Gerichtliche Auflösung einer Gesellschaft in Konfliktsituationen in Frankreich und Deutschland
Die gerichtliche Auflösung einer Gesellschaft ist ein schwerwiegender Schritt, der in den Rechtsordnungen sowohl Frankreichs als auch Deutschlands unter bestimmten Bedingungen möglich ist. Dieser Artikel beleuchtet die jeweiligen Bedingungen und die Unterschiede zwischen den beiden Rechtsordnungen in Bezug auf die gerichtliche Auflösung von Gesellschaften aufgrund von Konflikten zwischen den Gesellschaftern.
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Die gerichtliche Auflösung einer französischen Gesellschaft
In Frankreich regelt Artikel 1844-7, 5° des Code civil die gerichtliche Auflösung einer Gesellschaft. Dieser Artikel ist im allgemeinen Gesellschaftsrecht enthalten und kann daher auf alle Arten von Gesellschaften angewendet werden. Der Gesellschafter einer französischen Gesellschaft kann die Auflösung beantragen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Dieser liegt unter anderem vor, wenn eine Konfliktsituation zwischen den Gesellschaftern die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft blockiert. Bevor es zur Auflösung kommt, können die Gesellschafter oder das Gericht die Bestellung eines Dritten, wie eines vorläufigen Verwalters, in Erwägung ziehen, um die Situation zu klären. Auch wenn es keine Voraussetzung für den Antrag ist, sollten sie diesen Weg auch beschreiten, da Gerichte Auflösungsanträge auch darauf hin prüfen, ob die Lähmung nur temporär oder dauerhaft ist. Wenn die Intervention des Dritten den Konflikt nicht löst, kann einer der Gesellschafter die Auflösung bei Gericht beantragen.
Das Recht eines Gesellschafters, die Auflösung gerichtlich zu beantragen gehört zum französischen Ordre Public und kann nicht durch eine Satzung oder anderweitig aufgehoben werden. Es ist auch nicht möglich, in der Satzung den Begriff des wichtigen Grundes im Sinne von Artikel 1844-7, 5° des Code civil zu definieren und auf bestimmte Szenarien einzugrenzen. Die Satzung darf daher auch nicht die Ausübung der Klage von Bestimmungen abhängig machen, zum Beispiel der Besitz eines bestimmten Anteils an Geschäftsanteilen oder die vorherige Genehmigung einer Mehrheit der Mitgesellschafter.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob es möglich ist, in der Satzung eine Zwangsausschlussklausel zu vereinbaren, die unter anderem bei Erhebung einer Auflösungsklage gemäß Artikel 1844-7, 5° des Code civil greift. Die Gültigkeit einer solchen Klausel ist gerichtlich noch nicht entschieden. Einiges spricht dafür, dass dies nicht zulässig ist, da eine solche Regelung dem Gesellschafter indirekt sein unabdingbares Recht, die Auflösung zu beantragen, entziehen würde, schließlich müsste er automatisch mit seinem Ausschluss rechnen. Es wäre jedoch denkbar, eine Klausel vorzusehen, die schwerwiegende Zerwürfnisse als Ausschlussgrund nennt.
Im Rahmen eines Auflösungsverfahren trägt der klagende Gesellschafter die Beweislast für den wichtigen Grund (CA Amiens, 13 Nov. 2018, n° 16/04554), wobei ein doppelter Beweis notwendig ist: Zum einen muss eine Lähmung der Gesellschaft vorliegen (a), zum anderen muss sich diese auch noch wirtschaftlich auf die Gesellschaft negativ ausgewirkt haben (b).
a) Zur Lähmung der Gesellschaft
Nach dem Gesetz ist zum einen eine Uneinigkeit zwischen den Gesellschaftern erforderlich, die zum anderen zu einer Lähmung der Gesellschaft führt. Der Kläger muss darlegen, dass der Konflikt die kollektive Entscheidungsfindung derart beeinträchtigt, dass der Gesellschaftszweck gefährdet ist, mithin, dass die Gesellschaft operativ massiv beeinträchtigt wird. Aus der Situation muss zu schließen sein, dass der Wille zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit (affectio societatis) verloren gegangen ist (Cass., 1. Zivilsenat, 24. März 1998, Nr. 95-17.801, 95-20.350).
