Rechtliche Rahmenbedingungen für den Bau von Biogasanlagen in Frankreich
Frankreich ist der größte Agrarproduzent innerhalb der EU und bietet deshalb ein großes Potential für die Energiegewinnung aus Biogas. Das Interesse der französischen Landwirte an der Wertschöpfung aus der Produktion von Biogas ist groß, der Markt für Biogasanlagen jedoch noch erstaunlich klein. Während in Deutschland bereits weit über 3.000 Anlagen auf einer landschaftlichen Nutzfläche von 17 Mio. Hektar in Betrieb sind, gibt es in Frankreich lediglich rund 250 Anlagen, auf rund 28 Mio. Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche.
Dies könnte sich bald ändern. Seit Juli 2006 gibt es in Frankreich eine attraktive Einspeisevergütung für Strom aus Biogas: Für die Einspeisung von Strom aus Biogasanlagen bis 150 kW erhält man in Frankreich bis zu 14 Cent je Kilowattstunde. Seitdem gerät der Markt in Bewegung. Vorreiter ist das Elsass. Dort werden derzeit sechs Anlagen geplant. Für Frankreich insgesamt rechnet man bis zum Jahresende mit 15 und bis 2010 mit 150 neuen Anlagen. Das mittelfristige Potential sehen Experten bei etwa 2.000 Biogas-Anlagen.
Dies gilt um so mehr, als Staatspräsident Nicolas Sarkozy am 25. Oktober 2007 zum Ende des französischen Umweltgipfels "Grenelle" zahlreiche Umweltschutzmaßnahmen angekündigt hat und einige Kommentatoren davon sprachen, dass Frankreich vor einer « grünen Revolution » stünde.
Deutsche Unternehmen werden möglicherweise bei der Entwicklung des französischen Biogas-Marktes eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Der Grund: In Frankreich gibt es bislang nur wenige Spezialisten, die über das notwendige Know-how verfügen.
Im folgenden Artikel soll deutschen Anlagenbauern ein Überblick über die wesentlichen Rahmenbedingungen in Frankreich verschafft werden.
Die verschiedenen Genehmigungsverfahren auf Seiten des Landwirts
Im Folgenden sollten die einzelnen Genehmigungsverfahren dargestellt werden, die ein Landwirt einleiten muss, um eine Biogasanlage in Betrieb zu nehmen.
Problematisch ist an der französischen Rechtslage zur Zeit, dass es angesichts der wenigen Anlagen bislang kaum praktische Erfahrungen gibt, auf die man sich stützen kann. Insbesondere bei der Auslegung der anwendbaren Vorschriften kann es zudem zu regional unterschiedlichen Auslegungen kommen. Angesichts der hohen Technizität der Genehmgungsverfahren sollten immer Planungsbüros (bureau d’étude) eingebunden werden. Allerdings gibt es auch hier in Frankreich zur Zeit nur sehr wenige auf den Bau von Biogasanlagen spezialisierte Planungsbüros.
- Baugenehmigung
Die Baugenehmigung ist für den Landwirt die häufigste und bekannteste Genehmigung für den Landwirt. Der Viehzüchter braucht sie für seine Ställe. Biogasanlagen sind aufgrund Ihrer Größe stets genehmigungspflichtig.
Der Antrag ist von einem Architekten zu unterschreiben und wird beim Rathaus gestellt, die normale Bearbeitungsfrist beträgt drei Monate. Sie kann jedoch im Einzelfall verlängert werden. Bei Antragstellung ist nachzuweisen, dass zugleich die immissionsschutzrechtliche Zulassung beantragt wurde (reglementation sur les installations classées). Beide Verfahren müssen also gleichzeitig durchgeführt werden.
Die Baugenehmigung ist ebenfalls für den Anschluss an das Stromnetz notwendig.
