Stillschweigende Verlängerung des Präsidentenamtes der französischen SAS
Wird der Präsident einer vereinfachten Aktiengesellschaft französischen Rechts (Société par actions simplifiée - SAS) für eine feste Amtszeit ernannt, so endet das Mandat automatisch mit Ablauf der festgesetzten Frist, sofern es nicht in Einklang mit den Satzungsbestimmungen ausdrücklich verlängert wird. Wenn ein Präsident sein Amt weiterhin wahrnimmt, kann er sich daher nicht auf eine stillschweigende Erneuerung seines Mandats berufen. Er wird zum faktischen Geschäftsführer und kann sich als solcher gegenüber der Gesellschaft nicht auf die Bestimmungen der Satzung beziehen, da diese nur dem juristischen Geschäftsführer zugutekommen.
Eine kürzlich durch die Cour de cassation ergangene Gerichtsentscheidung hatte nach Darlegung dieses Grundsatzes den Antrag auf Entschädigung des Präsidenten einer SAS, der nach Ablauf seiner Amtszeit im Amt geblieben war und dessen Mandat neun Monate später durch den Alleingesellschafter nicht erneuert wurde, abgewiesen. Dieser Antrag stützte sich auf die Anwendung der Bestimmungen der Satzung über die Abberufung des Präsidenten, die vorsahen, dass die Abberufung nur aus einem schwerwiegenden Grund erfolgen konnte und dass der Präsident bei Fehlen eines solchen Grundes eine Entschädigung erhielt. Jedoch konnte sich der Präsident als faktischer Geschäftsführer, wie oben erörtert, nicht auf diese Bestimmung beziehen.
Zur Begründung seiner Berufung führte der Präsident an, dass sein Mandat durch den Alleingesellschafter ausdrücklich oder stillschweigend wirksam verlängert werden könne, da die Bestimmungen der Satzung eine Ernennung des Präsidenten durch die Hauptversammlung vorschreiben.
Die Cour de cassation wies dieses Argument zurück und wandte den Grundsatz der Nicht-stillschweigenden Verlängerung („non-reconduction tacite“) eines befristeten Mandats zum ersten Mal auf den Präsidenten einer SAS an. Die französischen Berufungsgerichte hatten bereits entschieden, dass das Amt eines Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung französischen Rechts (Société à responsabilité limitée - SARL) oder des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft (Société anonyme - SA), nach Ablauf seiner Amtszeit, nicht aufgrund der faktischen Weiterführung der Geschäfte stillschweigend verlängert wird.
Die Tatsache, dass es sich um eine Einpersonengesellschaft handelt, hat keinen Einfluss auf die Entscheidung: Wenn eine Gesellschaft nur einen Gesellschafter hat, entscheidet dieser anstelle der Hauptversammlung durch alleinigen Beschluss. Insofern kann er auch die Verlängerung eines Geschäftsführermandats beschließen. Seine Entscheidung muss aber ausdrücklich sein. Sie lässt sich nicht daraus ableiten, dass er dem Geschäftsführer bzw. Präsidenten erlaubt hat, sein Amt weiter auszuüben.
Praxistipp:
Auch wenn die Gesellschaft bei Ablauf einer Amtszeit geschützt ist, sollte stets darauf geachtet werden, ob ein Geschäftsführeramt abläuft, um Konflikte in diesem Zusammenhang zu vermeiden.
In Bezug auf den alleinigen Gesellschafter ist zu beachten, dass auch seine Entscheidungen einem gewissen Formalismus unterliegen. Seine Entscheidungen müssen insbesondere in ein spezielles Register (Registre des décisions) aufgenommen werden, das am Sitz der Gesellschaft geführt wird. Wird dies unterlassen, ist die Entscheidung angreifbar.
18.06.2021