Zur Frage der Lähmung gibt es eine umfangreiche Kasuistik: Wesentlich bei der Beurteilung ist, ob man aus dem Verhalten eines oder mehrerer Gesellschafter (unabhängig davon, ob sie die Mehrheit an der Gesellschaft halten) schließen kann, dass sie sich nicht mehr der Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks verbunden fühlen. Dies kann sich in der Weigerung manifestieren, für die Gesellschaft und ihr Fortbestehen notwendige kollektive Entscheidungen mitzutragen (Cass., 3. Zivilsenat, 17. Dez. 2020, Nr. 19-15.694). Hierbei kann es sich etwa um einen Mehrheitsgesellschafter handeln, der sich weigert, eine wichtige Entscheidung zu treffen oder aber auch – bei Vorliegen eines bestimmten Quorums (z. B. ¾ Mehrheit), um Minderheitsgesellschafter, die mit ihrer Sperrminorität wichtige Entscheidungen verweigern (CA Grenoble, 4. Nov. 2014, n° 14/01510). Ein Funktionsversagen der Gesellschaftsorgane wurde von den Gerichten auch in einem Fall bejaht, in dem die Hauptversammlung nicht einberufen werden konnte, die Feststellung des Jahresabschlusses sowie die Einberufung der Gesellschaftsorgane fehlten und die Gesellschaft damit bereits administrativ handlungsunfähig war (Cass., 3. Zivilsenat, 14. Febr. 2019, Nr. 17-28.549).
b) Zur wirtschaftlichen Auswirkung
Neben dem Verlust der Handlungsfähigkeit prüfen die Gerichte die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft. Nur wenn die Lähmung sich auch wirtschaftlich negativ niederschlägt, wird einem Auflösungsantrag stattgegeben werden. Geht es der Gesellschaft wirtschaftlich gut und ist sie erfolgreich, so wird die Auflösung abgelehnt und dies auch bei andauender Unstimmigkeit (CA Lyon, 1. Dez. 2005, n° 04/03968).
2. Vergleich mit der Rechtslage in Deutschland
Auch in Deutschland kann eine Gesellschaft durch gerichtliches Urteil aufgelöst werden, jedoch gibt es keine allgemeingültige Regelung, die für alle Gesellschaftsformen eine Auflösungsklage vorsieht.
Für die GmbH regeln dies § 60 und § 61 GmbHG. Gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG kann die GmbH durch ein gerichtliches Urteil aufgelöst werden und § 61 Abs. 1 GmbHG sieht vor, dass die Gesellschaft durch gerichtliches Urteil aufgelöst werden kann, wenn die Erreichung des Gesellschaftszweckes unmöglich wird, oder wenn andere, in den Verhältnissen der Gesellschaft liegende, wichtige Gründe für die Auflösung vorhanden sind.
Ähnlich wie in Frankreich müssen die Kläger nachweisen, dass die Erreichung des Gesellschaftszwecks unmöglich geworden ist oder dass andere wichtige Gründe vorliegen, die auf den Verhältnissen der Gesellschaft oder zwischen den Gesellschaftern beruhen. Ein erheblicher Unterschied zu Frankreich ist jedoch, dass die Kläger in Deutschland über mindestens 10 % des Stammkapitals verfügen müssen, um eine solche Klage erheben zu können.
Die Auflösung der Gesellschaft kommt nur als äußerstes Mittel in Betracht. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität kommt die Auflösung insbesondere nicht in Betracht, wenn stattdessen der Ausschluss des störenden Gesellschafters möglich ist.
Im Fall der Aktiengesellschaft sind die Auflösungsgründe in § 262 AktG geregelt. Im Gegensatz zur GmbH gibt es hier keinen spezifischen Auflösungsgrund für Konflikte unter Aktionären, da Aktionäre grundsätzlich die Möglichkeit haben, ihre Anteile zu verkaufen. Eine analoge Anwendung der GmbH-Regelung ist nur in Ausnahmefällen denkbar, etwa bei einer geschlossenen AG, wo die Aktien schwer verkäuflich sind.
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Dieser Artikel wurde von Dr. Christophe Kühl in Zusammenarbeit mit unserer Praktikantin (élève avocat) Leslie Deneu verfasst.
06.09.2024