Seit dem 01.10.2007 gilt in Frankreich ein neues, vereinfachtes Genehmigungsverfahren für Bauvorhaben. Die wesentlichen Elemente dieser Reform sind folgende:
Aufgrund der Vervielfachung von Genehmigungs- oder Erklärungsverfahren im französischen Baugesetzbuch (Code de l’urbanisme), ist die Hauptneuerung die Reduzierung von 11 Genehmigungs- und 5 verschiedenen Erklärungsverfahren auf 3 Genehmigungs- und ein Erklärungsverfahren.
Es bleiben damit die Baugenehmigung, die Bauänderungsgenehmigung, die Abrissgenehmigung.
Der Anwendungsbereich wird ebenfalls genauer. Vorhaben, die einer Genehmigung, Erlaubnis oder Voraberklärung bedürfen, sind in einer Liste abschließend aufgeführt.
Per Dekret wurde die sog. Basisfrist eingeführt. Bei Einreichung des Vorhabens beim Rathaus wird ein Datum mitgeteilt, bis zu welchem über den Antrag der Genehmigung entschieden wird. Ebenfalls wir eine abschließende Liste erstellt, welche Dokumente dem eingereichten Vorhaben beizufügen sind.
Den Architekten und Bauherren wird eine größere Verantwortung zuteil, da während der Bauphase verschiedene Schritte nur nicht angegeben werden müssen, diese aber nicht vor der Verwirklichung kontrolliert werden. Erst nach Abschluss der Bauarbeiten wird vom Bauherrn oder dem Architekten eine Erklärung über den Abschluss der Arbeiten und die Übereinstimmung mit der Baugenehmigung beim Rathaus eingereicht. Der Bürgermeister kann die Übereinstimmung mit der Baugenehmigung nur in einer Frist von 3-5 Monaten überprüfen.
- Klassifizierte Anlagen
Das Pendant zum deutschen Immissionsschutzrechtlichen Verfahren stellt in Frankreich die Gesetzgebung zu den sog. klassifizieren Anlagen (sog. installations classées) dar.
Das französische Immisssionsschutzrecht ist in Art. 511-1 ff. code de l’environnement (franz. Umweltschutzrecht) geregelt. Es dient dem Schutz der Nachbarschaft, Sicherheit, Sauberkeit, Landwirtschaft, Umwelt, Gesundheit etc. vor Brand, Explosion, Lärm, Luft- und Wasserverschmutzung, Müll, Radioaktivität und sogar ästhetischen Eingriffen.
Die Regelungen ermöglichen ein Vorgehen gegen schädliche Umwelteinflüsse von Anlagen und solche zu vermeiden. Sie betreffen nur feste Anlagen und auch nur, sofern sie in der Nomenklatur (nomenclature des installations classées) aufgeführt sind. Fällt eine Anlage in die Nomenklatur, so ist sie entweder nur anzumelden oder aber es ist ein umfangreiches Genehmigungsverfahren zu durchlaufen.
Biogasanlagen fallen nicht unmittelbar in die Nomenklatur und stellen damit keine klassifizierte Anlage im Sinne des Gesetzes dar. Zur Zeit gibt es in Frankreich allerdings Bestrebungen, eine neue Rubrik (Nr. 2780) für Biogasanlage zu schaffen, um mehr Rechtssicherheit zu schaffen.
Bis zur Schaffung dieser Rubrik ist stets im Einzelfall zu prüfen, ob eine Biogasanlage oder Teile von ihr nicht eine andere Rubrik erfüllt. So kann sie beispielsweise als substantielle Veränderung des landwirtschaftlichen Betriebes eingestuft werden, mit der Folge, dass diese bei den zuständigen Behörden angemeldet werden müsste.
Biogasanlagen können aber auch in andere Rubriken fallen und damit anmelde- oder gar genehmigungspflichtig werden. So besteht etwa die Möglichkeit, dass die Anlage in die Kategorie 167/322B „Abfallverwertungsanlage“, 2750 ff. „Kläranlage“, 2170 „Kompostierung“ oder 2751 „ Gemeinsame Verwertung von Gülle“, 1411 „Gaslagerung“, 2910B Aufwertung von Biogas, 2730 &2731 „mit Tierprodukten“ usw. fällt. Die Prüfung der Einordnung ist derart komplex, dass sie sinnvoll nur durch ein spezialisiertes Planungsbüro erfolgen kann. Nach aktueller Rechtslage werden die meisten Biogasanlagen ein Genehmigungsverfahren durchlaufen müssen.
Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ist bei der Präfektur am Ort der Anlage einzureichen. Der Antrag muss zahlreiche Angaben zum Betreiber der Anlage und zur Anlage selbst enthalten. Der Antragsteller muss ferner eine Studie über die Auswirkungen und Gefahren vorlegen. Sobald die Antragsunterlagen vollständig sind, leitet der Präfekt die Unterlagen an den Präsidenten des Verwaltsungsgerichts, der einen sog. kommissarischen Ermittler (commissaire enquêteur) benennt, der die öffentliche Ermittlung (enquête publique), die einen Monat dauert, durchführt, in dem alle Beteiligten Verwaltungen und Nachbarn angehört werden.
Der Präfekt holt vor Erteilung der Genehmigung eine Stellungnahme des Conseil départemental de l’environnement et des risques sanitaires et technologiques (CODERST) ein, eine Behörde, die unter anderem für die Umweltrisiken zuständig ist. Erst wenn auch hier eine positive Stellungnahme vorliegt, kann der Präfekt die Genehmigung durch einen Präfektenerlass (sog. arrêté préfectoral) erteilen, in der die Einzelheiten für den Betrieb der Anlage geregelt sind.
Für die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens sind ca. 15 Monate einzuplanen.
- Zugelassener Abfallvernichter
Viele der in die Biogasanlage eingebrachten Produkte werden in Frankreich als Abfälle einstuft.
Vor jeglicher Annahme von Fremdprodukten muss der Landwirt sich versichern müssen, ob das Produkt auf der offiziellen Liste der Abfälle steht, und wenn ja, welches Verfahren für seinen Transport und seine Vernichtung vorgesehen ist.
- Betriebserlaubnis für eine Stromproduktionsanlage
Produktionsanlagen mit einer Leistung unter 4,5 MW müssen lediglich angemeldet werden. Die Erklärung muss beim Ministerium für Industrie (Minefi, DIDEME, 6ème sous-direction, Teledoc 122, 61 Bv Vincent Auriol, 75 703 Paris Cedex 13) eingereicht werden, das einen Empfangsbeleg ausstellt wenn die Akte vollständig ist. Rechtsgrundlage für das Anmeldeverfahren ist das Dekret 2000-877 7. September 2000.
- Zertifikat über Kaufverpflichtung (Certificat d’obligation d’achat – COA)
Dieses Dokument wird von der örtlichen Regionaldirektion für Industrie, Forschung und Umwelt (DRIRE) auf einfache Anfrage des Produzenten ausgestellt, der seine Identität nachweist und seine Produktionsanlage beschreibt. Das COA bestätigt, dass der produzierte Strom von der EDF oder einem anderen Stromanbieter, an welchen der Betrieb angeschlossen ist, abgenommen werden muss.
Es ist ebenfalls darauf zu achten, dass die Anlage den zulässigen Emissionswert für Gase mit Treibhauseffekt nicht überschreitet. Frankreich hat einen nationalen Plan für Quotenverteilung (PNAQ) erstellt, nachdem einer Anlage bestimmte Quoten zugeteilt werden.
- Antrag auf Anschluss an das Stromnetz
Der Antrag ist bei dem Stromanbieter zu stellen der für die Versorgung der Gegend, in der die Anlage steht, zuständig ist. Anlagen unter 250 kVA (ca. 200 KW) können an das Schwachstromnetz angeschlossen werden, die anderen werden zwingend an das Hochspannungsnetz angeschlossen. Die Kosten des Anschlusses gehen zu Lasten des Stromproduzenten, inklusive der Kosten für den Hochspannungstransformator.
Für die Anlagen unter 250 kVA muss der Anbieter eine Hochspannungslösung anbieten, sofern sich diese als kostengünstiger als die Schwachstromlösung herausstellt.
