Zur Aktivlegitimation von Gesellschaftern bei Schadensersatzklagen in Frankreich
Das Handelskammer des französischen Kassationsgerichts (Cour de cassation, chambre commerciale) hatte die Frage zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt ein Gesellschafter über die erforderliche Klagebefugnis für die sogenannte Action ut singuli verfügen muss. Konkret ging es darum, ob ein Gesellschafter, der nach Klageerhebung seine Gesellschafterstellung verliert (etwa durch Kapitalherabsetzung und Annullierung seiner Aktien), weiterhin berechtigt ist, eine Klage im Namen der Gesellschaft fortzuführen.
1 Hintergrund des Falls
Im Zentrum stand ein Gesellschafter, der gegen die Geschäftsführer seiner Gesellschaft eine Action ut singuli anstrengte. Dies ist eine Klageart nach französischem Gesellschaftsrecht, die es einem einzelnen Gesellschafter erlaubt, im Namen der Gesellschaft gegen deren Organe auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen zu klagen. Während des Prozesses kam es jedoch durch Kapitalherabsetzung und Annullierung der Aktien zur Beendigung seiner Gesellschafterstellung.
Das Pariser Berufungsgericht (CA Paris) hatte die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Klägerin habe während des Verfahrens ihre Gesellschafterqualität verloren und könne deshalb nicht mehr klagen.
2 Rechtliche Überlegungen
Wesentliche Streitfrage war, zu welchem Zeitpunkt die Klagebefugnis für eine Action ut singuli vorliegen muss: Zum Zeitpunkt der Klagseinreichung (demande introductive d’instance) oder bis zum Zeitpunkt der endgültigen gerichtlichen Entscheidung?
Die Cour de cassation berief sich auf die Artikel 31 und 122 des Code de procédure civile sowie L. 225-252 des Code de commerce.
- Artikel 31 Code de procédure civile regelt grundsätzlich die Prozessführungsbefugnis.
- Artikel 122 betrifft die Zulässigkeit von Klagen.
- Artikel L. 225-252 Code de commerce konkretisiert die Besonderheiten der Gesellschafterklage.
Bislang hatten einige Gerichte verlangt, dass die Gesellschafterstellung die gesamte Verfahrensdauer über bestehen bleiben müsse. Die Rechtsprechung war zu diesem Punkt also nicht einheitlich.
3 Entscheidung und Begründung
Mit Urteil vom 18. Juni 2025 stellte die Cour de cassation klar: Für die Action ut singuli gilt allein die Gesellschafterstellung zum Zeitpunkt der Klageerhebung. Ein nachträglicher Verlust dieser Eigenschaft – etwa durch Kapitalherabsetzung oder Annullierung von Aktien – steht einer Fortführung der Klage nicht entgegen.
Das Gericht führte aus, dass die Kombination der genannten Gesetzesartikel ausdrücklich vorschreibt, dass die Klagebefugnis bei Einreichung der Klage zu prüfen ist. Die spätere Entwicklung hat keinen Einfluss auf die Zulässigkeit der Klage. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, wonach die Klage wegen des zwischenzeitlichen Verlusts der Gesellschafterstellung für unzulässig erklärt wurde, war daher aufzuheben.
Cour de cassation, chambre commerciale, 18. Juni 2025, Nr. 22-16.781, F-B; JurisData Nr. 2025-009377.
10.07.2025