Rechtsmittel eines Gesellschafters einer französischen SCI gegen Eröffnungsbeschluss des Insolvenzverfahrens
Am 14. September 2022 hat die Kammer für Handelssachen des französischen Kassationsgerichtshofs entschieden, dass der Eröffnungsbeschluss des Insolvenzverfahrens einer Gesellschaft nicht Gegenstand eines Rechtsmittels seitens eines Gesellschafters dieser Gesellschaft sein kann.
Sowohl das Berufungsgericht als auch der Kassationsgerichtshof erachteten das jeweils eingelegte Rechtsmittel unter Verweis auf Art. L. 661-1 I 2 ° des französischen Handelsgesetzbuches (Code de commerce) als unzulässig. Unerheblich ist dabei, ob der Gesellschafter in der ersten Instanz freiwillig dem Rechtsstreit beigetreten ist, um die von der juristischen Person abgegebene Erklärung über die Zahlungseinstellung anzufechten.
Nach Art. L. 661-1 c. com. dürfen in Frankreich nur folgende Personen gegen das Urteil zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Rechtsmittel einlegen: der Schuldner, ein betreibender Gläubiger, dder Sozial- und Wirtschaftsausschuss oder die Mitglieder seiner Arbeitnehmervertretung und die Staatsanwaltschaft.
Bereits in einem früheren Urteil hatte der französische Kassationsgerichtshof klargestellt, dass ein Gesellschafter, der nicht Partei des Verfahrens war, mit dem die gerichtliche Liquidation ausgesprochen wird, nicht berechtigt sei, gegen den Eröffnungsbeschluss des Verfahrens Berufung einzulegen (Com. 13. Juni 2006, Nr. 05-12.748 NP).
Nach ständiger Rechtsprechung können - außer im Falle eines Machtmissbrauchs - die Parteien, die nicht in Art. L. 661-1 c. com. genannt sind, keine Revision gegen ein Urteil einlegen, das über die Eröffnung einer gerichtlichen Liquidation entscheidet und dies gilt insbesondere für den Gesellschafter einer Gesellschaft.
Allenfalls in Betracht kommt eine Drittwiderspruchsklage gem. Art. L. 661-2 c. com., welcher speziell für das Urteil über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorsieht, dass dieses Urteil Gegenstand eines Drittwiderspruchs sein kann. Die Zulässigkeit dieses Rechtsbehelfs hängt jedoch von der Einhaltung der in Art. 583 der Zivilprozessordnung (Code de procédure civile) festgelegten Bedingungen ab. Dieser bestimmt, dass jede Person, die ein Interesse daran hat, Drittwiderspruch einlegen kann, vorausgesetzt, sie war an dem Urteil, das sie angreift, weder beteiligt noch vertreten. Allerdings kann ein Gesellschafter als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft grundsätzlich keine Drittwiderspruchsklage gegen ein Urteil erheben, bei dem die juristische Person Partei war. Zudem hat seine freiwillige Beteiligung an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens seiner Gesellschaft diesen a priori in den Rang einer "Partei" erhoben.
Gestützt auf das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK wurde einem Gesellschafter, der gemäß Art. 1857 des französischen Zivilgesetzbuches (Code civil) entsprechend seinem Anteil am Gesellschaftskapital unbegrenzt haftet, das Recht auf einen Drittwiderspruch zuerkannt (Com. 19 déc. 2006, n° 05-14.816 P, Dalloz actualité, 5 janvierv. 2007, obs. A. Lienhard; D. 2007. 1321 , Anm. I. Orsini; D. 2007. 401 , Anm. T. Bonneau), da er ein besonderes Interesse am Fortbestand der Gesellschaft und folglich an der Aufrechterhaltung der Rechtspersönlichkeit hat.
Zwar bleiben dem Gesellschafter die Rechtsmittel der Berufung und der Revision versperrt, jedoch dürfte ihm trotz seines freiwilligen Auftretens als Streithelfer in der Instanz die Möglichkeit einer Drittwiderspruchsklage, zwar abweichend von Art. 583 CPC, hingegen gestützt auf Art. 6 EMRK, offenstehen.
Dieser Artikel wurde von Dr. Christophe Kühl in Zusammenarbeit mit unserer Referendarin Karen Roth verfasst.
03.11.2022