Abzugsfähigkeit beruflicher Aufwendungen einer GbR (Musik-Band) in Frankreich
Das höchste französische Gericht, der Conseil d’État, hatte zu klären, ob ein in Frankreich tätiges Mitglied einer deutschen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – vergleichbar der französischen société civile – seine tatsächlichen beruflichen Aufwendungen im Rahmen der französischen Besteuerung ansetzen kann.
Anlass war der Fall eines Mitglieds der bekannten deutschen Band Scorpions, das nach erfolgreichen Konzerten in Frankreich Einnahmen erzielt hatte. Das Urteil beleuchtet das Zusammenspiel von französischem und deutschem Gesellschaftsrecht bei der steuerlichen Behandlung grenzüberschreitender Geschäftstätigkeit.
Hintergrund des Falls
Im Jahr 2015 veranstalteten die Scorpions mehrere Konzerte in Frankreich. Die daraus resultierenden Einnahmen in Höhe von mehr als zwei Millionen Euro flossen an die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Scorpions, eine deutsche Gesellschaftsform. Eines der Gruppenmitglieder, ein in Deutschland lebender Gitarrist, erklärte für 2015 Einkünfte aus französischer Quelle in Höhe von 828.516 Euro. Dieser Betrag wurde als Gehalt (sogenannte traitements et salaires) angegeben und entsprechend der französischen Steuergesetze mit Quellensteuer gemäß Artikel 182 A bis des französischen Steuergesetzbuchs (CGI) belegt.
Im Dezember 2017 reichte der Musiker eine korrigierte Steuererklärung ein und begehrte dabei insbesondere den Abzug seiner tatsächlich entstandenen beruflichen Aufwendungen in Höhe von 165.653 Euro. Die lokalen Gerichte (das Verwaltungsgericht Montreuil und das Berufungsgericht Paris) lehnten diesen Antrag jedoch ab und bestätigten die ursprüngliche Steuerfestsetzung.
Rechtliche Überlegungen
Im Mittelpunkt des gerichtlichen Streits stand die Frage, wie eine deutsche GbR für steuerliche Zwecke nach französischem Recht zu behandeln ist. Relevant hierbei ist die französische Regelung, nach der ausländische Gesellschaften einer vergleichbaren französischen Rechtsform zugeordnet werden müssen, um die korrekten steuerlichen Vorschriften anzuwenden.
Der Conseil d’État stellte klar:
- Der Steuergerichtshof ist verpflichtet, die ausländische Gesellschaftsform danach zu beurteilen, welchem französischen Gesellschaftstyp sie entspricht. Dabei müssen sowohl Rechtsnatur als auch Funktion der Gesellschaft berücksichtigt werden.
- Die deutsche Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Tätigkeit in der künstlerischen Darbietung und der Verwaltung aller damit zusammenhängenden Einnahmen und Ausgaben besteht, sei mit der französischen société civile nach Art. 8 CGI vergleichbar.
Entscheidung, Begründung & Konsequenzen
Der Conseil d’État entschied, dass eine deutsche Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die wie im Fall der Scorpions sämtliche Einnahmen und Aufwendungen einer künstlerischen Gruppe bündelt, als französische société civile zu behandeln ist.
Folgende Konsequenzen ergeben sich hieraus:
- Die Einkünfte, die den Mitgliedern als Anteil am Gewinn zufließen, werden nach französischem Recht als sogenannte „bénéfices non commerciaux“ (BNC), also nicht-gewerbliche Einkünfte, versteuert.
- Für BNC-Einkünfte sind die tatsächlich entstandenen beruflichen Aufwendungen des Steuerpflichtigen abzugsfähig, wenn diese nachgewiesen werden können.
Der Conseil d’État widersprach somit den Auffassungen der Vorinstanzen, die den Abzug der beruflichen Aufwendungen abgelehnt hatten. Er stellte klar, dass das betreffende Mitglied der Gesellschaft Anspruch auf die steuerliche Berücksichtigung seiner realen beruflichen Kosten hat.
Näheres zur Entscheidung
Die Entscheidung des Conseil d’État bekräftigt, dass Kriterien wie Gründungsform, Geschäftsführung und tatsächliche Tätigkeit maßgeblich dafür sind, zu welchem französischen Gesellschaftstyp eine ausländische Gesellschaft im steuerlichen Kontext zählt, in diesem Fall als société civile (Art. 8 CGI). Daraus folgt, dass auf die Mitgliedseinkünfte die Regelungen zu den nicht-gewerblichen Einkünften (BNC) zur Anwendung kommen, sodass die Anrechnung realer beruflicher Aufwendungen zulässig ist.
Conseil d’État, 2. Juni 2025, Nr. 492796, B
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19.06.2025