und Geschäftsführer
Für die Praxis ergeben sich aus dem Urteil folgende Hinweise:
- Dokumentation und Nachweisführung:
Geschäftsführer sollten alle ihre wesentlichen Entscheidungen und deren Gründe sorgfältig dokumentieren. Spätere Vorwürfe von Pflichtverstößen können so besser entkräftet werden.
- Frühe rechtliche Beratung einholen:
Wird ein Insolvenzverfahren absehbar, sollte frühzeitig juristischer Rat gesucht werden. Spätes Handeln oder Zögern kann zu einer verschärften Haftung führen.
- Aktive Kommunikation mit dem Insolvenzverwalter (liquidateur):
Da der Richter das Vermögen des Geschäftsführers bei der Haftungsbemessung einbeziehen kann, sollte bei begrenzten Mitteln aktiv das Gespräch mit dem Insolvenzverwalter gesucht und eine realistische Einigung erwogen werden.
06.11.2025