Persönliche Haftung des Geschäftsleiters gegenüber Dritten und vorsätzliches Verschulden
Der französische Kassationsgerichtshof (Cour de cassation) hat entschieden, dass aus Artikel L. 223-22, Abs. 1 des französischen Handelsgesetzbuchs (Code de commerce) folgt, dass der Geschäftsführer einer SARL (Gesellschaft mit beschränkter Haftung französischen Rechts) Dritten gegenüber persönlich für Geschäftsführungsfehler haftet, wenn diese von seinem Amt abzugrenzen sind. Demnach macht sich ein Geschäftsführer haftbar, wenn er vorsätzlich einen Fehler von besonderer Schwere begeht, der mit der normalen Ausübung seines Amtes nicht vereinbar ist.
Am 4. Juni 2008 war für die Firma PAAM investissements und deren Tochtergesellschaft, die Firma PAAM logistique, ein Sanierungsverfahren eröffnet worden. Die SCP Noël-NodéeLanzetta wurde zum Gläubigervertreter beider Gesellschaften und die SCP Bayle-ChanelGeoffroy zum Insolvenzverwalter im Sanierungsverfahren der Tochtergesellschaft ernannt und mit der Unterstützung der Geschäftsführung beauftragt.
Am 3. Juni 2009 wurde für die Firma PAAM investissements ein Sanierungsplan verabschiedet, der eine Sanierung mittels Fortführung der Gesellschaft vorsah. Für die Firma PAAM Logistique wurde am darauffolgenden 1. Juli ein Liquidationsverfahren eröffnet, in dem die SCP Noël-Nodée-Lanzetta zum Liquidator bestellt wurde (der Liquidator). Letzterer erhob Klage gegen Hr. Y, Geschäftsführer beider Gesellschaften, und forderte dessen persönliche zivilrechtliche Haftung, da er ihm vorwarf, den Betrag aus einem Gesellschafterdarlehen der Tochterfirma nicht als Forderung gegenüber der Muttergesellschaft angemeldet zu haben.
Herr Y., der dem Urteil vorwarf, der Klage stattgegeben zu haben, legte Revision ein.
Sein Revisionsantrag wurde zurückgewiesen. Das französische Berufungsgericht (Cour d'appel) hatte entschieden, dass Hr. Y, indem er es unterlassen hatte, die Forderung der Firma PAAM logistique zur Masse der Firma PAAM investissements anzugeben, welche dem Gläubigervertreter von Letzterer ausgehändigt worden war, die Muttergesellschaft bewusst bevorteilen wollte, und zwar zum Nachteil der Tochtergesellschaft und ihrer Gläubiger, denen er somit die Möglichkeit vorenthalten hatte, eine Begleichung im Rahmen des Sanierungsplans zu erzielen. Damit hat das Berufungsgericht seine Entscheidung rechtmäßig begründet, unabhängig davon, ob die Organe der Insolvenzverfahren Kenntnis von der nicht angemeldeten Forderung hatten.
Der Kassationsgerichtshof präzisiert darüber hinaus, dass, wenn ein Insolvenzverwalter bestellt und mit der Unterstützung der Geschäftsführung beauftragt wird, es dem im Sanierungsverfahren befindlichen Schuldner weiterhin obliegt, seine Forderungen mit seiner Gegenzeichnung anzumelden, da der Insolvenzverwalter weder dazu befugt ist, diese allein anzumelden, noch dazu verpflichtet ist, zu beantragen, dass seine Aufgabe zu diesem Zweck auf die Verwaltung des Unternehmens ausgedehnt wird.
Praxistipp:
Der Fall zeigt am praktischen Beispiel auf, dass Geschäftsführer französischer Tochtergesellschaften durchaus auch mit ihrem privaten Vermögen haften, können, und zwar insbesondere dann, wenn sie zu Lasten des Gesellschaftsvermögens und damit letztlich auch ihrer Gläubiger Vermögensdispositionen getroffen haben (etwa Rückzahlung von Darlehen an die Muttergesellschaft kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, Übertragung von Gesellschaftsvermögen auf die Muttergesellschaft) oder, wie im beschriebenen Fall, es unterlassen haben, Forderungen der Gesellschaft ordnungsgemäß einzutreiben.
Für die Geschäftsführer im Frankreichgeschäft bedeutet diese Rechtsprechung, insbesondere in Krisenzeiten jegliche Vermögensdisposition zugunsten von Konzerngesellschaften, durch die die von ihm geführte Gesellschaft einen wirtschaftlichen Nachteil erleidet, kritisch zu prüfen, um das Risiko einer persönlichen Haftung weitestgehend zu minimieren.
30.06.2014