Insolvenzverfahrenseröffnung unterbricht Berufung – auch in Frankreich
Ein Urteil des französischen Kassationsgerichtshofs vom Jahresbeginn (Cass. Com. 5. Februar 2025, 23-12.588) behandelt die Frage der Unterbrechungswirkung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf einen laufenden Rechtsstreit in der Berufungsinstanz.
Ausgangspunkt war ein Passivprozess vor den französischen Gerichten gegen die spätere Insolvenzschuldnerin, eine ausländische Gesellschaft mit Sitz in Portugal, die auf Zahlung einer Geldforderung verklagt wurde, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden war. Das erstinstanzliche Gericht verurteilte das portugiesische Unternehmen zur Zahlung. Die Schuldnerin legte Berufung ein. Während des laufenden Berufungsverfahrens wurde über das Vermögen des portugiesischen Unternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet. Danach bestätigte das französische Berufungsgericht gleichwohl die erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung.
Dieses Urteil wiederum wurde nun vom höchsten französischen Gericht in der Revision kassiert, da das Berufungsgericht das (sachlich ursprünglich richtige) Urteil der ersten Instanz nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr hätte bestätigen dürfen:
Denn während eines laufenden (auch ausländischen) Insolvenzverfahrens dürfen nach französischem Recht (Art. 18 EuInsVO, Art. L. 622-21 I und L.622-22 Code de commerce) die Forderungen gegen den Schuldner nur mit den Mitteln des Insolvenzrechts verfolgt werden.
Die Gläubigerin hätte ihre Forderung zunächst zur Tabelle anmelden müssen. Erst dann kann das Verfahren wieder aufgenommen werden, wobei der Antrag nur noch auf Feststellung der Forderung zur Tabelle lauten kann. Dies gilt auch für ein Berufungsverfahren, selbst wenn die Insolvenzeröffnung während des laufenden Berufungsverfahrens erfolgte, da das erstinstanzliche Urteil aufgrund der fristgemäß eingelegten Berufung nicht rechtskräftig geworden ist.
Die Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im französischen Recht entsprechen damit im Wesentlichen dem deutschen Recht (§ 240 ZPO), wo Anmeldung und Prüfung der Forderung notwendige Prozessvoraussetzungen für die Wiederaufnahme des Passivprozesses gegen die Insolvenzschuldnerin sind.
Diese Parallele ist nicht allzu erstaunlich, da der in § 87 InsO festgeschriebene Grundsatz, dass Gläubiger gegenüber dem Insolvenzschuldner ihre Forderungen nur nach den Vorschriften des Insolvenzrechts betreiben können, in Deutschland wie in Frankreich zu den tragenden Grundsätzen des Insolvenzverfahrens zählt, das der gleichmäßigen und kollektiven Befriedigung der Gläubiger dient („procédure collective“).
11.03.2025