Die Kosten des Anschlusses an das Stromnetz können sich als so hoch erweisen, dass sie zur Aufgabe des Projektes oder zumindest an seine komplette Neudimensionierung führen. Da die Kosten nicht einfach abzuschätzen sind, wird es dem Landwirt nicht möglich sein festzustellen, ob eine leichte Verringerung der Stromproduktion die Anschlusskosten empfindlich verringern wird.
Nur die erste Studie durch die EDF ist kostenlos, daher erscheint eine Vordimensionierung durch einen unabhängigen Sachverständigen, der das Risiko mehrerer Studien durch die EDF reduziert, als sinnvoll.
Der gesamte Anschlussprozess kann im Falle eines Anschlusses an die Niederspannung leicht ein Jahr, bei Anschluss an die Hochspannung bis zu 18 Monaten dauern. Für den Anschluss sind eine Reihe von Verträgen notwendig, von denen der Anschlussvertrag die Funktionsvorschriften der Anlage regelt, sobald diese in Betrieb ist.
Wird der Antrag positiv beschieden, muss der Stromanbieter in einer Frist von 3 Monaten auf der Grundlage der durchgeführten Studie einen technischen und finanziellen Vorschlag machen. (proposition technique et financière, PTF)
Dieser Vorschlag kann mehrere Lösungsmöglichkeiten enthalten. Sobald man sich auf eine Lösung geeinigt hat, werden Anschlussfrist und Kosten festgelegt.
- Kaufvertrag über die Abnahme von Strom
Je nach Standort des Betriebs wird der Kauf von Elektrizität durch EDF Production (EDF Produktion) (andere Struktur als EDF réseau de distribution (EDF Verteilungsnetz)) oder durch die spezialisierte Struktur des lokalen Verteilers ausgeführt.
Ein Kaufvertrag kann nur nach dem „Biogas“ Preis abgeschlossen werden, wenn die Anlage gesetzeskonform ist, das heißt, wenn alle oben beschriebenen Verfahren abgeschlossen sind.
Der Kaufvertrag hat eine Laufzeit von 15 Jahren. Zu den Abnahmepreisen kann folgendes festgehalten werden:
- Festland Frankreich (DOM um etwa 2 ct höhere Tarife)
- Leistung
- < 150 kW: 9 ct,
- > 2 MW: 7,5 ct,
- dazwischen linear steigend
- + Prämie für die wirtschaftliche Effizienz: bis zu 3 ct (insbesondere Wärmekraft)
- + Prämie für die Methanisierung: 2 ct
Die zur Zeit in Frankreich angelaufenen Projekte erwirtschaften einen durchschnittlichen Preis von 12 ct.
- Weitere Verträge und Handlungen
Der Landwirt wird häufig Rohstoffkaufverträge mit Lieferanten abschließen, die gut durchdacht sein müssen. Eine langfristige Abnahmegarantie gewährleistet, dass die Biogasproduktion stabil ist, weil die Biogas hauptsächlich aus diesen Rohstoffen hergestellt wird.
Wärmelieferungsverträge können ein sehr interessantes Betriebsmittel darstellen, einerseits durch die direkte Abnahme, die sie versprechen, andererseits wegen der Erhöhung der Energieeffizienzprämie. Um eine effektive Nutzung darzustellen muss diese in Rechnung gestellt, und nicht kostenlos abgegeben werden.
Die Einrichtung eines privaten Wärmenetzes ist denkbar, erfordert aber entweder die Genehmigung des Zugangs über ein Privatgrundstück oder der Genehmigung von Durchfahrten durch die Gemeinde.
- Versicherung
Die neue Aktivität muss versichert werden. Die Versicherung sollte nicht nur die lokalen Risiken decken, sondern auch die Konsequenzen außerhalb der Anlage, zum Beispiel aufgrund eines Sicherheitsfehlers (des Stromnetzes). Eine sehr detaillierte Versicherungsbestätigung wird von der EDF verlangt (die sich auf die verschiedenen Verträge mit EDF Energie und EDF Distribution bezieht).
05.11.2007