Handelsvertreter in Frankreich
Übersicht
- Was ist ein Handelsvertreter?
- Wie lässt sich der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters minimieren?
- Welche Gerichte sind im Streitfall zuständig?
- Wann ist die Provisionszahlung fällig?
- Wie lässt sich vermeiden, dass der Handelsvertreter als Arbeitnehmer eingestuft wird?
- Wie kann man das Vorliegen einer Betriebsstätte vermeiden?
- Welche Kündigungsfristen sind zu beachten?
Praxistipps
- Vereinbaren Sie mit Handelsvertretern immer schriftlich die Anwendung deutschen Rechts und die Zuständigkeit der deutschen Gerichte.
- Rechtswahl- und Gerichtsstandsklauseln sollten im Frankreichgeschäft möglichst durch Fettdruck oder Großbuchstaben optisch hervorgehoben werden.
1 Was ist ein Handelsvertreter?
Der Handelsvertreter vertreibt Produkte und Waren eines Unternehmens an den Kunden und erhält dafür eine Provision. Anders als der Händler kauft er die Produkte und Waren des Unternehmens also nicht ein, sondern fungiert nur als Mittler zwischen dem Unternehmen und den Kunden. Gegenüber den Kunden tritt er nicht im eigenen Namen auf, sondern im Namen des Unternehmens, dessen Produkte er vertreibt.
Sobald ein Unternehmen in der oben beschriebenen Weise mit einem Vertriebspartner zusammenarbeitet, besteht automatisch ein Handelsvertretervertrag, sofern es sich nicht nur um einen Gelegenheitsvermittler handelt. Dies gilt auch dann, wenn der mit dem Vertriebspartner geschlossene Vertrag anders bezeichnet wird (Partnervertrag o.ä.) oder gar kein schriftlicher Vertrag geschlossen wurde und sich die Parteien nur mündlich auf die Art und Weise der Zusammenarbeit geeinigt haben. Ein Handelsvertreter hat auch ohne schriftlichen Vertrag die gesetzlichen Ansprüche eines Handelsvertreters. Lediglich der Nachweis über getroffene Vereinbarungen wird erschwert, falls kein schriftlicher Vertrag vorliegt. Außerdem haben Gerichte im Streitfall bisweilen die Tendenz, bei bloß mündlichen Vereinbarungen im Zweifel zugunsten des Handelsvertreters zu entscheiden.
Sie sollten also unbedingt einen schriftlichen Vertrag abschließen, in dem Sie die Vertragsbeziehung detailliert regeln, um sich im Streitfall auf die getroffenen Vereinbarungen berufen zu können.
2 Wie lässt sich der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters minimieren?
Das deutsche und das französische Handelsvertreterrecht weisen nur wenige Unterschiede auf, da dieses durch die EG-Handelsvertreterrichtlinie vom 18. Dezember 1986 in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union harmonisiert worden ist.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Rechtssystemen existiert indes beim Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters im Falle einer Kündigung des Handelsvertretervertrags durch den Unternehmer: Hier ist das deutsche Recht für den Unternehmer vorteilhafter als das französische Recht, weil der Anspruch des Handelsvertreters auf Zahlung eines finanziellen Ausgleichs im Falle der Kündigung des Vertrages durch das Unternehmen erheblich geringer ist als nach französischem Recht.
Nach deutschem Recht hat der Handelsvertreter einen Ausgleichsanspruch, falls er für das Unternehmen Neukunden geworben hat, mit denen das Unternehmen nach Beendigung des Handelsvertretervertrages voraussichtlich weiterhin Geschäfte machen wird. Auszugleichen ist hier der Vorteil, den der Handelsvertreter dem Unternehmer gebracht hat. Dabei wird berücksichtigt, ob der Umsatz in den letzten Jahren vor Vertragsbeendigung gestiegen oder gefallen ist und wie lange ein Kunde dem Unternehmen typischerweise erhalten bleibt (Abwanderungsquote). Unter Berücksichtigung der Gesamtsituation wird eine Zukunftsprognose darüber gestellt, welches Umsatzpotential für das Unternehmen mit den vom Handelsvertreter geworbenen Neukunden besteht.
Der Ausgleichsanspruch nach deutschem Recht kann jedoch nicht höher sein als der Jahresdurchschnitt der vom Handelsvertreter in den letzten fünf Vertragsjahren insgesamt vereinnahmten Provisionen und Vergütungen. Diese Höchstgrenze wird anhand sämtlicher Provisionen und Vergütungen des Handelsvertreters berechnet und nicht nur anhand der durch Geschäfte mit selbst geworbenen Stammkunden erzielten Provisionen.
