Französischer Kassationsgerichtshof dehnt Haftung privater Arbeitgeber aus
Bei Arbeitsunfällen, die durch grobe Fahrlässigkeit des Arbeitgebers herbeigeführt werden, haben Arbeitnehmer in Frankreich – anders als in Deutschland – einen direkten Regressanspruch gegen den Arbeitgeber. Das französische Sozialgesetzbuch sieht eine entsprechende Haftung des Arbeitgebers bei Vorliegen eines unentschuldbaren Fehlers (sog. faute inexcusable) vor, der nach ständiger Rechtsprechung dann gegeben ist, wenn der Arbeitgeber die Gefahr, der sein Arbeitnehmer ausgesetzt war, kannte oder hätte kennen müssen und keine entsprechenden Arbeitsschutzvorkehrungen getroffen hat.
In einem Urteil vom 08.04.2021 hat der französische Kassationsgerichtshof nun erstmals darüber entschieden, ob eine auf dem Rechtsbegriff der faute inexcusable beruhende Haftung in gleichem Maße auch für private Arbeitgeber gilt.
Im vorliegenden Fall war eine Hausangestellte vom Balkon eines Ferienhauses gestürzt, nachdem dessen morsche Holzbrüstung nachgegeben hatte. Dabei erlitt die Arbeitnehmerin eine Querschnittslähmung.
Nach Ansicht des Kassationsgerichthofs liegt hier ein unentschuldbarer Fehler vor, der die Haftung des Arbeitgebers nach sich zieht. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass sich die Brüstung offenbar seit Längerem in einem derart schlechten Zustand befand, dass der Arbeitgeber die davon ausgehende Gefahr kannte oder zumindest hätte kennen müssen und verpflichtet gewesen sei, entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Damit legt der Kassationsgerichthof bei der Beurteilung der Haftung privater Arbeitgeber dieselben Kriterien zugrunde wie bei gewerblichen Arbeitgebern und macht deutlich, dass die gesetzlichen Pflichten in Sachen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz auch für private Arbeitgeber gelten.
Fazit:
In Anbetracht der hohen Unfallrate von Beschäftigten in Privathaushalten dürfte das Urteil seine vom Kassationsgerichtshof beabsichtigte Signalwirkung nicht verfehlen.
Gewerbliche Arbeitgeber seien an dieser Stelle daran erinnert, dass die allgemeinen Sicherheits- und Gesundheitsschutzpflichten auch gegenüber Arbeitnehmern im Homeoffice gelten.[1] Unfälle im Homeoffice, die sich innerhalb der Arbeitszeiten ereignen, gelten als Arbeitsunfälle, solange nicht nachgewiesen ist, dass sie als Unfälle des Privatlebens einzustufen sind. Ausnahmen zu dieser Regelung sind in Anbetracht des vorstehend genannten Urteils wohl kaum zu erwarten.
22.04.2021