Französisches Insolvenzrecht in Zeiten von Corona
Die Corona-Krise hat die Situation notleidender französischer Tochtergesellschaften weiter verschärft. Viele Muttergesellschaften müssen nun nicht nur die eigene Krise bewältigen, sondern auch wichtige Entscheidungen bezüglich der Tochtergesellschaft treffen. Dabei kommt neben einer Restrukturierung des Unternehmens durch umfassende Personalmaßnahmen auch eine Insolvenz in Betracht.
Der französische Gesetzgeber hat zahlreiche Regelungen im Hinblick auf die Bekämpfung der Corona-Krise erlassen, unter anderem auch solche bezüglich der Insolvenzverfahren in Frankreich.
Im Folgenden sollen die Änderungen des französischen Insolvenzrechts kurz dargestellt werden:
Insolvenzeröffnung: Zahlungsunfähigkeit zum 12.3.2020
Nach französischem Insolvenzrecht hat der Geschäftsführer eines Unternehmens eine Insolvenz anzumelden, wenn er die Zahlungsunfähigkeit (cessation des paiements) festgestellt hat. Die Zahlungsunfähigkeit besteht, wenn das Unternehmen mit den frei verfügbaren Aktiva die fälligen Passiva nicht begleichen kann, mithin wenn nicht ausreichend Liquidität mehr besteht, um die fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen. Den in Deutschland existierenden zweiten Insolvenzeröffnungsgrund der Überschuldung kennt das französische Recht nicht.
Der Geschäftsführer hat für die Insolvenzanmeldung eine Frist von 45 Tagen ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu beachten.
Nach den neuen Regelungen des französischen Insolvenzrechts ist die Zahlungsunfähigkeit nunmehr zum 12. März 2020 zu prüfen. Liegt eine derartige Zahlungsunfähigkeit zu diesem Stichtag nicht vor, ist das Unternehmen nicht verpflichtet, die Insolvenz innerhalb der Frist abzumelden, selbst wenn später eine Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist.
Auch wenn das Unternehmen in diesem Fall eine Insolvenz nicht anmelden muss, darf es dies selbstverständlich weiterhin tun. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Gerichte das Insolvenzverfahren nur dann eröffnen werden, wenn der Beweis erbracht worden ist, dass die Gehälter nicht bedient werden können.
Auf die tatsächliche Liquidität wird erst wieder abgestellt werden, wenn der Gesundheits-Notstand in Frankreich länger als 3 Monate wieder aufgehoben wurde.
Neue Fristen bei Insolvenzvorverfahren
Das französische Recht kennt einige Verfahren, die der Insolvenz vorgelagert sind und die dazu dienen, wirtschaftliche oder soziale Probleme vorab durch ein gerichtlich geleitetes Verfahren zu regeln, um eine Insolvenz zu vermeiden. Es handelt sich dabei um das Verfahren mit einem ad-hoc Verwalter (mandataire ad hoc) und das sog. Schlichtungsverfahren (conciliation). Das Schlichtungsverfahren, in welchem ein Schlichter versucht, mit den Hauptgläubigern Moratorien zu verhandeln, ist gesetzlich auf eine Dauer von vier Monaten begrenzt.
Durch die Corona-Krise werden Verhandlungen dieser Tage erheblich verzögert, was den Gesetzgeber dazu veranlasst hat, den zeitlichen Rahmen des Schlichtungsverfahren auf weitere 3 Monate zu verlängern, wobei die Dauer des Gesundheitsnotstandes noch hinzugerechnet wird. Mithin haben die Parteien mindestens 7, vermutlich sogar 9-10 Monaten Zeit, die Angelegenheit gütlich zu regeln.
Verlängerung der Beobachtungsphase im Rahmen des Sanierungsverfahrens
Nach Eröffnung eines ordentlichen Insolvenzverfahrens folgt die sog. Beobachtungsphase (sog. période d´observation), im Rahmen derer der Insolvenzverwalter die Lage und insbesondere die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens prüft. Im Anschluss an diese Phase legt er dem Gericht einen Bericht vor und schlägt die weitere Vorgehensweise im Rahmen eines sog. Plans vor, der im Verkauf, in der Sanierung oder aber in der Liquidation münden kann.
Die Beobachtungsphase dauert typischerweise 6 Monate. Dieser Zeitraum sowie alle weiteren Zeiträume im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Frankreich werden automatisch bis zum Ende eines Monats nach Aufhebung des Gesundheits-Notstands in Frankreich verlängert.
Insolvenzausfallgeld und Kündigungen
Der Insolvenzverwalter hat nach französischem Recht alle Mitarbeiter im Falle einer Liquidation und die nicht übernommenen Arbeitnehmer im Rahmen einer übertragenden Sanierung innerhalb einer Frist von 15 Tagen zu entlassen. Nur wenn die Kündigung innerhalb dieser gesetzlichen Frist erfolgt, übernimmt die Insolvenzausfallkasse (AGS) die entsprechenden Kündigungsentschädigungen.
Da die Einhaltung dieser Frist aktuell schwierig sein kann, hat der Gesetzgeber diese bis zum Ende eines Monats nach Aufhebung des sanitären Notstands in Frankreich verlängert. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Kündigungen weiterhin kurzfristig ausgesprochen werden, um nicht weitere Liquidität zu beanspruchen.
04.05.2020