Gesellschafterdarlehen im Rahmen von Unternehmenskäufen in Frankreich
Ein Urteil des französischen Kassationsgerichtshofs (Cour de cassation) vom 27. September 2023 (Cass. 1e civ. 27-9-2023 n° 22-15.146 F-D, Sté Airmeex c/ Sté Ante) gibt Anlass, die Frage nach dem Schicksal bestehender Gesellschafterdarlehen eines veräußernden Gesellschafter im Rahmen eines Unternehmenskaufs in Frankreich näher zu beleuchten.
Im Rahmen einer Anteilsveräußerung (share deal) führt die Übertragung der Anteile nicht automatisch zur Übertragung des Gesellschafterdarlehens (oder Saldos des Gesellschafterkontos) des Veräußerers zugunsten des Erwerbers, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde. Der Saldo auf dem Gesellschafterkonto resultiert in der Tat nicht aus der Inhaberschaft der Geschäftsanteile, sondern aus einem Darlehen des Gesellschafters an die Gesellschaft, aufgrund dessen der Gesellschafter eine Forderung gegenüber der Gesellschaft erlangt hat, die letztlich unabhängig von seiner Gesellschafterstellung ist.
Sollten die Parteien eines Unternehmenskaufvertrages in Frankreich eine Übertragung des Anspruchs aus dem Gesellschafterkonto wünschen, müssen sie dies ausdrücklich vertraglich festhalten. Diese Regelung kann dabei auch in der Satzung, im Gesellschaftervereinbarung oder in einer besonderen Vereinbarung über das Gesellschafterdarlehen enthalten sein. Unabhängig vor der vertraglichen Grundlage der Klausel ist es jedoch zwingend erforderlich, dass es sich um eine ausdrückliche Bestimmung handelt, aus welcher das Schicksal des Gesellschafterdarlehens klar hervorgeht. Wir empfehlen, diese Bestimmung aus Gründen der Klarheit im Anteilsveräußerungsvertrag festzuhalten bzw. zu wiederholen.
Je nach Finanzlage des Unternehmens und dem Kontext der Transaktion stehen den Parteien mehrere Optionen zur Verfügung:
- Die Übertragung des Gesellschafterdarlehens vom Veräußerer auf den Erwerber
- Die vollständige oder teilweise Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens an den Veräußerer
- Der vollständige oder teilweise Verzicht des Veräußerers auf das Gesellschafterdarlehen
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Übertragung des Gesellschafterdarlehens
Zunächst ist es möglich, im Anteilsveräußerungsvertrag die Übertragung des Saldos des Gesellschafterdarlehens auf den Erwerber vorzusehen.
Die Abtretung des Anspruchs auf Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens stellt eine Forderungsabtretung nach französischem Recht dar. Daher kann sie der Gesellschaft nur nach Kenntnisnahme durch die Gesellschaft der Veräußerung entgegengehalten werden. Aus diesem Grunde ist es immer ratsam, die Gesellschaft an der Abtretung (z.B. durch Gegenzeichnung des Veräußerungsvertrags) zu beteiligen. Gegenüber Dritten (z. B. den Gläubigern des Veräußerers oder des Erwerbers) ist die Abtretung ab dem Datum der Abtretung wirksam.
! Achtung: Wenn es sich um eine entgeltliche Abtretung des Gesellschafterdarlehenssaldos handelt, stellt der vom Veräußerer erhaltene Preis kein Zusatz zum Kaufpreis für die Anteile dar und ist daher nicht Teil der Bemessungsgrundlage für die Eintragungssteuer, sofern der tatsächliche Betrag des Gesellschafterdarlehens einerseits durch die Bestimmungen der Abtretungsurkunde und andererseits durch einen Buchungsposten nachgewiesen werden kann (zur Erinnerung: Die bei einem Unternehmenskauf in Frankreich fällige Eintragungssteuer beträgt 0,1 % des Preises für Aktien und 3 % für Gesellschaftsanteile).
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Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens
- Rückzahlung durch die Gesellschaft
Unter der ausdrücklichen Bedingung, dass die Liquidität der Gesellschaft dies zulässt, können die Parteien auch die vollständige oder teilweise Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens an den Verkäufer vereinbaren.
