Kaufpreisforderung verjährt: Eigentumsvorbehalt bleibt wirksam
Im November 2025 hatte die Handelskammer des Kassationsgerichtshofs (Cour de cassation, chambre commerciale, 19.11.2025, n° 23-12.250, Dalloz actualité, 28.11.2025) zu entscheiden, ob bei einem nach französischem Recht geschlossenen Kaufvertrag mit Eigentumsvorbehaltsklausel (clause de réserve de propriété) die Verjährung der Kaufpreisforderung (prescription de la créance du prix de vente) automatisch zur Übertragung des Eigentums auf den Käufer führt. Konkret wollte ein Verkäufer nach Eintritt der Verjährung des Zahlungsanspruchs die Sache wegen fortbestehender Eigentumsrechte herausverlangen.
1 Eigentum bleibt beim Verkäufer trotz Verjährung
Nach Ansicht der Cour de cassation bewirkt die Verjährung der Kaufpreisforderung nicht die Übertragung des Eigentums auf den Käufer. Zwar erlischt infolge der Verjährung die Zahlungspflicht des Käufers, der Verkäufer kann also kein Geld mehr verlangen. Dennoch bleibt der vertraglich vereinbarte Eigentumsvorbehalt bestehen, und der Eigentumserwerb des Käufers ist weiterhin an die vollständige Bezahlung des Kaufpreises geknüpft.
Diese Einschätzung gründet auf den Artikeln 2224 und 2367 des französischen Zivilgesetzbuches (Code civil). Art. 2367 Abs. 1 hält fest, dass das Eigentum an einer Sache bis zur vollständigen Bezahlung beim Verkäufer bleibt. Der Eigentumsvorbehalt ist lediglich ein "Akzessorium" (accessoire) der Kaufpreisforderung. Entscheidend ist dabei, dass nur die tatsächliche Bezahlung des Preises (paiement complet), nicht aber das bloße Erlöschen der Forderung (z. B. durch Verjährung), zu einem Eigentumsübergang führt.
2 Klage auf Aussonderung bleibt unabhängig von der Verjährung zulässig
Ein wichtiger Aspekt der Entscheidung betrifft die Möglichkeit des Verkäufers, die Aussonderung der Sache einzuklagen, solange der Eigentumsvorbehalt besteht. Die Richter heben hervor, dass die Herausgabeklage des Verkäufers (action en revendication) nicht an die Verjährung der Kaufpreisforderung gekoppelt ist, sondern sich auf das fortbestehende Eigentum stützt. Der Anspruch auf Herausgabe ist eine dingliche Klage (action réelle), die grundsätzlich der gewöhnlichen Verjährung nicht unterliegt (Art. 2227 C. civ.: Unverjährbarkeit des Eigentumsrechts).
Näheres zum Aussonderungsrecht in französischen Insolvenzverfahren.
Solange der Käufer die Sache besitzt, aber nicht bezahlt hat, kann sich der Verkäufer – auch nach Ablauf aller Zahlungsfristen – darauf berufen, dass das Eigentum aufgrund der Eigentumsvorbehaltsklausel nicht übergegangen ist. Lediglich die Möglichkeit, den Kaufpreis einzuklagen, entfällt mit der Verjährung.
3 Eigentumsvorbehalt ist keine aufschiebende Bedingung
Auch wenn die Cour de cassation in ihrem Urteil die Eigentumsübertragung als „aufschiebende Bedingung“ (condition suspensive) des vollständigen Zahlungsvorgangs bezeichnet, bleibt diese Sichtweise rechtlich umstritten.
Im französischen Recht gilt der Grundsatz "Eigentumsübertrag durch bloße Einigung" (solo consensu). Eine Eigentumsvorbehaltsklausel modifiziert nur die rechtlichen Folgen des Kaufvertrags insoweit, dass der Eigentumsübergang einfach zeitlich hinausgezögert wird, bis der gesamte Preis gezahlt ist – ohne dass es einer besonderen Bedingung im technischen Sinne bedarf.
4 Praxistipps für Unternehmen
- Eigentumsvorbehalt detailliert vereinbaren: Unternehmer sollten bei Verträgen mit französischen Geschäftspartnern auf eine klare Formulierung der Eigentumsvorbehaltsklausel achten.
- Eigentumsvorbehalt in AGB: Zentral ist hierbei, dass die AGB wirksam einbezogen sind. Nach französischem Recht genügt hierfür nicht die bloße Bezugnahme auf die AGB, die AGB müssen vielmehr in der Verhandlungs- oder Empfängersprache übersendet werden, um einbezogen zu sein.
- Fristen zur Zahlung und Eigentumsübertragung dokumentieren: Die vertragliche Bindung zwischen Kaufpreiszahlung und Eigentumsübergang sollte im Nachhinein belegbar sein. Gerade im Fall von Streitigkeiten über Eigentum oder Besitz ist eine sorgfältige Vertragsgestaltung von Vorteil.
- Aussonderungsrecht fristgerecht geltend machen: Selbst wenn die Zahlungsforderung verjährt ist, kann ein Unternehmen von einem säumigen Käufer immer noch die Sache selbst herausverlangen, solange das Eigentum nicht übergegangen ist. Ist über das Vermögen des Käufers ein Insolvenzverfahren eröffnet worden, sind allerdings die Ausschlussfristen nach französischem Insolvenzrecht zu beachten.
02.12.2025