Das französische Recht verfolgt einen völlig anderen Ansatz. Statt eines Ausgleichs für die im Unternehmen verbleibenden Vorteile, sieht das französische Recht eine Entschädigung des Handelsvertreters für die Einkommensnachteile vor, die ihm durch die Kündigung des Vertrages entstehen. Die französische Rechtsprechung geht davon aus, dass der Handelsvertreter zukünftig Provisionen verliert. Dafür ist er zu entschädigen. Gemäß der Rechtsprechung liegt die Höhe dieser Entschädigung in der Regel bei zwei Jahresvergütungen, errechnet aus dem Durchschnitt der letzten drei Jahresvergütungen. Dies gilt unabhängig von der Anzahl der geworbenen Neukunden oder der Umsatzentwicklung. Für die Berechnung der Entschädigung sind allein die erhaltene Provision und alle sonstigen Vergütungsbestandteile (z. B. fixe Vergütung, Vergütung für Verwaltungsaufgaben etc.) maßgeblich.
Damit ist der bei Vertragsbeendigung zu zahlende Betrag nach französischem Recht in der Regel doppelt so hoch wie nach deutschem Recht. Die Voraussetzungen und die Höhe des Entschädigungsanspruchs nach französischem Recht sind darüber hinaus für den Handelsvertreter sehr viel einfacher zu beweisen als die des Ausgleichsanspruchs nach deutschem Recht.
Der Ausgleichs-/Entschädigungsanspruch des Handelsvertreters entfällt sowohl nach deutschem als auch nach französischem Recht, wenn:
- Das Unternehmen den Vertrag aus einem wichtigen Grund, den der Handelsvertreter zu vertreten hat, außerordentlich gekündigt hat,
- der Handelsvertreter den Vertrag selbst kündigt, ohne dass hierfür schwerwiegende gesundheitliche oder andere berechtigte Gründe (insbesondere erhebliche Pflichtverletzungen des Unternehmers) vorliegen oder
- der Handelsvertreter im Einvernehmen mit dem Unternehmen die Vertretung an einen Nachfolger überträgt oder
- der Handelsvertreter den Anspruch nicht innerhalb eines Jahres nach Vertragsbeendigung beim Unternehmer geltend gemacht hat.
Bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters ist es daher von zentraler Bedeutung, welches Recht für das Vertragsverhältnis maßgeblich ist.
2.1 Ausgleichsanspruch bei Fehlen einer Rechtswahlklausel
- Es besteht kein schriftlicher Vertrag:
Haben die Parteien keine nachweisbare Rechtswahl getroffen, so ist das französische Recht auf den Handelsvertretervertrag anwendbar, da nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts das Recht des Landes gilt, in dem die charakteristische Leistung (hier die Tätigkeit des Handelsvertreters) erbracht wird.
Um den hohen Ausgleichsanspruch nach französischem Recht zu vermeiden, ist daher dringend angeraten, einen schriftlichen Vertrag abzuschließen, der eine Rechtswahlklausel zugunsten des deutschen Rechts vorsieht.
- Es besteht ein schriftlicher Vertrag, allerdings ohne Rechtswahlklausel:
- Hinweise im Vertrag auf die Geltung des Rechts eines Landes.
Enthält der Vertrag keine ausdrückliche Rechtswahlklausel, sucht das Gericht im Streitfall nach Anhaltspunkten, aus denen sich eine stillschweigende Rechtswahl der Vertragsparteien ergibt. Indizien für eine solche Rechtswahl sind z. B. die Wahl eines bestimmten Gerichts (Gerichtsstandsklausel), die Sprache, in welcher der Vertrag verfasst ist, der Ort des Vertragsschlusses, Verweise auf einzelne Rechtsvorschriften eines Landes etc.
Insbesondere die Wahl eines für Rechtstreitigkeiten zuständigen Gerichts wird von den Gerichten in der Regel so ausgelegt, dass das Recht des Staates, in dem das gewählte Gericht liegt, auch für den Vertrag gelten soll. Wenn Sie in Ihren Verträgen vorsehen, dass für Rechtsstreitigkeiten die Gerichte am Sitz Ihres Unternehmens zuständig sein sollen und Ihr Unternehmenssitz in Deutschland liegt, so wird man in der Regel davon ausgehen können, dass nach der Parteivereinbarung auch das deutsche Recht gelten soll.