! Zur Erinnerung: Die Rückzahlung dieses Betrags kann, sofern nichts anderes vereinbart wurde (z. B. gesperrtes Gesellschafterdarlehen, das für einen bestimmten Zeitraum nicht verfügbar ist), jederzeit von dem betroffenen Gesellschafter verlangt werden. Es sollte jedoch genau geprüft werden, ob die Gesellschaft in der Lage ist, die Rückzahlung vorzunehmen, da der Geschäftsführer ansonsten aufgrund eines sog. Geschäftsführungsfehlers (faute de gestion) haftbar gemacht werden kann.
- Rückzahlung durch den Erwerber
Der Erwerber kann sich aber auch selbst verpflichten, das Gesellschafterdarlehen des Veräußerers direkt zurückzuzahlen.
In dem oben genannten Urteil des Kassationsgerichtshofs übertrug ein Gesellschafter, der der Gesellschaft ein Gesellschafterdarlehen bewilligt hatte, seine gesamten Anteile an einen anderen Gesellschafter. Nach der Abtretung forderte der Veräußerer den Erwerber auf, ihm das Gesellschafterdarlehen zurück zu zahlen. Das Berufungsgericht gab seiner Forderung statt.
Der Kassationsgerichtshof hob die Entscheidung auf. Nach Auffassung der Richter habe das Berufungsgericht nicht untersucht, ob die Rückzahlung gemäß der Veräußerungsvereinbarung nicht allein der Gesellschaft oblegen hätte. Sofern aus der Vereinbarung hervorgeht, dass nur die Gesellschaft zur Rückzahlung verpflichtet ist und der Erwerber keinerlei persönliche Verpflichtungen übernommen habe, sei die Gesellschaft alleinige Schuldnerin des ausscheidenden Gesellschafters.
In dem entschiedenen Fall sah die Veräußerungsvereinbarung offenbar vor, dass das Gesellschafterdarlehen des Veräußerers allein von der Gesellschaft zurückgezahlt werden sollte.
In der Praxis verpflichtet sich oft der Erwerber im Rahmen eines Pfandversprechens (promesse de porte-fort), den Gesellschafterdarlehenssaldo durch die Gesellschaft auszahlen zu lassen. In diesem Fall ist die Gesellschaft Primärschuldnerin und der Erwerber kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Gesellschaft ihre Verpflichtung nicht erfüllt.
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Verzicht auf das Gesellschafterdarlehen
Im Falle einer finanziellen Notlage (Fälle des sog. distressed M&A) vereinbaren die Parteien häufig einen Verzicht auf das gesamte oder einen Teil des Gesellschafterdarlehens des Veräußerers zugunsten der Gesellschaft.
Die Bedingungen des Verzichts müssen genau definiert werden. So kann beispielsweise vereinbart werden, dass auf einen Teil des Darlehens verzichtet wird, sofern der andere Teil fristgerecht zurückgeführt wird; wird der Tilgungsplan nicht eingehalten kann der Veräußerer die Rückzahlung des gesamten Gesellschafterdarlehens einfordern (Cass. com. 5-7-2017 n° 15-20.806 F-D: RJDA 11/17 n° 725). Forderungsverzichte können auch mit einer schriftlichen oder mündlichen Besserungsklausel (clause de retour à meilleure fortune) versehen sein. Im Rahmen von Unternehmenskäufen in Frankreich ist zu beachten, dass derartige Forderungsverzichte eine außerbilanzielle Verpflichtung (engagement hors bilan) darstellen und nicht aus den Büchern der Gesellschaft ersichtlich sind. Ein Käufer sollte daher bereits im Rahmen der vorverträglichen Prüfung des Zielunternehmens (due diligence) auch sämtliche Informationen zu außerbilanziellen Verpflichtungen anfordern (dies geschieht in der Regel in einer sog. due diligence request list).
! Achtung: Der Verzicht auf die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens hat steuerliche Auswirkungen, die Sie unbedingt von einem Steuerberater überprüfen lassen sollten.
Fazit:
Im Rahmen eines Unternehmenskaufes sollten die Parteien klar regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Gesellschafterdarlehen durch die Gesellschaft oder aber den Käufer zurückzuzahlen ist. Der Käufer sollte sich unbedingt auch alle außerbilanziellen Verbindlichkeiten offen legen lassen und im Unternehmenskauf eine Zusage oder Garantie dergestalt vorsehen, dass keine außer den offengelegten Verbindlichkeiten existieren.