Reform des französischen Sanierungs- und Insolvenzrechts
Das französische Recht kennt mit der procédure de sauvegarde accélérée ein effizientes und schnelles Verfahren, um Unternehmen, die sich in Schwierigkeiten befinden, vor der Insolvenz zu bewahren. Mit wenigen Anpassungen konnte die europäische Vorgabe, einen präventiven Restrukturierungsrahmen zu schaffen, in Frankreich umgesetzt werden. Gleichzeitig wurde die Gelegenheit genutzt, auch das allgemeine Sanierungsverfahren zu beschleunigen.
Mit der ordonnance n° 2021-1193 vom 15. September 2021 hat der französische Gesetzgeber die bestehenden Regelungen zum Sanierungsverfahren angepasst und damit die europäische Richtlinie (EU) 2019/1023 umgesetzt, die die Mitgliedsstaaten unter anderem dazu verpflichtet, sogenannte präventive Restrukturierungsrahmen zu schaffen (Art. 4 der Richtlinie). Diese sollen es Schuldnern in Schwierigkeiten ermöglichen, sich zwecks Abwendung einer Insolvenz zu restrukturieren. Die Gesetzesänderungen sind am 1. Oktober 2021 in Kraft getreten und finden auf alle neu eröffneten Verfahren Anwendung.
Die vereinheitlichte sauvegarde accélérée als effizientes Restrukturierungsverfahren
Bisher existierten in Frankreich neben dem allgemeinen Sanierungsverfahren (Art. L626-1 Code de commerce) zwei besondere Verfahren: die sauvegarde accélérée (beschleunigte Sanierung, Art. L628-1 Code de commerce a.F.) und die sauvegarde financière accélérée (beschleunigte finanzielle Sanierung, Art. L628-9 Code de commerce a.F.). Letztere war statthaft, wenn das Unternehmen hauptsächlich bei Kreditinstituten oder Obligationeninhabern verschuldet war; ihre Wirkung war auf diese Gläubiger beschränkt. Die beiden beschleunigten Verfahren wurden durch die ordonnance zu einer einheitlichen sauvegarde accélérée (Art. L628-1 Code de commerce n.F.) fusioniert, wobei die Möglichkeit bestehen bleibt, das Sanierungsverfahren allein auf Kreditinstitute und Finanzgläubiger zu beschränken (Art. L628-1 al. 3 Code de commerce n.F.).
Die Eröffnung eines beschleunigten Sanierungsverfahrens in Frankreich unterliegt folgenden Voraussetzungen (Art. L628-1 Code de commerce n.F.), die durch die Reform nur unwesentlich verändert wurden: (1) in den 45 Tagen vor Antragstellung ist keine Zahlungsunfähigkeit eingetreten; (2) die Buchführung des Unternehmens ist von einem Wirtschaftsprüfer (commissaire aux comptes) oder vereidigten Buchprüfer (expert-comptable) erstellt worden; (3) das Unternehmen hat sich bereits einem Schlichtungsverfahren mit seinen Gläubigern unterworfen; (4) es hat einen Sanierungsplan erarbeitet, dessen hinreichende Unterstützung durch die betroffenen Parteien innerhalb von grundsätzlich zwei, höchstens vier Monaten wahrscheinlich ist. Abgeschafft wurden hingegen die bisher geltenden Mindestschwellen hinsichtlich Arbeitnehmeranzahl, Umsatz und Bilanzsumme (Art. L628-1 al. 3 i.V.m. D628-3 Code de commerce a.F.).
Die Eröffnung des beschleunigten Sanierungsverfahrens ist in Frankreich nur gegenüber den Parteien wirksam, die durch den Entwurf des Sanierungsplans betroffenen sind (Art. L628-6 Code de commerce). Der Entwurf wird den betroffenen Parteien, getrennt nach Gläubigerklassen, zur Abstimmung vorgelegt. Stimmen diese jeweils mit zwei Drittel der abgegebenen Stimmen zu, setzt das Gericht den Sanierungsplan nach Überprüfung fest (Art. L626-8 i.V.m. L626-31 Code de commerce). Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Gericht den Sanierungsplan auch ohne die Zustimmung aller betroffenen Parteien festsetzen (Art. L626-8 i.V.m. L626-32 Code de commerce). Wird innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Eröffnung des Verfahrens, die auf bis zu vier Monate verlängert werden kann, kein Sanierungsplan festgesetzt, beendet das Gericht das Verfahren (Art. L626-8 al. 2 Code de commerce).
Verkürzung der période d’observation beim allgemeinen Sanierungsverfahren
Im Rahmen des allgemeinen Sanierungsverfahrens folgt auf die Eröffnung eine sechsmonatige période d’observation (Beobachtungszeitraum), die um weitere sechs Monate verlängert werden kann und in der der Sanierungsplan auszuarbeiten ist (Art. L621-3 Code du commerce n.F.). Die bisherige Möglichkeit einer nochmaligen ausnahmsweisen Verlängerung um weitere sechs Monate auf Antrag der Staatsanwaltschaft (Art. L621-3 Code du commerce a.F.) entfällt im Interesse der Verfahrensbeschleunigung.
Zu berücksichtigende Passiva bei der Erarbeitung des Sanierungsplans
Ebenfalls der Verfahrensbeschleunigung dient der neue Art. L626-10 al. 2 Code du commerce: Lassen sich die Verbindlichkeiten des Unternehmens auf Grundlage einer Bestätigung des Buch- oder Wirtschaftsprüfers feststellen, beschränkt sich der Sanierungsplan auf die angemeldeten, unbestrittenen Forderungen (créances déclarées admises ou non contestées) sowie auf die absehbaren Forderungen (créances identifiables), darunter insbesondere diejenigen, deren Anmeldungsfrist noch läuft. Die von Gläubigern angemeldeten, aber vom Unternehmen bestrittenen Forderungen sind mithin nicht mehr Gegenstand des Sanierungsplans. Dadurch soll verhindert werden, dass sich das Sanierungsverfahren durch die ansonsten notwendige Feststellung über das Bestehen der Forderung in die Länge zieht. Die neue Regelung wurde bereits vor dem Hintergrund der Pandemie durch Art. 4 der ordonnance n° 2020-596 vom 20.05.2020 befristet eingeführt und nun ins allgemeine Recht übernommen.
17.11.2021