Da dies letztlich aber eine Frage der Auslegung ist, besteht das Risiko, dass ein Gericht doch das französische Recht anwendet und damit den hohen französischen Ausgleichsanspruch zuerkennt. Besser ist es daher, neben der Gerichtsstandsklausel immer auch eine ausdrückliche Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts vorzusehen.
- Keine Hinweise im Vertrag auf die Geltung des Rechts eines Landes oder widersprüchliche Hinweise.
Ergibt sich aus dem Vertrag weder eine ausdrückliche noch eine stillschweigende Vereinbarung des anwendbaren Rechts, etwa weil der Vertrag keine Bezüge zu verschiedenen Rechtsordnungen aufweist, so gilt im Zweifel das Recht des Landes, in dem der Handelsvertreter seinen Sitz hat, da dieser die vertragscharakteristische Leistung erbringt.
Arbeiten Sie bereits mit einem in Frankreich ansässigen Handelsvertreter zusammen und finden sich in dem abgeschlossenen Vertrag weder eine Gerichtsstandsklausel noch eindeutige Bezugnahmen auf Vorschriften des deutschen Rechts, so ist das französische Recht auf den Handelsvertretervertrag anwendbar.
2.2 Ausgleichsanspruch bei Vorliegen einer Rechtswahlklausel
Haben die Parteien im Vertrag ausdrücklich das auf den Vertrag anwendbare Recht vereinbart, so gilt dieses Recht. Aus Sicht des Unternehmers ist die Vereinbarung deutschen Rechts zu empfehlen, da nach diesem der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters deutlich geringer ist (siehe oben).
Eine entsprechende Klausel kann etwa wie folgt formuliert werden: „Der vorliegende Vertrag unterliegt dem materiellen Recht der Bundesrepublik Deutschland.“
3 Welche Gerichte sind im Streitfall zuständig?
3.1 Welche Gerichte sind ohne Gerichtsstandsvereinbarung zuständig?
Ist vertraglich nichts Abweichendes vereinbart, so kann ein in Frankeich tätiger Handelsvertreter das deutsche Unternehmen wegen vertraglicher Ansprüche vor französischen Gerichten verklagen. Zu den vertraglichen Ansprüchen zählt auch der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bei Vertragsbeendigung. Maßgeblich ist hier die Regelung des Artikels 7 Nr. 1 b) der EU-Verordnung Nr. 1215/2012 vom 12. Dezember 2012 (EuGVO). Diese Verordnung sieht am Erfüllungsort einen Gerichtsstand vor, der am Ort der Erbringung der Dienstleistung liegt. Wenn der Handelsvertreter seine Dienstleistung in Frankreich erbringt, ist dort der Erfüllungsort, an dem geklagt werden kann.
Der Handelsvertreter hat aber auch die Möglichkeit, ein deutsches Unternehmen in Deutschland zu verklagen. Hierfür gilt die allgemeine Regel des Artikels 4 Abs. 1 EuGVO, wonach die Gerichte am Sitz der zu verklagenden Partei für Klagen zuständig sind.
Das Unternehmen hingegen muss vertragliche Ansprüche gegenüber dem in Frankreich ansässigen Handelsvertreter am Gerichtsstand des Handelsvertreters in Frankreich einklagen. Denn in Frankreich liegen sowohl der Erfüllungsort der Dienstleistung als auch der gewöhnliche Aufenthaltsort bzw. Sitz der beklagten Partei.
3.2 Wie kann man vorab das zuständige Gericht bestimmen?
Neben dem anwendbaren Recht können die Parteien im Vertrag immer auch die zuständigen Gerichte wählen. In einer sog. Gerichtsstandsklausel wird festgelegt, welche Gerichte bei Streitigkeiten zuständig sind. Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, sind diese Gerichte ausschließlich zuständig. Die Gerichtsstandsvereinbarung muss zu ihrer Wirksamkeit bestimmten formellen und inhaltlichen Anforderungen genügen.
Wird ein nicht-ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart, kann zusätzlich an den gesetzlichen Gerichtsständen (siehe oben Ziffer 2.3.1.) geklagt werden.
4 Wann ist die Provisionszahlung fällig?
Bezüglich der Fälligkeit der Provisionszahlungen gibt es keine Unterschiede zwischen dem französischen und deutschen Recht, da beide Länder ihr Handelsvertreterrecht infolge der EG-Handelsvertreterrichtlinie vom 18. Dezember 1986 in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union weitgehend harmonisiert haben.
Ist vertraglich nichts anderes bestimmt, wird die Provisionszahlung auch nach französischem Recht fällig, sobald und soweit der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat.
Will der Unternehmer erreichen, dass der Provisionsanspruch erst mit Zahlung des Kunden entsteht und fällig wird, kann er dies wirksam vertraglich vereinbaren. Er ist in diesen Fällen allerdings zwingend verpflichtet, spätestens am Ende des der Lieferung folgenden Monats einen angemessenen Vorschuss zu leisten.
5 Wie lässt sich vermeiden, dass der Handelsvertreter als Arbeitnehmer eingestuft wird?
Für reine Vertriebsleute kennt das französische Recht den besonderen Status des VRP (voyageur représentant placier). Der VRP ist arbeits- und sozialversicherungsrechtlich ein Arbeitnehmer, er unterliegt aber einem besonderen Tarifvertrag, der keine Höchstgrenzen für die Arbeitszeit (35-Stunden-Woche) vorsieht. Der VRP kann für mehrere Unternehmen gleichzeitig tätig werden. Seine Entlohnung besteht in der Regel aus einem Fixgehalt sowie einer Provision.
Im Streitfall kann es durchaus vorkommen, dass ein Gericht den durch die deutsche Gesellschaft verwendeten Handelsvertretervertrag als VRP-Arbeitsvertrag umqualifiziert. Dies hat für das Unternehmen zur Folge, dass es zum einen bei der Beendigung des Vertrages die zwingenden Kündigungsvorschriften des französischen Arbeitsrechts nicht eingehalten, zum anderen die für Arbeitnehmer vorgeschriebenen Sozialversicherungsabgaben nicht entrichtet hat.
Das Risiko einer Umqualifizierung des Handelsvertretervertrages lässt sich dadurch reduzieren, dass dem Handelsvertreter größtmögliche Freiheiten eingeräumt werden, damit kein für den Arbeitsvertrag typisches Unterordnungsverhältnis besteht. Es sollte jedoch auch immer darauf geachtet werden, dass vertraglich vereinbarte Freiheiten im täglichen Umgang auch tatsächlich eingeräumt werden und nicht durch allzu enge Vorgaben eingeschränkt werden.
Viele Handelsvertreter sind im französischen Register der Handelsvertreter registriert. Es ist daher empfehlenswert, sich vom Handelsvertreter die Bescheinigung seiner Registrierung vorlegen zu lassen, um seine Eigenschaft als selbständiger Unternehmer zu überprüfen.
6 Wie kann man das Vorliegen einer Betriebsstätte vermeiden?
Bei der Beschäftigung von Handelsvertretern durch ausländische Unternehmen gehen die französischen Behörden in gewissen Fällen vom Vorliegen einer Betriebsstätte in Frankreich aus. Als Folge entstehen für das ausländische Unternehmen Bilanz- und Steuerpflichten in Frankreich.
Das Vorliegen einer Betriebsstätte kann insbesondere dadurch vermieden werden, dass dem Handelsvertreter ausdrücklich untersagt wird, Verträge im Namen des Unternehmens zu unterzeichnen. In der Praxis leitet der Handelsvertreter den geworbenen Kunden somit direkt an das Unternehmen weiter, das den Auftrag dann selbst bestätigt.
7 Welche Kündigungsfristen sind zu beachten?
Die Kündigungsfristen des Handelsvertretervertrages sind nach deutschem und französischem Recht weitgehend identisch.
Nach deutschem und französischem Recht kann der Handelsvertretervertrag von beiden Parteien unter Einhaltung folgender Kündigungsfristen gekündigt werden:
- von einem Monat während des ersten Vertragsjahres,
- von zwei Monaten ab Beginn des zweiten Vertragsjahres und
- von drei Monaten ab Beginn des dritten Vertragsjahres,
und zwar jeweils zum Ende des Kalendermonats.
Nach einer Vertragsdauer von fünf Jahren kann das Vertragsverhältnis nach deutschem Recht mit einer Frist von sechs Monaten zum Monatsende gekündigt werden. Nach französischem Recht bleibt es dagegen auch bei länger laufenden Vertragsverhältnissen bei der maximalen Kündigungsfrist von drei Monaten.
Um den fristgerechten Zugang des Kündigungsschreibens gegebenenfalls beweisen zu können, sollten Sie das Kündigungsschreiben per Einschreiben mit Rückschein versenden oder durch einen Boten zustellen lassen.
01.01.2020